Die Schwächung des Standorts D

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Die konjunkturelle Talfahrt könnte bald in einen wirtschaftlichen Absturz umschlagen. Verschärft wird die Lage durch den Strukturwandel und die Transformation vor allem in der Automobilindustrie. Es droht die Gefahr einer tiefgreifenden Deindustrialisierung mit unabsehbaren Folgen.

Gefahr einer tiefgreifenden Deindustrialisierung

Droht Deutschland die Gefahr einer tiefgreifenden Deindustrialisierung?

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Verlust an Schlagkraft

In jüngster Zeit häufen sich die Meldungen, die auf eine „nachhaltige“ Schwächung des Industrie-Standorts Deutschland hindeuten. Verschärft wird die Entwicklung durch einen handfesten Konjunktureinbruch. So ist die Industrieproduktion im Dezember 2019 gegenüber dem Vormonat um 3,5 Prozent gefallen. Einen derart starken Rückgang gab es zuletzt Anfang 2009, als die Finanzkrise ihren weltweiten Schatten warf. Gegenüber dem Vorjahresmonat belief sich der Einbruch sogar auf 6,8 Prozent. Ein solch massiver Rückschlag war ebenfalls zuletzt 2009 zu verkraften.

Auch die deutsche Exportwirtschaft verliert weiter an Schlagkraft. Sie konnte für 2019 nur noch ein leichtes Wachstum um 0,8 Prozent verbuchen. Damit setzt sich der Trend der einbrechenden Zuwachsraten fort. So hatte sich das noch 2017 verbuchte Export-Plus von 6,2 Prozent schon 2018 auf 3 Prozent mehr als halbiert. Wenn das  Bundeswirtschaftsministerium  angesichts dieser Fakten von „einer noch nicht überwundenen Konjunkturschwäche in der Industrie“ spricht, so darf man diese Einschätzung wohl als euphemistisch bezeichnen. Tatsächlich dürfte die rosige BIP-Wachstumsprognose der Bundesregierung für 2020 in Höhe von 1,1 Prozent schon jetzt zur Makulatur geworden sein.

Zerlegung der Automobilindustrie

Als wichtiger Indikator der realen Wirtschaftsperspektiven gilt der deutsche Automobilmarkt: Die Zahl der Neuzulassungen ist im Januar – gegenüber dem Vorjahresmonat – um 7,3 Prozent auf 246.300 zurückgegangen. Bei zwei Dritteln handelte es sich um gewerbliche Anmelder. Die privaten Zulassungen reduzierten sich um gut ein Zehntel auf einen Anteil von 31,6 Prozent.

Diese besorgniserregenden Zahlen dürften vorrangig auf die  politisch gewollte Verbannung der Verbrennungsmotoren zurückzuführen sein, die für eine tiefe Verunsicherung der Käufer gesorgt hat. Die von interessierten Seiten geschürte Hoffnung, die Nachfrage werde sich problemlos auf alternative Antriebe verlagern, erweist sich bisher als blauäugig. Die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos wuchs auf 7.492, was einem Marktanteil von 3 Prozent entspricht. Und die Plug-in-Hybride konnten sich mit 8.639 Neuzulassungen (= 3,5 Prozent Marktanteil) bisher ebenso wenig durchsetzen. Auch die Meldung, dass Tesla seine Zulassungen in Deutschland um 160 Prozent steigern konnte, relativiert sich angesichts der Tatsache, dass der hiesige Marktanteil dieses Herstellers gerade einmal 0,1 Prozent erreicht hat.

„Industriestrategie 2030“?

Die Bundesrepublik scheint zurückzufallen in die Rolle des „kranken Mannes in Europa“, die schon Anfang des Jahrtausends den deutschen Reformstau beschrieben und letztlich zur Agenda 2010 geführt hatte. Hinter den Kulissen zieht das böse Wort der Deindustrialisierung seine Kreise. Der Anteil der Industrie an  der gesamten Wertschöpfung ist seit 2016 auf nur noch 21,5 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit der Finanzkrise gesunken.

Die GroKo hat offenbar weder die Kraft noch den Willen, sich dem eklatanten Handlungsbedarf bei Unternehmenssteuern, Infrastruktur, Energieversorgung, Digitalisierung, Ausbildung und Bürokratieabbau zu stellen. Ein Beispiel: Die mittlere Steuerbelastung für Unternehmen in der EU liegt derzeit bei 22 Prozent, während die deutschen Firmen durch Körperschafts- und Gewerbesteuer mit durchschnittlich 30 bis 32 Prozent belastet werden.

