Viele Banken und Sparkassen leben noch immer im Gefühl einer vermeintlichen Stärke. Und das, obwohl sich nicht nur die Welt um sie herum, sondern auch die Finanzbranche verändert hat. Ist Ihr Institut auf dem richtigen Weg?
Es gibt noch immer viele Kreditinstitute, die es bisher versäumt haben, die tiefgreifenden Veränderungen im Markt für Finanzdienstleistungen zu erfassen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Vielfach leben sie in einer längst vergangenen Euphorie und erfreuen sich vermeintlich hoher Kundenbestände, nicht sehend, dass diese ihr Neugeschäft schon längst mit anderen Instituten abschließen.
Hat Ihre Bank die Zeichen der Zeit verstanden?
Woran Sie erkennen können, ob Ihre Bank (oder Sparkasse) die Zeichen der Zeit richtig gedeutet hat? Die nachfolgenden 33 Punkte geben Ihnen einen guten Hinweis darauf:
- Die Zentrale Ihrer Bank liegt immer noch in einem schicken, Marmor beladenen Elfenbeinturm in der teuersten Einkaufsstraße der Stadt.
- Ihre Bank hat immer noch nicht realisiert, dass es ihre Aufgabe ist, den Kunden bei seinen Finanzen zu helfen, statt seine Ausgaben zu kontrollieren.
- Das Baubudget Ihrer Bank ist noch immer höher, als das für digitale Innovationen.
- Ihre Bank eröffnet neue „Flagship“-Filialen, die aussehen wie ein Apple-Store. Nur leider sind sie nicht annähernd so gut.
- Die Filialen Ihrer Bank sind streng funktional angelegt, ohne Rücksicht auf Kundenströme oder Kundenbedarf. Es gibt Kaffeemaschinen, Prospektständer und überbordende Plakatwände. Die Kunden werden immer noch aus archaischen Dokumentations- und Legitimationsgründen dorthin bestellt, auch wenn sie Anträge über Online-Kanäle gestellt haben.
- Ihre Bank sucht immer noch den Business Case für Social Media, obwohl Twitter, Facebook und Instagram bereits an vielen Stellen konventionelle Kommunikationskanäle verdrängt haben.
- Ihre Bank verbietet noch immer Social Media am Arbeitsplatz, statt zu überlegen, wie man soziale Kanäle gewinnbringend nutzen könnte oder die Möglichkeiten zu verstehen, wie Menschen heutzutage besser miteinander kommunizieren können.
- Ihre Bank legt nicht viel Wert auf Benutzerfreundlichkeit und Effektivität von Intranets oder internen Tools, obwohl dies Plattformen sind, mit denen ihre Mitarbeiter den ganzen Tag über arbeiten und dies jeden Tag.
- Ihre Bank hat noch nicht wirklich verstanden, was „mobile-first“ wirklich bedeutet, geschweige denn begonnen, den Trend zu nutzen, auch wenn immer mehr Menschen in jedem Zug oder Bus, auf dem Wohnzimmersofa, am Schreibtisch oder am Kaffeetisch stundenlang auf den Handybildschirm schauen.
- Ihre Bank denkt immer noch, dass nur digital-affine Menschen ein Smartphone oder Tablet verwenden.
- Das Online-Banking Ihrer Bank besteht immer noch aus einer reinen Transaktionshistorie und liefert keine Analysen oder Hilfsmittel, die es dem Kunden ermöglichen würden, mehr aus seinem Geld zu machen. Auch Beratungs- und Cross Selling Ansätze fehlen. Dabei wird das Internet Banking wie auch das Mobile Banking zunehmend zum wichtigsten Tool, das Menschen nutzen, um Ihre Finanzen zu verstehen, zu managen und zu verbessern.
- Das Design und die Funktionalität des Webauftritts Ihrer Bank ist seit drei oder mehr Jahren unverändert.
- Ihre Bank hat immer noch Dutzende von Darlehen, Kontomodellen oder ähnlichen Produkten im Angebot, obwohl eine Handvoll einfacher aber dafür passender Produkte völlig ausreichend wäre und den Kunden besser ansprechen würde, statt ihn permanent mit der Qual der Wahl zu überfrachten.
- Ihre Bank versucht mit Massenmarken-Kampagnen eine Verbindung zu Kunden, deren Herzen und deren Seelen aufzubauen.
- Ihre Bank versucht über solche Markenkampagnen auch die Unternehmenskultur zu „bestimmen“, anstatt sie zu reflektieren“. Das ist gefährlich, denn was machen Sie, wenn Sie nicht (oder niemals) das halten könnte, was Sie versprechen?
- Ihre Bank kennt ihre Kunden genau und hat sogar eine wirklich detaillierte PowerPoint-Präsentation über sie! (Nur hat die Bank diese Kunden nie „getroffen“)
- Ihre Bank fragt Kunden nicht, was sie wirklich brauchen sondern nur, was sie wollen. Und sie bezieht auch keine Kunden in die Erstellung und Implementierung von neuen Produkten und Dienstleistungen ein, sondern lässt sich bis zu einer Markteinführung nicht in die Karten schauen.
