Mitte Oktober 2014 startete Apple seinen neuen Bezahldienst Apple Pay in den USA. Auch wenn es noch etwas dauern dürfte, bis er bei uns eingeführt wird, ist es doch ein guter Moment für eine erste Bestandsaufnahme und Analyse, wie der heutige Gastbeitrag zeigt.
Als Apple das eigene mobile Zahlverfahren im September 2014 vorstellte, schaffte Apple Pay eine bislang unbekannt starke Resonanz rund um mobiles Bezahlen bei Publikumsmedien, Fachpresse, Blogs und Branchenexperten. Spätestens dann war Mobile Payment auch auf den Vorstandsetagen von Kreditwirtschaft und Handel angekommen.
Nachdem anfangs viel spekuliert wurde, ist zwischenzeitlich ein wenig Zeit vergangen. Apple hat das Produkt in den USA operativ gestartet und durch den bislang stärksten Verkaufserfolg des NFC-fähigen iPhone6 (40 Millionen Geräte alleine in Q4 2014 abgesetzt) ist auch die notwendige Infrastruktur beim Kunden verfügbar um eine kritische Masse zu bilden.
Apple Pay ist extrem erfolgreich gestartet aber noch vergleichsweise klein
Apple hat in den USA innerhalb weniger Wochen schier unglaubliches geleistet: Apple-CEO Tim Cook erwähnte bei der 2014er Bilanzpressekonferenz, dass bereits 2/3 aller NFC-Kontaktlos-Transaktionen der Card Schemes in den USA mit ApplePay abgewickelt werden. Diese Zahlen, nach nur wenigen Wochen im Markt, sind sehr beeindruckend, berücksichtigt man die Tatsache, dass US-amerikanische Banken und Acquirer Kontaktlostransaktionen bereits vor über 10 Jahren einführten!
Auch beeindruckt es aufgrund der Tatsache, dass StartUps, die US Mobilfunkanbieter über das Unternehmen Softcard.com und selbst Google über Google Wallet und einer groß angekündigten Kooperation mit Mastercard seit Jahren vergeblich versuchen, einen Fuß in die Mobile Payment-Tür zu bekommen. Bislang sind alle Beteiligten mit Ausnahme von Silo-Anbietern wie Starbucks und eben Apple krachend an den eigenen Zielen gescheitert.
Sticht Apple deutlich gegenüber sämtlichen Wettbewerbern im Mobile-Payment heraus, so sind die Zahlen, gemessen an den 1,1 Mrd Karten die 2013 in den USA ausgegeben waren und dem damit verbundenen Zahlungsvolumen von $4 Billionen noch gering und erlaubt trotz Anfangserfolgen noch sehr großen Spielraum nach oben.
Mobile Payment in Deutschland
Auch in Deutschland versuchen sich StartUps, Mobilfunkanbieter und andere am Mobile Payment. So hat sich die Zahl der (mobilen) Wallet-Verfahren innerhalb eines Jahres von knapp über 20 auf über 40 erhöht. Auf einen wirklichen Durchbruch darf man auch noch in Deutschland warten. Oftmals liegt meines Erachtens auf beiden Seiten des Atlantiks ein viel zu technikverliebter Ansatz vor. Der Kunde und dessen Bedürfnisse werden meist aus dem Auge verloren. Spricht man mit den Anbietern oder lauscht ihren Präsentationen auf Kongressen vergeht 80-90% der Zeit in der Erklärung von allgemeinen Marktstudien, Erläuterung der Technik und Sicherheit, während die User Experience (UX), Mehrwerte für den Kunden und die Taktik zur Gewinnung von Kunden- und Händlern in der Regel nur marginal gestreift werden.
US Banken – Top-of-Wallet Aktionen bei Apple-Pay
Interessant ist ferner die Entwicklung im Marketing. US-Banken überbieten sich in Marketing- und Incentive-Aktionen um „Top-of-Wallet“ bei Apple-Pay zu sein, also vom Kunden als die präferierte, erstgenutzte Karte vor-eingestellt zu werden. So bietet Chase seinen Kunden z.B. ein kostenloses Album von David Guetta zum Download, wenn man seine Karte bei Apple Pay hinterlegt.
