2024: Europa zahlt instant und mobil

Die EU-Kommission formuliert ihre Wünsche für die Zukunft des Zahlungsverkehrs

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Häufiger bargeldlos zahlen, aber das Bargeld erhalten. Ein einheitliches Überweisungssystem, aber mit lokalen Eigenarten. Will die EU-Kommission in ihrer Retail Payment Strategy die Quadratur des Kreises?

Die Europäische Kommission fördert digitale Payments in Echtzeit

Die Europäische Kommission fördert digitale Payments in Echtzeit.

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„Der Zahlungsverkehr bildet das Lebenselixier der europäischen Wirtschaft“, so ordnet die EU-Kommission in ihrer „EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr“ den Fluss der Geldströme ein. Auf 33 Seiten formuliert sie ihre Ideen für eine neue Rezeptur dieser Medizin, die nicht heilen muss, sondern stärken soll.

Auf der Zutatenliste sollen künftig weniger globale Standardlösungen stehen, dafür weiterhin ein Potpourri der geschätzten lokalen Spezialitäten. Zur Verflüssigung empfiehlt Europas Spitzengremium eine große Portion Instant Payments, abgeschmeckt mit beliebten exotischen Gewürzen, beispielsweise aus Fernost. Die Grundsubstanz Bargeld hat aber noch lange nicht ausgedient.

Schon Ende 2021 könnten Instant Payments für Banken zur Pflicht werden

Die EU-Kommission gibt sich keinen Illusionen hin. Auch ein zunehmend digitalisierter Zahlungsverkehr wird weiterhin auf zwei Elementen basieren: Karten und Konten. Der Stolz auf die Beschleunigung des innereuropäischen Geldtransfers durch Instant Payment (SCT Inst) durchzieht das Dokument, doch mit der Umsetzung zeigt sich das Gremium nicht zufrieden. Kurzfristig soll die Verbreitung des in Deutschland häufig als „Echtzeit-Überweisung“ bezeichneten Verfahrens überprüft werden.

Längst nicht alle Banken bieten diesen Service diskriminierungsfrei an: Oft ist nur der Empfang von Zahlungen möglich, nicht aber der Versand. Zudem machen etliche Institute SCT Inst durch hohe Preise unattraktiv, obwohl es bereits in der Richtlinie zur Einführung hieß, es sollen keine Premium-Zuschläge erhoben werden. Sollte die Überprüfung der Verbreitung von Instant Payments zum Ergebnis kommen, dass eine allgemeine Teilnahme noch nicht gewährleistet ist, stellt die Kommission bereits für Ende 2021 eine Verpflichtung für Banken in Aussicht.

Für mehr Verbrauchervertrauen soll die Etablierung eines Rückkanals bei SCT Inst sorgen: Wenn ähnlich wie bei Lastschrift oder Kreditkarten ein Rückruf der Überweisung möglich ist, werden sich mehr Konsumenten für diesen Zahlungsweg entscheiden. Bei Händlern dürfte diese Vorgabe weniger gut ankommen. Leider äußert die Kommission keine Präferenz, wer die Entscheidungsinstanz über eine Rückgabe sein soll. Hier kommen auf Banken möglicherweise neue Prozesse zu, analog zum Chargeback-Verfahren bei Kreditkarten.

Digitalisierung ist Mobilisierung

Besonderen Raum nimmt im Strategiepapier der Bereich der mobilen Zahlungsauslösung ein. Mit Bedauern wird festgestellt, dass neu entwickelte Systeme wie das SEPA-Proxy-Look-up zu wenig genutzt werden. Dieses Verfahren würde den EU-weiten Geldtransfer über Smartphones ermöglichen – ohne Austausch von Kontoinformationen wie der IBAN – wenn es zum Einsatz käme.

Bei der Nutzung von mobilen Services setzt die Kommission auch auf eine möglichst breite Vielfalt von Verfahren. Neben einer gut versteckten Kritik an Apples Sperre der NFC-Schnittstelle im iPhone führt das Papier Bluetooth, aber vor allem den QR-Code als weitere Wege zur Zahlungsauslösung an. Hier würde sie die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Standards begrüßen. Allerdings zielen aktuelle Aktivitäten einiger europäischer Player eher auf die Übernahme des dort sehr erfolgreichen chinesischen Standards von Alipay.

Verpflichtung zu digitalen Zahlungen möglich

Die besten digitalen Zahlungsverfahren nützen nichts, wenn sie dem Verbraucher nicht angeboten werden. Hierbei stehen aus Sicht der EU-Kommission nicht nur die Banken in der Pflicht, sondern auch der Handel und insbesondere die öffentlichen Institutionen. Für 2022 stellt das Strategiepapier daher eine Studie in Aussicht, inwieweit kleinere und mittlere Unternehmen, aber auch die Verwaltung in den Mitgliedsländern digitale Zahlungen anbieten – je nach Ausgang behält man sich auch gesetzgeberische Schritte vor.