- Ihre Bank hat noch nie eine Kundenerfahrung vom Beginn bis zum Ende komplett nachvollzogen, um zu sehen, was ein Kunde wirklich „durchlebt“. („Oh, es dauert 3 Wochen bis dieser Antrag vollständig verarbeitet ist“) oder sich in die Rolle des Kunden begeben (In der Warteschlange stehen oder ein kompliziertes Formular ausfüllen).
- Der Vorstand Ihrer Bank war seit Jahren nicht mehr in einer Filiale oder im Call Center zu Besuch oder hat dort nur die üblichen Floskeln hinterlassen, statt sich für das wahre Geschehen zu interessieren.
- Ihre Bank ist bereit, das auszulagern, was ein Kunde als deren Kernkompetenz bezeichnen würde: Service. Was sagt dies über das Geschäftsmodell aus?
- Ihre Bank denkt, Design ist, wie die Dinge aussehen und nicht, wie die Dinge funktionieren.
- Ihre Bank denkt, Benutzerfreundlichkeit ist weniger wichtig als persönlicher Service, obwohl wahrscheinlich drei Viertel der Kundenbeziehung zu einer Bank aus dem Umgang von Dokumenten, Formularen, Anträgen, Übersichten, Webseiten, Apps und ähnlichem bestehen.
- Ihre Bank nervt ihre Kunden immer noch durch komplizierten Jargon auf Bedingungen und Dokumenten und versteckten Preisen und Gebühren im Kleingedruckten.
- Ihre Bank denkt, Kunden wollen die vollständige Funktionalität, obwohl sie nur die Kernfunktionen wirklich wollen und der Rest bis auf weiteres irgendwo versteckt bleiben kann (bis der Kunde es wirklich will).
- Ihre Bank glaubt nicht, dass ein Call-Center wichtiger ist als Filialen, trotz der Menge an Interaktionen und der kritischen Customer Experience. Die Bedeutung von Call Centern wird aber weiterhin zunehmen.
- Ihre Bank beobachtet für neue Ideen sorgfältig die direkten Konkurrenten, deren Produkte und Dienstleistungen etc., statt von anderen Branchen zu lernen, während die Kunden denken, die Banken sind alle gleich, und verzweifelt hoffen, Apple, Google oder Amazon würde eine Bank eröffnen und frischen Wind in die Bank-Kunde-Beziehung bringen.
- Ihre Bank braucht keine Consultants oder Mitarbeiter von Außen, weil Ihre Bank am besten weiß was zu tun ist. Könnte es sich da nicht auch um ein Zeichen von fehlendem Mut oder Demut handeln.
- Ihre Bank macht es schwer, zu oder von ihr zu wechseln. Diese Art von „Kundenbindung“ bei Angeboten und Service ist nur ärgerlich und frustrierend und darf nicht mit echter Kundenloyalität verwechselt werden.
- Ihre Bank offenbart ihre wahren Motive bei Eigentümerversammlungen, wo Kunden selten explizit erwähnt werden. Doch zurück im Büro, ist die Bank wieder komplett „kundenorientiert“.
- Kennzahlen und Anreize sind immer noch ausschließlich an Erträge gebunden, anstatt an eine Mischung aus Geschäfts- und Kundenerfolg oder –zufriedenheit. Im einen Moment spricht der Chef von einer Kultur des fokussierten Kundenservice, um im nächsten Moment das Team daran zu erinnern, die Ziele für den Monat / das Quartal / das Jahr zu erreichen.
- Ihre Bank vergibt immer noch „marktübliche“ Boni auf hohem Niveau an die Top Führungskräfte, als ob der Begriff PR nicht existiert oder wichtig wäre.
- Ihre Bank macht Fehler, erhält Bürgschaften von Regierung und Steuerzahler, macht die gleichen Fehler noch einmal, oder nimmt die Bürgschaft für den Ausgleich der Fehler in Anspruch, statt sich um eine Verbesserung des Kundenservice, der Kundenerfahrung oder des Nutzenversprechens zu kümmern.
- Ihre Bank verwendet den Satz „So haben wir das schon immer gemacht“, um eine Million ziemlich dummer Entscheidungen zu rechtfertigen.
Fazit: Die Zukunft ernst nehmen!
Klar, wohl kaum eine Bank macht alle Fehler auf einmal. Und es gibt durchaus Institute, die ihre Zukunft und ihre Kunden ernst nehmen. Gehört Ihre dazu?
Überprüfen Sie anhand der Liste einmal selbst, wo Ihre Bank steht. Ich freue mich auf Ihre Hinweise und Kommentare.
PS: Beim vorliegenden Artikel handelt es sich um die aktualisierte Fassung eines Beitrags, der 2012 im Bank Blog erschienen ist.