Es lohnt sich hier ein Blick in YouTube mit welchen kreativen Werbespots und Kundenaktionen die Banken plötzlich die komplette Bandbreite des Marketings bespielen – inklusive Abbinder/Werbung für Apple und das iPhone.
Hier ein Beispiel:
https://www.youtube.com/watch?v=zr4Fuo3YHqw
Mit dieser „kostenlosen“ Werbung unterstützen beispielsweise Mobilfunkanbieter den Konzern in Cupertino seit Jahren. Im Zahlungsverkehr wird Apple Pay zusätzlich von Banken nun als „vertrauenswürdig“ positioniert. Andere Zahlverfahren allokieren dafür riesige eigene Budgets – Apple bekommt es „geschenkt“ und erhöht zusätzlich noch den Lock-In Effekt der Kunden in das eigene Ökosystem!
Mobiles Web und App-Payment die eigentliche Innovation bei Apple
Viele Marktbeobachter schauen derzeit auf die Entwicklungen bei Apple im stationären Handel. Ganz still und leise vollzieht sich die eigentliche Innovation von Apple jedoch im Web und App-basierten Mobile Payment.
Angesichts von durchschnittlich 25% Anteil mobiler Endgeräte am Online-Paymentvolumen im Handel stellt sich die Frage warum auch 2014 noch immer nicht oder schlecht mobil-optimierte Eingabefelder bei den klassischen kartenbasierten Verfahren existieren. PayPal ist mit dem einfachen mobil optimierten Checkout hier bereits einen großen Schritt vorangegangen. So unterschied aber selbst PayPal bis vor kurzem nicht zwischen Tablets und Smartphones in den mobilen Flows und steuerte pauschal den Smartphone-Screen aus, was ebenso schlecht war, wie das Vorgehen der Banken die pauschal den Web-Screen liefern. Ist die Eingabemaske einer Bank nicht lesbar, da zu kein für das mobile Endgerät, war der PayPal-Prozess auf einem Tablet viel zu groß dargestellt.
Apple hat das Bezahlen auf mobilen Endgeräten endlich richtig umgesetzt. Außer der Verwendung des Fingerprints ist keine weitere Interaktion mehr notwendig. Ferner bleibt der Kunde auf der Händlerseite und wird weder auf eine Miniatur-Wunderland-Welt der Bank geführt noch auf eine PayPal-Seite weggeführt. Der Kunde bleibt vollständig in der vertrauten Umgebung des Händlers was weniger Konfusion und Abbrüche im Kaufprozess mit sich bringt.
Eisernes Schweigen zu den Zahlen anderer Mobile Payment Anbieter
Apple Pay ist bislang noch nicht in Deutschland aktiv. Jedoch sehen wir auch in Deutschland starke Parallelen mit den USA bezüglich der (vor Apple Pay) wenig erfolgreichen Versuche im Mobile- und Online-Payment. Viele Anbieter sind sehr aktiv auf Kongressen und via Pressemitteilungen. Echte Kunden-, Umsatz- und Transaktionszahlen werden bislang (bewusst?) nicht kommuniziert.
Es gibt jedoch Möglichkeiten der Näherung über öffentlich verfügbare Daten Transparenz herzustellen. Ein starker Indikator der Nutzung/Kundenzahl ist die profane Anzahl der Besucher auf den jeweiligen Web-Seiten der Anbieter.
Interessante Erkenntnisse aus der WebSite-Traffic Analyse:
Sämtliche Zahlen sind leider nur Näherungen und stimmen vermutlich nur indikativ. Mangels transparenter Zahlenkommunikation der Anbieter gibt es derzeit kaum einen anderen Weg die tatsächliche Größe der Verfahren abzuleiten. Die Zurückhaltung der Anbieter liegt vermutlich auch in den schlechten Nutzerzahlen, da sonst ja eine durchaus aktive PR-Strategie verfolgt wird.
