Rückfall der Banken ins Mittelalter

Eine kritische Betrachtung der aktuellen EZB-Zinspolitik

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Die Europäische Zentralbank will mit ihrer Politik der niedrigen Zinsen indirekt kurzfristig die Kreditvergabe und mittelfristig die Inflation ankurbeln. Dies gelingt derzeit nicht wirklich, stattdessen wird über Negativzinsen und die Auswirkungen auf privates Sparen und Vorsorge diskutiert.

Schießfachanlage in einer Bank

Im Mittelalter wurden Banken dafür bezahlt, das Vermögen der Kunden zu verwahren
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Seit Beginn der Niedrig- beziehungsweise Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank zeichnet sich ein fundamentaler Systemwandel auf den Geld- und Kreditmärkten ab. Die Wirkungen sind bekannt, und da die Banken immer am längeren Hebel sitzen, versuchen sie die schrumpfenden Zinsmargen durch Abwälzung der Kosten auf ihre Kunden zu kompensieren.

Wenn jetzt sogar über negative Zinsen, also ein „Verwahrentgelt“, gesprochen wird, so wirkt das wie ein Rückfall in uralte Zeiten. Die ersten Banken im Mittelalter verlangten nämlich ein derartiges Verwahrentgelt von ihren Kunden. Dabei handelte es sich um das sogenannte „Depositum regulare“, das heißt, die Kunden deponierten ihr Vermögen in den Banktresoren und zahlten für die sichere Aufbewahrung ein Entgelt.

Banca Monte dei Paschi di Siena

Die Banca Monte dei Paschi di Siena ist die älteste noch existierende Bank der Welt.
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Allmählich realisierten aber die Banken, dass diese Einlagen auch auf Zinsbasis ausgeliehen werden könnten, wobei die Einleger dann nicht mehr im Bedarfsfall die eigene Einlage zurückerhielten, sondern den geldmäßigen Gegen-wert und einen Zinsanteil.

Auf diese Weise profitierten alle Parteien, die Einleger, die Kreditnehmer und die Banken, und so konnte sich auch die Wirtschaft in den Industriestaaten entwickeln.

Dieses bewährte System wird nun gezielt von der Europäischen Zentralbank (EZB), bis jetzt allerdings mit wenig Erfolg, durch die Nullzinspolitik außer Kraft gesetzt. Das wiederum führt zu Ungleichgewichten mit einem gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Verlustpotenzial. Wenn dann noch die Lasten ungleich verteilt werden sollen, indem die Kosten unter anderem über „Verwahrentgelte“ einseitig auf die Schultern der Bankkunden abgeladen werden, gerät die Finanz- und Altersplanung ganzer Generationen von Sparern in Schieflage.

Über den Autor

Prof. Dr. Leo Schuster

Prof. Dr. Leo Schuster studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Erlangen/ Nürnberg, München und Wien. Seine Habilitation zum Thema „Macht und Moral der Banken“ war eine der ersten kritischen Auseinandersetzungen mit Geldinstituten. Von 1975 bis 1990 war er ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen. Er war einer der ersten, die den Zusammenschluss Schweizerischer Großbanken vorhersah, was ihm nicht nur Freunde machte. 1990 nahm er einen Ruf als Ordinarius an den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetriebslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt der Katholischen Universität Eichstätt an, deren Dekan er von 1991 bis 1993 war. Mit Beendigung des Sommersemesters 2000 trat Leo Schuster an dieser Fakultät in den verdienten (Un)Ruhestand.

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