Ein weiteres Augenmerk liegt auf der sicheren Zahlungsabwicklung. Hier blickt die Kommission unter anderem auf die eIDAS-Verordnung. Die Vorgabe für die elektronische Identifizierung stammt zwar schon aus dem Jahr 2014, dennoch wird sie kaum genutzt, weshalb sie nun überarbeitet wird. Im Zusammenspiel mit den Authentifizierungsvorgaben der PSD2 kann die Verordnung einen großen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten.

Die PSD2 selbst kommt bis Ende 2021 auf den Prüfstand: Die Wirksamkeit gegen Betrug, aber auch die Verfügbarkeit offener Schnittstellen werden bewertet. Bis Mitte 2022 soll ein Vorschlag für einen neuen Rahmen des Open Banking auf dem Tisch liegen. Auch die 50-Euro-Grenze für kontaktlose Zahlungen soll überprüft, aber voraussichtlich nicht erhöht werden. Eher geht es darum, dass Kunden freiwillig eine geringere Grenze festsetzen können. Hier dürfte aber weniger Verbraucherschutz als vielmehr Schutz der Banken im Vordergrund stehen, denn bis zur Höchstgrenze von 50 Euro ist der Verbraucher ohnehin von der Haftung befreit.

TIPS wird Pflicht

Schnelles, europaweites und währungsübergreifendes Clearing ist die Voraussetzung für Instant Payments im SEPA-Raum. Mit den bisherigen Entwicklungen ist die Kommission nicht zufrieden und erwartet daher eine Teilnahme aller SCT Inst-Beteiligten, die über TARGET2 erreichbar sind, an TIPS, dem TARGET Instant Payment Settlement des Eurosystems. Mit eindeutigeren Vorgaben hätte sich die EZB, wie auch beim Open Banking, viel Zeit und Ärger erspart – jetzt setzt die EU-Kommission ein Ausrufezeichen.

Und sie schaut über die Grenzen, denn schnelle Geldtransfers gibt es nicht nur in der EU. Darum sind die Marktteilnehmer gehalten, SCT Inst anschlussfähig an Sofortzahlungssysteme in Drittländern zu gestalten. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass dort vergleichbare Anforderungen an Verbraucherschutz, Betrugsprävention und Schutz vor Geldwäsche und Terrorfinanzierung herrscht. Standards wie ISO 20022 und SWIFT-GPI sollen für mehr Transparenz sorgen.

Bargeld soll bleiben

Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit der Digitalisierung des Geldverkehrs bleibt die EU-Kommission in einem Punkt ganz analog: Ihre Strategie erkennt ausdrücklich die Bedeutung des Bargelds an. Sie sieht zwar Digitales Zentralbankgeld (CBDC) auf dem Weg und wird daran auch mit der EZB zusammenarbeiten, legt aber Wert darauf, dass Bargeld weiterhin allgemein zugänglich sein und akzeptiert werden muss. Rund 30 Millionen Erwachsene in der EU haben kein Bankkonto, sie sollen nicht stärker als ohnehin schon durch die Digitalisierung von Dienstleistungen ausgeschlossen werden. Einer Ausbreitung von „No-Cash“-Einzelhändlern sollen die Mitgliedsstaaten entgegenwirken und für ein Mindestmaß an Geldausgabestellen sorgen.

Die Richtung stimmt

Das Schöne an Strategiepapieren ist: Es lässt sich vieles hineinschreiben. So findet sich auch in diesem Entwurf ein wenig von allem. Digitalisierung des Zahlungsverkehrs: klar! Aber wir halten auch am Bargeld fest. Einheitliche Überweisungen: unbedingt! Aber die regionalen Zahlarten dürfen erhalten bleiben. Anders wird es auch nicht gehen, will man alle Akteure mitnehmen auf den Weg zum digitalen Geldtransfer. Immerhin stimmt die grobe Richtung, und wenn Instant Payments zum zentralen Element ausgebaut werden, ist genügend Raum für eine Diversität von Frontends und zusätzlichen Services, die Auswahlmöglichkeiten und Wettbewerb sicherstellen.

Entscheidend bei der Zusammenstellung der Rezeptur für das neue „Lebenselixier der europäischen Wirtschaft“ ist vielleicht gar nicht so sehr die Zutatenliste. Sondern die Entschlossenheit des Kochs.

Über den Autor

Henning Brandt

Henning Brandt ist als Head of Communication für die Öffentlichkeitsarbeit des Payment Service Providers Computop verantwortlich. Nach Stationen in Journalismus und Public Relations spricht und schreibt er seit 2015 über Themen wie E-Commerce, internationale Zahlungsabwicklung und die Zukunft des Payments.

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