Das Internet und die damit einhergehende Digitalisierung verändern den Markt für Finanzdienstleistungen nachhaltig. Auch Bankfilialen sind davon betroffen, denn das Kundenverhalten ändert sich und neue Vertriebskanäle gewinnen rasant an Bedeutung.
Die meisten Banken verlassen sich auch weiterhin auf ihre Filialstruktur, um Einnahmen zu generieren und Kunden zu gewinnen. Für viele Banken ist es sehr schwer, ihre traditionellen Wege zu verlassen. Sie bauen weiterhin auf den persönlichen Kontakt, auf Gespräche von Angesicht zu Angesicht und die herkömmlichen Formulare. Für viele Banken sind dies Gewohnheiten, die sie nur sehr schwer ablegen können. Es gibt aber bereits viele Banken, die dieses Problem nicht nur gelöst haben, sondern auch den Großteil ihres Umsatzes (manchmal den gesamten Umsatz) unabhängig von Filialen generieren.
Wollen Kunden wirklich Filialen oder fehlt lediglich die Alternative?
Ich höre oft das Argument, dass Kunden noch immer lieber in eine Filiale gehen, um ein Konto zu eröffnen oder eine Baufinanzierung abzuschließen. Aber was ist, wenn die Banken dieses Verhalten beeinflussen und viele neue Umsatzquellen verpassen, weil sie sich einfach nicht an das geänderte Kundenverhalten anpassen? Was, wenn diese Annahmen falsch sind und andere jetzt ein Geschäft aufbauen, das denjenigen Akteuren, die ihre Denkweise in den nächsten paar Jahren nicht ändern, einen erheblichen Marktanteil wegnimmt?
Das Mobiltelefon revolutioniert die Bankenwelt
Das Mobiltelefon revolutioniert (auch) die Bankenwelt. Privatkundenbanken, die ihren Kunden in der modernen Welt keine App für Smartphones anbieten, sind heute die Ausnahme. Selbst in Ländern wie Mexiko, China, Indien und Russland wächst das Bankensystem für Smartphones schneller als im Westen. Fast jede Bank der Welt hat heute Internetseiten und bietet Onlinebanking an. Für die meisten Banken bedeuten Internet und Handy noch immer Kosten – diese Plattformen verbessern zwar den Service und senken die Kosten für den Kundendienst, aber es handelt sich hierbei um Nettokosten für das Unternehmen.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da heute ganze Unternehmen auf Basis von Internet- und zunehmend auch Handyumsätzen gegründet werden. Nimmt man allein die Marktkapitalisierung von Alibaba (214 Milliarden Euro 12/2016), Amazon (350 Milliarden Euro 12/2016) und Facebook (330 Milliarden Euro 12/2016), ist man schon bei fast einer Billionen Euro, die von reinen Online-Händlern erwirtschaftet werden. Wenn man derart erfolgreiche Unternehmen betrachtet, die Jahr für Jahr immer größere Umsätze im Internet erzielen, stellt sich die Frage: Warum gibt es dann diese Vorbehalte gegenüber digitalem Umsatz im Bankensektor? Der Bankensektor ist die einzige Branche, in der es dieses Phänomen gibt, und ich befürchte, dass als Grund „die Regulierung“ vorgeschoben wird. Aber das ist einfach falsch.
Das Internet wird zum zentralen Vertriebskanal
Die geschäftsschädigenden Auswirkungen reiner Internethändler sind gut dokumentiert und Analysten haben nun damit begonnen, bestimmte Verhaltensweisen zu untersuchen, wie z. B. das sogenannte Amazon-Showrooming, bei dem Kunden zu traditionellen Händlern gehen, um ein Produkt zu testen, es dann aber bei Amazon kaufen. Das veränderte Kaufverhalten, beispielsweise beim Kauf von Musik und Büchern, war für traditionelle Geschäftsmodelle gleichermaßen geschäftsschädigend wie für die traditionelle Umsatzgenerierung. Letztes Jahr wurde iTunes 15 Jahre alt, und in diesem Zeitraum sind die Musikverkäufe in Ladengeschäften um mehr als die Hälfte gesunken. Im Jahr 2012 wurden 1,4 Milliarden digitale Singles allein in den USA verkauft. Das ist das Siebenfache an CDs, die im Vergleichszeitraum im Handel verkauft wurden. Wer eine Plattenfirma hat, aber keinen digitalen Vertriebsplan, hat ein Problem.
Die meisten Privatkundenbanken, mit denen ich spreche, befürchten Umsatzeinbußen, entweder wenn das Interesse der Kunden am konventionellen Geschäftsabschluss in der Filiale nachlässt oder wenn sich die Banken ihrerseits aus dem Filialgeschäft zurückziehen und Investitionen zurückfahren. Die Realität ist aber, dass es in den meisten modernen Volkswirtschaften bereits eindeutige Anzeichen dafür gibt, dass ein schrittweiser Rückgang der gesamten Filialaktivitäten stattfindet. Das betrifft die Transaktionen pro Monat und die durchschnittliche Zahl der jährlichen Kundenbesuche ebenso wie die wichtigste Kenngröße überhaupt, den Umsatz pro Produktlinie. Wir verstehen jetzt, dass für Produkte wie Hypotheken oder die Eröffnung von Konten das Internet sogar ein wichtiger Motor für die Umsatzgenerierung in Filialen ist, da erst durch das Internet zwei Drittel des Filialverkehrs für diese Produkte zustande kommen.
