Gut ein Jahrzehnt nach der Finanzkrise kämpfen viele europäische Banken noch immer mit der Ertragskraft im Privatkundengeschäft. Vielfach hemmt ein einseitiger Fokus auf Kostenreduzierung die Ertragssteigerung.
Die Unternehmensberatung Strategy& hat rund 50 Privatkundenbanken und Bankengruppen in Europa, Nordamerika und Australien mit insgesamt 715 Mio. Kunden sowie geschätzten Privatkundeneinlagen und Kreditvolumina in Höhe von 17,1 Bio. Euro untersucht.
Niedrige Zinsen sowie die stagnierende Bevölkerungs- und Vermögensentwicklung führten demnach in Europa 2018 zu einem Rückgang der Erträge um 3 Prozent. Von den untersuchten Banken und Bankengruppen weist lediglich etwa die Hälfte eine ausgeglichene Kostenstruktur auf.
Ergebnisunterschiede zwischen den Regionen
Nur rund jede Achte der analysierten Banken verbucht einen Gewinn pro Kunde von über 480 Euro. Sie gehören damit zur kleinen Gruppe der „fitten“ Institute, die im Rahmen der Untersuchung identifiziert werden konnten.
Im europäischen Vergleich sind Schweizer Banken beim Gewinn pro Kunde führend. Der operative Gewinn lag dort bei durchschnittlich 451 Euro pro Kunde. Bei deutschen Banken betrug er im Durchschnitt lediglich 159 Euro pro Kunde für das vergangene Jahr. Befördert durch Konsolidierungen, Kostenmanagement und überdurchschnittliche Preismacht erzielen beispielsweise
Italiens Banken trotz niedrigem BIP einen der höchsten Gewinne pro Kunde. Belgische, spanische und niederländische Banken erreichen mit Blick auf ihr wirtschaftliches Umfeld angemessene Ergebnisse. Bei Banken in Großbritannien oder Nordeuropa drücken dagegen die zu geringen Erträge die Performance. Banken in Frankreich haben ein Kostenproblem und deutsche Geldinstitute kämpfen an beiden genannten Fronten.
Banken sollten eine ausbalancierte Cost Income Ration anstreben
Wegbrechende Einkommensquellen veranlassen Banken dazu, ein möglichst niedriges Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost Income Ratio, CIR) anzustreben.
Ein knappes Drittel der untersuchten Institute hat eine zu hohe CIR von über 65 Prozent. Diese Kostenstruktur zeigt, dass sie signifikant mehr Geld je Kunde ausgeben, ohne entsprechend mit Geschäftsvolumen und Ertrag belohnt zu werden. Beispielsweise mit Hilfe moderner IT-Lösungen könnten diese Banken Betriebsmodell, Organisation und Prozesse und somit ihre Kostenstruktur optimieren.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen zudem, dass Banken mit einer ausbalancierten Kostenstruktur zwischen Sparkurs und gezielten Investitionen die besten Geschäftsergebnisse erreichten. Eine ausbalancierte CIR zwischen 53-65 Prozent bringe demnach die besten Ergebnisse hervor.
Geschäftspotenzial mit Kunden ausschöpfen
Die besten Retailbanken Europas schöpfen der Analyse zufolge das Geschäftspotenzial ihrer Kunden in allen Bereichen aus, von der Konto- und Erstbankbeziehung über Spar- und Investmentangebote bis hin zu Krediten. Diese Institute erzielen operative Gewinne, die doppelt bis vierfach so hoch ausfallen wie beispielsweise bei einer hocheffizienten Direktbank. Die Mehrheit der traditionellen Banken, aber auch viele der mobilen Neobanken, sollten daher ihr Geschäftsmodell neu ausrichten.
Ein weiteres gutes Drittel der Banken mit ausbalancierter CIR erwirtschaftet mit durchschnittlich 180 Euro deutlich weniger Gewinn pro Kunde. Sie sollten eine strategische Transformation anstreben, die im Wesentlichen auf einer Stärkung ihrer differenzierenden Fähigkeiten sowie ihrer Kundenbeziehungen basieren sollte.
Weiterhin gehören 20 Prozent der Institute zu den Banken, die eine CIR von unter 53 Prozent aufweisen und durchschnittlich 260 Euro Gewinn pro Kunde erwirtschaften. Durch ihre niedrige CIR sind diese Banken aktuell noch gut aufgestellt, hinsichtlich der zukünftigen Ertragskraft aber zu schwach ausgerichtet. Strategische Investitionen in Produktangebot und Service müssten zur Priorität werden, um ihre Kunden in allen Belangen bedienen zu können.
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