Vögel, Würmer, Mäuse und die Zukunft von Payments

Chancen und Risiken von Innovationen in der Finanzbranche

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Haben die deutschen Banken und Sparkassen das Thema Payment verschlafen? Angesichts des DAX-Eintritts von Wirecard, der hohen Marktanteile von PayPal und des langsamen Starts von paydirekt erscheint die Frage berechtigt.

Es lohnt sich, erster bei Innovationen im Payment-Markt zu sein

Was bringt es, der Erste bei Innovationen im Payment-Markt zu sein?

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Vor kurzem wurde an dieser Stelle die Frage gestellt „Früher Vogel, zweite Maus oder doch die Katze?“.  Im Hinblick auf unterschiedliche Innovationsstrategien wurde hinterfragt, wer im Markt für Finanzdienstleistungen letztlich die besten Chancen habe, den Wettbewerb um die Gunst des Kunden zu gewinnen.

Diese Frage stellt sich auch im Hinblick auf den Payment-Markt. Ist es in dieser schnelllebigen Branche, die sich der Dynamik des E-Commerce angepasst hat, überhaupt zielführend, schnell zu sein? (Zu) frühe Innovationen bieten zwar Chancen, bergen aber auch Risiken.

Besser der Erste sein?

Was also tun? Gleich voran preschen oder lieber abwarten? Fängt der frühe Vogel den Wurm, oder frisst die zweite Maus den Käse, wenn die erste tot in der Falle hängt? Ist der frühe Vogel auch langfristig erfolgreich?

Der Erste zu sein hat Nachteile: die Investitionen sind hoch, der Personalaufwand ist groß, man kann nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen, sondern muss sich alles mühsam selbst erarbeiten. Ständig muss man sich rechtfertigen. Und dann ist noch lange nicht sicher, ob sich der Markt in die gewünschte Richtung bewegt. Vielleicht tut er das sogar – nur langsamer als erwartet. Dann lässt der ROI auf sich warten, ein langer Atem ist gefragt, Geduld und viel Geld.

Kürzlich hat der Zukunftsforscher Michael Carl auf unserer Handelskonferenz Planet Trade über die Zukunft des Handels gesprochen. Auf die Frage, wie wir erkennen, wann der Zeitpunkt für Investitionen in Innovationen gekommen ist, antwortete er trocken: „Wenn Sie wissen, dass es so weit ist, sind sie zu spät dran.“ Na toll! Und jetzt?

Das Risiko des Zweiten

Drehen wir die Medaille einmal um und sehen wir uns das Risiko der abwartenden Mitspieler im Payment-Markt an: Wir schreiben das Jahr 2004. Computop arbeitet damals besonders eng mit Banken, Sparkassen und Acquirern zusammen. Ich spreche mit einem Sparkassen-Vorstand über eCommerce und Payment. Sein Tenor: „eCommerce ist doch so klein, das Payment-Volumen gering, wie soll man da Geld verdienen? Da lohnt sich keine Investition.“

Früher Vogel? Kein Interesse. Dieselben Gespräche musste ich mit Bankvorständen und Geschäftsführern von Acquirern  führen. Was dann passiert ist, wissen wir heute: Banken und Sparkassen haben als Eigentümer der Acquirer das Payment-Geschäft jahrelang als ausgelagerte Cash Cow benutzt und schöne Gewinne abgeschöpft. Innovation im Issuing? Fehlanzeige. Keine girocard im e-commerce und erst recht kein eWallet der deutschen Banken.

Der Siegeszug von PayPal

2006 begann dann der Siegeszug von PayPal. War das absehbar? Ja. Ich erinnere mich, dass wir bei Computop 2006 lange diskutiert haben, ob wir mit PayPal kooperieren oder besser nicht. Wir waren besorgt, dass wir PayPal erst bei unseren Händlern unterstützen und dann zusehen müssten, wie PayPal selbst zum konkurrierenden PSP wird. Und Bank ist PayPal heute auch. Es folgten Erfolgsgeschichten von Sofortüberweisung und Anbietern für sichere Lastschriften und sicheren Rechnungskauf.

Abwarten bringt wenig

Was hat das Abwarten gebracht? Banken und Sparkassen haben beim Online-Payment ein Vakuum an Innovation produziert, das andere ausgefüllt haben. Der Markt für Zahlungssysteme ist verteilt. Der Online-Konsument hat heute lieb gewonnene Gewohnheiten.

