Der Brexit vertreibt Banken aus Europas wichtigstem Finanzzentrum in London. Doch wohin sollen die Institute gehen? Eine aktuelle Studie zeigt, was bei der Wahl des neuen Standorts zu beachten ist.
Der Finanzplatz London schrumpft. Zahlreiche Finanzinstitute kehren der Stadt den Rücken, Auslöser sind politische Unsicherheiten durch den bevorstehenden Brexit. Die großen Investmentbanken würden ihre Pläne zur Verlagerung ihrer Standorte aus London auch nicht revidieren, falls der Brexit abgesagt würde, so sagen Branchenexperten.
Insbesondere Frankfurt dürfte profitieren. Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin zufolge sind aktuell 45 Finanzinstitute dabei, sich ein Standbein in Deutschland zu schaffen oder ihre Präsenz dort auszubauen. Die meisten davon konzentrieren sich auf Deutschlands Finanzplatz Nummer eins, Frankfurt. Bankexperten berichten, dass die Aktivitäten in der Main-Metropole bereits deutlich spürbar seien: So sei eine verstärkte Nachfrage sowohl nach gewerblichen Immobilien als auch nach Personal zu beobachten. Aber nicht nur Frankfurt bietet sich als Standort an. Auch andere europäische Metropolen haben ihre Vorzüge.
In einer Studie haben die Expertenteams des weltweit tätigen Planungs- und Beratungsunternehmens Arcadis die „London-Alternativen“ analysiert. Dabei wurden Faktoren wie lokale Mietpreise, durchschnittliche Mietvertragsdauer, Leerstandsquote, Steuern, Anbindung und Infrastruktur sowie Konditionen für Umbauten und Renovierungen untersucht.
Vergleich der Büro-Immobilien
Die Analyse belegt: Frankfurt ist in vielerlei Hinsicht eine vernünftige Wahl. Zuerst einmal sind Büroflächen verfügbar – die Leerstandsquote liegt bei acht Prozent. In anderen Städten sieht das ganz anders: So schauen Zuzügler in Luxemburg, Paris oder Dublin in die Röhre. In diesen Städten ist so gut wie gar kein Büroraum verfügbar, die Leerstandsquote liegt bei fünf Prozent oder sogar deutlich darunter. Auch was die Mietpreise angeht, ist Frankfurts Bankenviertel durchaus attraktiv. Der Quadratmeter Bürofläche kostet dort im Schnitt 28 Euro – unterboten wird dies nur von Brüssel mit 26 Euro und Warschau mit 24 Euro. Verglichen mit London sind sogar alle untersuchten Alternativ-Städte geradezu günstig: In der britischen Hauptstadt werden 79 Euro pro Quadratmeter fällig. Zum Vergleich: In Paris kostet der Quadratmeter monatlich 57,50 Euro Miete, in Amsterdam 37,50 und in Luxemburg 50 Euro.
Ist die passende Bürofläche gefunden, müssen möglicherweise Umbauten vorgenommen werden oder die Räume brauchen eine Renovierung. In Amsterdam, Brüssel, Frankfurt und Paris sind allerdings kaum Handwerksfirmen zu bekommen, die die Arbeiten ausführen. Die Betriebe sind völlig ausgebucht, es ist mit Wartezeiten zu rechnen. Wer London schnell den Rücken kehren will, könnte an dieser Stelle ein Problem bekommen. Diesen Punkt sollten Banken dringend in ihre Planung miteinbeziehen.
Verlagerung von Backoffice-Aktivitäten bietet Vorteile
Nicht nur Finanzinstitute, die der Brexit zum Verlassen Großbritanniens drängt, hegen Umzugspläne. Die Digitalisierung vereinfacht die räumliche Entkopplung von Back- und Frontoffice. Einerseits streben Finanzinstitute danach, dicht beieinander zu sein, sodass Händler und Kunden an ihrem Finanzplatz kurze Wege haben. Internationale Institute haben allerdings durch den technologischen Fortschritt neue, smarte Möglichkeiten, ihre Aktivitäten auf mehrere Standorte in verschiedenen europäischen Städten aufzuteilen. Viele namhafte internationale Banken haben sich in den vergangenen Jahren bereits daran gemacht, Back- und Frontoffice räumlich zu trennen. Dabei winken vor allem enorme Kostenvorteile, wenn es gelingt, das Backoffice an einen günstigeren Standort zu verlagern. So sind Löhne beispielsweise in Warschau weit niedriger als etwa in London, Paris oder Frankfurt. Das könnte die Budgets für Personalkosten spürbar entlasten. Immerhin rund zwei von drei Mitarbeitern in der Finanzbranche sind im Backoffice beschäftigt.
Es zeigen sich somit ganz unterschiedliche Anforderungen je nach Ziel der Standortsuche. Soll das gesamt Geldhaus eine neue Repräsentanz anstelle der Londoner Adresse erhalten, müssen auch die Lebensbedingungen für die Mitarbeiter in der neuen Stadt betrachtet werden. Gibt es geeignete Wohnungen mit einer günstigen Anbindung zum Büro? Gibt es internationale Schulen für den Nachwuchs der Mitarbeiter? Ist der neue Standort international gut angebunden, also verfügt er über einen Flughafen und möglichst schnelle Zugstrecken?
Anders sieht es bei einem Umzug aus, der sich auf das Backoffice beschränkt. Für die Aufgaben dort ist damit zu rechnen, im Laufe der Zeit vor Ort Mitarbeiter gewinnen zu können. Entscheidend ist dabei ein Blick auf das Bildungswesen und das Fachkräfte-Angebot. In Europa ist das aber weitgehend unproblematisch: Die Arcadis-Studie bescheinigt allen untersuchten Metropolen in dieser Frage einen ähnlich hohen Standard.
Umzug als Chance, vieles besser zu machen
Ein Umzug birgt für das Finanzinstitut die Chance, mit dem Neustart Digitalisierungsstrategien konsequent umzusetzen und Prozesse am neuen Standort zu automatisieren. Auch wenn der Impuls für die Neuorientierung in der Standortfrage mit dem Brexit von der Politik kam, könnte am Ende jedes einzelne Geldhaus profitieren. Die Entscheider können ihr Schicksal in die Hand nehmen und den optimalen Standort für die Bedürfnisse ihrer jeweiligen Häuser finden. Im Zuge des Neustarts können zudem auch die internen Prozesse optimiert und automatisiert werden. Auf diese Weise gelingt es Finanzinstituten, die Rolle der Brexit-Getriebenen abzulegen und das Beste aus dem Umzug zu machen.
Die Brexit-Vergleichsanalyse zu den internationalen Finanzplätzen können Sie hier direkt herunterladen.