Sechs Prioritäten für Retailbanken nach Corona

Handlungsfelder zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit

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Die Corona-Pandemie wird allmählich zur neuen Normalität. Die sukzessive erfolgenden Lockerungen betreffen auch Banken und Sparkassen. Um die Zukunftsfähigkeit für die Zeit nach der Krise zu sichern, sollten sie sechs Handlungsfelder beachten.

Handlungsfelder für Banken für die Post-Corona-Zeit

Handlungsfelder für Banken für die Post-Corona-Zeit.

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Mittlerweile haben sich Retailbanken in Deutschland auf die Corona-Krise eingestellt. Nicht alles funktioniert perfekt und die Risiken für die Gesundheit von Mitarbeitern und Kunden erfordern weiterhin höchste Aufmerksamkeit. Nun geht es darum, weitere Lockerungen intelligent zu gestalten und sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Wir sehen die folgenden sechs wesentlichen Handlungsfelder:

  1. Kundenbeziehungen stärken,
  2. Flächenpräsenz auf die Zukunft ausrichten,
  3. Direkten Vertrieb ausbauen,
  4. Organisation zukunftsfähig machen,
  5. Risiken verstehen sowie
  6. Kostensenkung vorbereiten.

Dabei leiten drei übergeordnete Botschaften unsere Empfehlungen:

Retailbanken …

  • … haben die Chance, Teil der Lösung zu sein
  • … sollten nach der Krise das Rad nicht zurück drehen, sondern ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln
  • … müssen eine Perspektive auf Intensität und Dauer des wirtschaftlichen Schocks entwickeln.

Kundenbeziehungen stärken

Retailbanken haben in dieser Krise – anders als in der Finanzkrise – die Chance, bestehende Kundenbeziehungen zu vertiefen und den Ruf der Branche insgesamt zu verbessern. Eine aktuelle BCG „Consumer Pulse“ Befragung ergibt für Deutschland, dass 54 Prozent der Kunden mit der Art und Weise, wie ihre Bank mit der Corona-Krise umgeht, zufrieden sind; nur 6 Prozent äußern sich unzufrieden.

Private Kunden wie kleine Unternehmen geraten aktuell unverschuldet in zum Teil erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Hier können Banken sowohl mit eigenen Initiativen und Spielräumen unterstützen als auch mit Beratung und digitalen Lösungen dafür sorgen, dass Kunden die von Bundes- und Landesregierungen zur Verfügung gestellten Fördermittel schnellst- und bestmöglich ausschöpfen.

Einige Institute bieten schon Pausen bei der Ratenzahlung für Konsumentenkredite an. Es wird jedoch noch mehr erforderlich sein, um die Krise nicht zu verstärken, z. B. Aussetzen von Raten auch für Baufinanzierungen, Aufschieben von Kreditkündigungen oder Gewähren von Krediten zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Besonders betroffen sind Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit oder sogar Arbeitslosigkeit geraten sowie kleine und mittlere Unternehmen, Einzelunternehmer und Freiberufler ohne ausreichende Absicherung.

Retailbanken sollten proaktiv auf Kunden zugehen, um Lösungen für sich abzeichnende Schwierigkeiten anzubieten. Dies sollte differenziert und vor allem für die vielen Kunden erfolgen, für die sich die Situation nach der Krise mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder normalisiert. Retailbanken haben aufgrund der Kontobeziehung einen Wissensvorsprung, den es auch unter Nutzung von Data Analytics konsequent zu nutzen gilt.

Flächenpräsenz auf die Zukunft ausrichten

Aktuell haben die meisten Retailbanken die Verfügbarkeit ihres Filialnetzes massiv eingeschränkt. Der Servicelevel für Kunden kann dabei weitgehend, aber nicht vollständig erhalten werden, da nicht alle Leistungen online bzw. am Automaten verfügbar sind, Call Center zusätzliche Nachfrage verkraften müssen und die nächste geöffnete Filiale z. T. weit entfernt liegt. Kunden lernen jedoch mit dieser Situation umzugehen und gewöhnen sich an das aktuelle Angebot.

Nach Corona wäre die offensichtliche Lösung, einfach die Struktur von Anfang März wieder herzustellen. Das wäre jedoch eine vergebene Chance. Retailbanken sollten sich fragen:

  • Welche Filialen sollen wieder eröffnet werden, welche ggf. auch nicht?
  • In welchem Format sollen aktuell geschlossene Filialen wieder eröffnet werden? Können neue Formate etabliert werden?
  • Welche Services sollten dauerhaft auf digitale Kanäle oder Call Center migriert werden? Welche Anforderungen sind zu erfüllen?

Das Ausweichverhalten der betroffenen Kunden in der aktuellen Situation sollte dabei leiten, welche Lösungen diesen Kunden zukünftig angeboten werden und wie die Veränderung kommuniziert wird.

Direkten Vertrieb ausbauen

Die aktuelle Situation bietet die Chance, Kunden Produkte verstärkt über Direktkanäle anzubieten und nachhaltig neue Vertriebspotenziale zu erschließen. Gleichzeitig ist eine verbesserte, aktive Interaktion über Direktkanäle wesentlich für den Erhalt von Kundenbeziehungen bei einer längerfristigen oder gar dauerhaften Reduktion der Flächenpräsenz.