Als Folge verstärkt sich die Abwanderung deutscher Industriefirmen ins Ausland. Aktuell wird die hausgemachte Strukturkrise verschärft durch den Konjunktureinbruch. Anstatt die offensichtlichen Standortnachteile in Deutschland Schritt für Schritt abzubauen, beschränkt sich die Bundesregierung auf wohlfeile Absichtserklärungen wie die „Industriestrategie 2030.“

Außerdem scheinen große Teile der beiden Regierungsparteien die volkswirtschaftliche Notwendigkeit zum Abbau der Wettbewerbsnachteile noch nicht einmal erkannt zu haben. Dabei gilt: Die schleichende Deindustrialisierung birgt die Gefahr, dass Deutschland auf Sicht seinen bisherigen Stammplatz im Kreis der weltweit führenden Wirtschaftsnationen verliert. In zehn Jahren könnte sich die Frage stellen, wie der hierzulande hoch gerüstete Sozialstaat künftig finanziert werden soll.

Der „schwarze Schwan“?

Unkalkulierbar sind derzeit auch die Auswirkungen des Coronavirus auf die globale Gesundheit, Wirtschaft und Beschäftigung. Die Politik tut richtigerweise alles, um Panik zu vermeiden. Man setzt alle Hoffnung  auf die baldige Verfügbarkeit eines noch zu entwickelnden Impfstoffs, um die sprunghafte Ausbreitung der Infektion unter Kontrolle zu bringen.

In den Unternehmen sind bereits erhebliche Schäden bei den Geschäften mit und in China aufgetreten. Namhafte Firmen wie Airbus, BMW, Adidas mussten dort bereits Werke bzw. Ladengeschäfte schließen. Das gilt ebenso für eine große Zahl deutscher Mittelständler, deren chinesische Tochtergesellschaften vorübergehend stillgelegt worden sind.

Für erhebliche Kopfschmerzen sorgen auch zunehmenden Unterbrechungen der internationalen Lieferketten, die bei deutschen Herstellern die Produktion lahmlegen. Derzeit ist eine Best-Case-Lösung in Form einer baldigen erfolgreichen Bekämpfung der Lungenkrankheit ebenso möglich wie die Entstehung einer schweren globalen Krise mit unabsehbaren Konsequenzen. Pessimisten sprechen von einem Black-Swan-Effekt , der nach dem Domino-Stein-Prinzip verheerende Kettenreaktionen auslösen könnte.

„Mehr Marktwirtschaft“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler , der durch seinen konsequenten Widerstand gegen die fortgesetzte vertragswidrige Euro-Rettung bekannt geworden ist, fordert eine Rückbesinnung auf die Stärken der Marktwirtschaft. Der Politiker erinnert an den früheren Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff , der 1990 festgestellt hat: „Bei mehr Marktwirtschaft hätten wir mehr mündige Bürger, weniger Trittbrettfahrer auf dem Wohlfahrtszug und mehr Arbeit in zumutbaren Beschäftigungen. Dann wäre auch mehr Hilfe für die wirklich sozial Schwachen möglich.“

Zum Zustand der Republik schreibt Schäffler: „Über den Standort Deutschland findet derzeit keine öffentliche Diskussion statt. Deutschland nimmt die Wirklichkeit nicht wahr. Man zehrt von der Vergangenheit und meint, dies sei die Grundlage für den Fortschritt von morgen. Das Wachstum sinkt, die Automobilindustrie kränkelt, die Exportindustrie ist durch die Unsicherheiten im Welthandel angeschlagen, und die Regierung ist nicht handlungsfähig. Das sind keine guten Voraussetzungen, um neue Dynamik entstehen zu lassen.“ Vor diesem Hintergrund fordert der Abgeordnete die CDU/CSU auf, das Ende der Koalition mit der hinter das Godesberger Programm zurückgefallenen SPD einzuleiten und mit der FDP eine Minderheitsregierung zu bilden. Der Parlamentarier geht offenbar davon aus, dass Union und seine Partei die verbleibende Legislaturperiode zur Rückgewinnung des Wählervertrauens nutzen können. Eigentlich eine interessante Idee, die als Alternative zu Schwarz-Grün allerdings beim gegenwärtigen Führungspersonal der Union nicht auf Gegenliebe stoßen dürfte.

Über den Autor

Dietrich W. Thielenhaus

Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus, der vor seinem Studium Bankerfahrung gesammelt hat, kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Geldanlage.

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