PayPal mit 20 Millionen aktiven Nutzern
Laut Analyse-Tool wurden im Dezember 2014 425 Mio. Nutzer auf der PayPal-Webseite verzeichnet (Web und Payment), davon knapp 6% aus Deutschland – was 26,7 Mio Nutzer bedeutet – die offiziellen PayPal-Zahlen (aus dem Jahr 2013) sind 15 Mio aktive Nutzer in Deutschland. Die deutlich höheren Zugriffszahlen belegen, dass PayPal in Deutschland vermutlich zwischenzeitlich weiter stark gewachsen ist und deutlich über 20 Millionen aktive Nutzer hat.
Yapital schwach auf der Endkundenseite
Trotz beeindruckender Offline-Akzeptanz, die in kurzer Zeit geschaffen wurde, fanden im Dezember gerade mal 44.000 Besucher den Weg auf die Yapital-Seite. Noch interessanter ist die Tatsache, dass die Subseite zum Log-In nur von 13% der Nutzer angesprochen wurde. Eine einfache Berechnung ergibt dass die Yapital Payment API im wichtigen Weihnachtsgeschäft nur von knapp 6.000 Kunden genutzt wurde. Stimmt diese Näherung, hat sich Yapital von der Kundenbasis im März 2014 nicht nennenswert weiter entwickelt und ist vom selbst gesteckten Ziel 1 Millionen Kunden Mitte 2015 extrem weit entfernt.
VISA v.me mit wenig Beachtung in Europa
Während VISA International außerhalb Europas das Produkt komplett eingestellt hat, vermarktet es Visa in Europa weiter. Abgesehen vom kuriosen Ansatz ein rein regionalen Produktes für das grenzenlose Internet anzubieten, scheint sich auch sonst kein Erfolg einzustellen. Von 460.000 Besuchern der v.me Web Seite kamen im Dezember alleine 83% aus Nordamerika, wo das Produkt lange eingestellt ist. In Europa scheint das Interesse und somit die Nutzung extrem überschaubar.
Mpass mit überschaubarem Markterfolg
das mobile Payment-Verfahren der deutschen Mobilfunkanbieter, welches in letzter Zeit nur noch von O2 vermarktet wurde, verzeichnete 65.000 Website-Besucher im Dezember. Bei knapp 120 Millionen deutschen Mobilfunkkunden im gleichen Zeitraum, ist das auch nur eine überschaubare Traktion des Verfahrens bei den Kunden.
Click&Buy verzeichnet nur marginalen Marktanteil
Last but not least Click&Buy, dem Online-Zahlverfahren der Deutschen Telekom. Click&Buy hatte im Dezember 440.000 Besucher, davon 52% aus Deutschland und 16% nutzen die Payment-API. Stimmen die Zahlen hatte Click&Buy im Dezember 70.000 aktive Kunden – die letzte offiziell kommunizierte Kundenzahl liegt bei 14 Millionen aktiv und inaktiv.
Fazit – weniger Technik, mehr Kundenorientierung
Am Ende des Tages zählt im Netzwerkmarkt Zahlungsverkehr nur eines: Gewinnt ein Verfahren Traktion bei Kunden und kann es nennenswert Umsätze nachweisen oder nicht. Hier ist die Antwort (zumindest in den USA) von Apple sehr eindrucksvoll gegeben worden, trotz des großen weiteren Potentials was noch gehoben werden kann. Schaut man sich Reaktionen der hiesigen Anbieter an, so negieren diese die Realität bis heute und glauben, ganz in ihrem eigenen Reality-Distortion-Field lebend, dass sie weiter das beste Produkt seit geschnitten Brot erfunden haben, nur der Kunde das noch nicht verstanden hat. “If you can’t build it, kill it” – hörte ich ausgerechnet aus dem Mund eines klassischen Bankers und muss dem als Schlusssatz dieses Artikels nichts mehr hinzufügen.