Brauchen wir jetzt noch alternative Zahlarten der deutschen Kreditwirtschaft? Eher nicht. Wer Platzhirsche wie PayPal, Klarna, Sofortüberweisung verdrängen will, braucht gute Argumente für Händler und Konsumenten.

Gegen große Payment-Innovationen der deutschen Kreditwirtschaft ist nie etwas einzuwenden, aber es sind keine in Sicht. Und so steht die deutsche Kreditwirtschaft heute ohne eigenen Payment-Champion dar. BSPayone wurde großteils an die französische Ingenico verkauft. Concardis gehört jetzt zu Nets in Dänemark.

Die wenigen Vorstöße der Banken verliefen im Sande: Die Deutsche Bank war mit Paybox Mobile Payment sogar zu früh dran, hatte aber nicht das nötige Durchhaltevermögen.  giropay ist seit 2006 eine solide Online-Überweisung – aber ohne die Innovationskraft, um Marktanteile zu erobern.  Es gibt natürlich auch gescheiterte Nicht-Banken-Innovatoren wie mpass oder Yapital. Aber zumindest in der PayTech-Welt ist der Schaden, den Banken durch Abwarten erlitten haben, vielfach größer. Die frühen Vögel stehen deutlich besser da.

Paydirekt ist immerhin eine moderne Wallet-Lösung der Banken und Sparkassen, die aber so spät auf den Markt kam, dass sie sich nur langsam verbreitet. Bezahlen funktioniert doch, also warum jetzt Paydirekt? Einige Händler wickeln über 1.000 Paydirekt-Zahlungen pro Woche ab. Das ist gut, aber hat die deutsche Kreditwirtschaft den Weitblick, um das durch Innovation zu beschleunigen? Und die Geduld, eine solche Entwicklung langfristig zu begleiten?

Aus der Perspektive eines reifen Markts muss man feststellen: das Abwarten war im Payment-Markt ein fataler Fehler. PayPal, Klarna, Amazon und viele Kleinere haben die Lücken gefüllt, welche die Banken gelassen haben. Die technische Kundenbeziehung zum Händler und das Prozess-Know-how haben jetzt Dienstleister wie Adyen, Computop oder Wirecard.

Und die Erfolgsstrategie der Zukunft?

Jetzt, in Zeiten von Omnichannel, werden die Karten im Handel noch einmal neu gemischt. Der Handel muss POS- und Online-Payment zusammenlegen und sich für einen zentralen Zahlungsdienstleister entscheiden, um die Vorteile von Big Data zu nutzen. Deshalb bieten Adyen und Computop inzwischen auch POS-Terminals an, und beide werden girocard-Netzbetreiber. Zudem haben Adyen und Wirecard sogar die Größe, um Banken und Sparkassen viele Geschäftsfelder abzujagen.

Und was ist mit der vielbeschworenen Zusammenarbeit zwischen Banken und FinTechs? Sie kann funktionieren: Computop bekommt Hilfe von Banken bei der Regulierung. Umgekehrt hilft Computop vielen Banken mit Omnichannel-Payment, Betrugsprävention und Biometrie als White Label-Lösung, damit sie die lukrativen Finanzdienstleistungen in der Hand behalten können und ihre Kunden nicht komplett an Adyen oder Wirecard verlieren.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Der frühe Vogel frisst den Wurm

Der Zukunftsforscher Michael Carl hatte auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für Innovationen noch eine weitere Antwort parat: „Starten Sie viele kleine Testballons und Pilotprojekte. Viele werden scheitern, aber bei den erfolgreichen Projekten haben Sie dadurch die Nase vorn.“

Abwarten scheint hingegen keine gute Idee zu sein. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Zumindest in der Payment-Branche.

Über den Autor

Ralf Gladis

Ralf Gladis ist Gründer und Geschäftsführer der Computop International GmbH. Der studierte Wirtschaftsinformatiker verantwortet insbesondere die internationale Expansion sowie die strategische Ausrichtung. Zur Produktpalette des international agierenden Payment Service Providers gehören unter anderem E- und M-Commerce, Mail Order oder Point of Sale Lösungen. Die selbst entwickelte Zahlungsplattform Paygate bietet integrierte Zahlungsprozesse und Betrugsprävention mit über 250 Zahlungsmethoden und Acquirer-Banken weltweit.

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