Da Filialen auch für Beratung aktuell eingeschränkt verfügbar sind, könnten Video-Meetings und Telefongespräche ein erster Schritt sein, Call Center von einem Service Center zu einer zentralen Filialbetreuung weiter zu entwickeln. Auch geschlossene Filialen, in denen Mitarbeiter noch vor Ort sind, können für telefonische Kundenberatung über die eigene Filiale hinaus genutzt werden. Auch der Auf- oder Ausbau eines Netzwerks unabhängiger und mobiler Berater zur Ergänzung oder Substituierung des bisherigen stationären Vertriebs kann hierbei eine sinnvolle Maßnahme sein.

Darüber hinaus gilt es, digitale Vertriebsfähigkeit auszubauen. Ein aktuelles BCG Benchmarking zeigt, dass deutsche Banken im internationalen Vergleich bei der Nutzung digitaler Kanäle für Vertrieb hinterherhinken. Dieses Potenzial gilt es zu erschließen.

Organisation zukunftsfähig machen

Derzeit etablieren sich in Banken pragmatische, flexible Zusammenarbeitsmodelle, die ohne Krise kaum umsetzbar gewesen wären. Es gilt daraus zu lernen und z. B. die Interaktionen mit dem Kunden über Distanz oder das Arbeiten in virtuellen Teams auch nach der Krise zu erhalten. Auch viele Elemente agilen Arbeitens müssen im gegenwärtigen Krisenmodus einfach funktionieren, z.B. die Zusammenarbeit über Silos hinweg und das Arbeiten in Sprints zur Erreichung eines „Minimum Viable Products“ bzw. eines konkreten Ziels. Nur so konnte in der Krise die Einführung sowie kontinuierliche Erweiterung und Verbesserung praktikabler Lösungen – in bislang ungekannter Schnelligkeit und Flexibilität – gewährleistet werden.

Auf diesen Erfahrungen können Retailbanken aufbauen, um auch nach der Krise die interne Zusammenarbeit nachhaltig effizienter und effektiver zu gestalten.

Risiken verstehen

Corona hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wie stark und wie nachhaltig der Effekt anhalten wird ist noch offen. Je länger die Beschränkung von Sozialkontakten andauert, desto schwerwiegender ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft. Retailbanken müssen eine Perspektive entwickeln, wie deutlich der Einbruch der Wirtschaftsleistung wird, wie lange er anhält, und vor allem wie die Erholung verläuft.

Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt ist es erforderlich, sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. BCG Revenue Pools Analysen zeigen, dass die Erträge aus dem Neugeschäft deutscher Retailbanken dieses Jahr um bis zu 15-30 Prozent einbrechen könnten. Banken müssen sich jedoch nicht nur auf einen Ertragseinbruch und steigende Kreditrisiken, sondern auch auf bislang weniger sichtbare Gefahrenpotenziale einstellen. Die erhöhte Nutzung digitaler Kanäle führt auch zu erhöhter Anfälligkeit für digitale Kriminalität. So verzeichneten einzelne Banken 7-fach erhöhte Cyberattacken und 3-fach erhöhte Phishing-Aktivität.

Kostensenkung vorbereiten

Die durch Corona verursachte wirtschaftliche Krise wird den Kostendruck auf Banken noch deutlicher erhöhen. Alleine der zu erwartende Anstieg der Risikovorsorge wird nur durch Kostensenkungen zu kompensieren sein. Wenn darüber hinaus Erträge wegbrechen wird der Effekt noch schwerwiegender.

Der Ausbau der Digitalisierung während und nach Corona kann ein Beitrag sein, wird aber in den meisten Szenarien nicht ausreichen. Retailbanken sollten daher schon heute ein Portfolio an Maßnahmen entwickeln, um auch über den aktuellen Krisenmodus hinweg gerüstet zu sein. Die Umsetzung der Maßnahmen sollte jedoch insbesondere personalseitig nicht kurzfristig erfolgen. Zunächst steht die Bewältigung der Krise auf Bankebene und für die Gesellschaft im Vordergrund.

Fazit: Jetzt entschlossen handeln

Das makroökonomische Umfeld bestimmt die Richtung für Volkswirtschaften, aber keineswegs das Schicksal jedes einzelnen Unternehmens.

Wer jetzt die richtigen Entscheidungen trifft und konsequent umsetzt, erhöht die Chance, von der Krise weniger betroffen zu sein als Wettbewerber oder sogar gestärkt aus ihr hervorzugehen. BCG arbeitetet aktuell mit Banken und Unternehmen aller Branchen daran, die kurzfristigen Effekte von Covid-19 zu bewältigen und die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Über den Autor

Dr. Thorsten Brackert

Dr. Thorsten Brackert ist Director im Frankfurter Büro der Boston Consulting Group. Er ist Mitglied der Financial Institutions Praxisgruppe und Teil des globalen Retail Banking Leadership Teams von BCG. Er hat umfassende Projekterfahrung im Bereich strategischer, operativer und organisatorischer Veränderungsprogramme sowie end-to-end Prozessoptimierung und –digitalisierung in Deutschland, Skandinavien, Europa und Nordamerika.

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