Privatbanken mit einem Filialnetzwerk wissen nur allzu gut, dass die meisten Privatkundenbanken es sich nach wie vor zum Ziel setzen, Kunden für traditionelle Werbe- und Marketingaktivitäten in die Filialen zu „locken“. Zusammen mit Compliance-Anforderungen, die oft noch immer eine Personenidentifizierung (Identity Verification Process, IDV) oder Legitimitätsprüfung (Know Your Customer, KYC) in der Filiale erfordern, gibt es eine Unmenge an Falschaussagen darüber, mit welchen verbliebenen Filialaktivitäten immer noch Umsatz generiert werden kann. Das Problem besteht eigentlich darin, dass es nichts gibt, das eine Bank tun könnte, um den Trend umzukehren, dass Kunden nicht mehr in die Filiale kommen – und es wird noch viel schlimmer, wenn der Umsatz vom Besuch in der Filiale abhängig ist. Es ist Zeit für den Wandel weg vom Filial- und hin zum Internetgeschäft!
Filialen werden zunehmend überflüssig
Wie die Buch- und Musikhändler wissen auch wir: Wenn ein Bankkonto nicht mehr in einer Filiale eröffnet, sondern aus dem Internet auf ein Handy geladen wird (wie ein Buch oder eine Single), dann ist die Filiale in Gefahr. Dadurch wird der Umsatz aus dem Internet oder über das Handy absolut entscheidend für eine Privatkundenbank. Wenn ich gefragt werde: „Wie bekommen wir unsere Kunden wieder in die Filiale?“, sage ich einfach: „Wie bekommen Sie sie wieder in die Buchhandlungen oder in Musikläden?“ Das Kundenverhalten hat sich bereits deutlich geändert und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Wenn Banken versuchen, den Filialverkehr aufrechtzuerhalten, um Umsatz zu machen, besteht das Problem nicht darin, dass Verbraucher sich nicht entsprechend den Wünschen der Banken verhalten, sondern darin, dass die Banken es den Verbrauchern nicht ermöglichen, mehr zu kaufen. Sie schaffen ein unnötiges Hindernis für Umsatzgenerierung und Kundenbindung.
Wir wissen, was wahrscheinlich geschehen wird, und wir sehen den Trend, der unaufhaltsam zu einem Umsatzeinbruch in den Filialen führen wird. Aber wenn das der Fall ist, warum tun sich die Banken dann so schwer, Umsatz über Internet und Handy zu generieren? Warum sind Banken so davon überzeugt, dass das Internet- und Handygeschäft nicht so gut funktionieren kann wie das Filialgeschäft, obwohl sie noch nicht konsequent versucht haben, Umsatz über Handy oder Internet zu generieren? Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 15)
5 Kommentare
Solange es Bargeld gibt und Sparbüchsen, gibt es eine Notwendigkeit von Filialangeboten. Und da nichts mehr dem Freiheitsgedanken entspricht wie Bargeld werden Filialen weiterhin ihre Berechtigung haben.
Und die achsofetzigen Internetbanken, App-Dienstleister sind zum Teil nur deshalb so rentabel, weil sie sich lästiger Geschäftsfelder entledigen. Es wird schon eine Struktur geben, wie die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland, die in den sauren Kostenapfel beißen und diese notwendigen Dienstleistungen absichern.
Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse. Kein Filialbetrieb, keine Banktarifbezahlung. Da kann dann die coole Internetbank den vorher entlassenen Bankkaufmann als Sachbearbeiter einstellen oder man firmiert wie das Beispiel Amazon statt als Händler lieber als Lagerist und schon sind andere Gehaltsgefüge für die Masse der Mitarbeiter möglich. Natürlich nicht für CEO´s, denn die schwimmen ja oben auf der Gehälterwelle.
Danke für Ihre Hinweise.
Bargeld ist mit Sicherheit einer der Nachfragefaktoren, die für Bankfilialen sprechen. Das darf aber nicht der einzige sein, denn dahinter stecken vor allem Kosten und wenig Erträge…
Was die Beschäftigung angeht, verweise ich auf die Serie Arbeit 4.0 im Banking.
Ja, die Bankenwelt ist im Umbruch. Jedoch ist der Umgang mit Geld etwas sehr persönliches und kaum mit Musik oder Büchern zu vergleichen. Wenn ein falsches Buch gekauft wird, hält sich mein Schaden in Grenzen. Dies kann bei einer Geldanlage oder Baufinanzierung jedoch zum Ruin werden. Daher wird die Beratung immer wichtig bleiben, sogar noch wichtiger werden. Das viele Banken leider immer noch einen hohen CIR aufweisen lässt sich nicht so zügig lösen wie gewünscht, da die schnelle Senkung hier nur mit massiven Stellenabbau zu bewerkstelligen wäre. Dies hat natürlich eine soziale Komponente die nicht ohne weiteres umsetzbar ist. Also bleibt der Königsweg: Digital dort aufrüsten wo nötig. Kosten reduzieren wo möglich. Es bleibt spannend.
Spannend bleibt es in der Tat. Danke für Ihre Hinweise.
Klar lässt sich eine Baufinanzierung nicht mit einem Buch vergleichen. Ein Giro- oder Tagesgeldkonto ist jedoch inzwischen für viele Menschen nichts besonderes mehr.
Es wird viel vermutet, verglichen, etc. Ich denke es wird auch noch in 20 Jahren Filialen geben. Nur deutlich weniger und andere als heute. Der Trend geht sicher zu „Mega-Filialen“. Es macht keinen Sinn in 5 Filialen vielleiht 5 Empfänge/Counter vorzuhalten. Konsolidiert man erweitert die Öffnungszeiten, etc. haben sicher 2 echtes Potenzial.