Die Corona-Krise ist auch bei den Start-up-Investitionen im ersten Halbjahr 2020 spürbar. Zwar stieg die Zahl der Investitionen an, das Volumen verringerte sich allerdings deutlich, in Berlin fast um die Hälfte. Das Bundesland Bayern bildet die Ausnahme.
Eine aktuelle Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hat die Lage der Start-up-Investitionen in Deutschland im ersten Halbjahr 2020 unter die Lupe genommen. Dabei wurden nur Unternehmen berücksichtigt, deren Gründung höchstens 10 Jahre zurückliegt.
Die offensichtlichste Entwicklung ist der starke Rückgang bei sehr großen Deals: Die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von sieben auf zwei gesunken. Dahingegen stieg die Zahl der kleinen Transaktionen, die damit den Corona-Effekt mäßiger ausfallen ließen als zunächst befürchtet.
Nur Bayern mit stark wachsendem Investitionsvolumen
Insgesamt sank der Gesamtwert der Investitionen in Start-ups im ersten Halbjahr um 22 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg hingegen um 8 Prozent auf 360. Zwar profitierte davon gerade Berlin, deren Finanzierungsrunden um 14 Prozent auf 149 anstiegen, allerdings machte sich dort auch der Mangel an ganz großen Transaktionen besonders bemerkbar: Das Investitionsvolumen verringerte sich um 47 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro.
Ganz anders allerdings in Bayern: Dort stieg die Zahl der Deals um 60 Prozent auf 83, während sich das Investitionsvolumen sogar vervierfachte: Von 204 auf 773 Millionen Euro. Damit rückten Bayern und die Bundeshauptstadt bei den Start-up-Investitionen deutlich näher zusammen: Während 2019 noch 76 Prozent des deutschlandweiten Kapitals nach Berlin flossen (nur 7 Prozent nach Bayern), waren es im ersten Halbjahr 2020 52 Prozent des Investitionsvolumens, die nach Berlin gingen, 35 Prozent flossen dagegen nach Bayern.
Rückläufige Zahlen in den anderen Bundesländern
Stieg in Berlin wenigstens die Anzahl der Transaktionen im Vergleich zu 2019 an, war bei anderen Bundesländern auch diese Tendenz sinkend. In Nordrhein-Westfalen sank die Zahl der Transaktionen um 24 Prozent auf 32, in Baden-Württemberg und Hamburg jeweils um 32 Prozent auf 17. Auch beim Investitionsvolumen konnten diese drei Bundesländer nicht an das Rekordjahr 2019 anschließen: In Baden-Württemberg schrumpfte die insgesamt investierte Summe um 30 Prozent auf 105 Millionen Euro, in NRW um 55 Prozent auf 60 Millionen Euro und in Hamburg sogar um 68 Prozent auf 26 Millionen Euro.
Die größte Transaktion in Deutschland ging ebenfalls nach Bayern, genauer an den Münchner Flugtaxi Entwickler Lilium, der im März 2020 eine Finanzspritze über 218 Millionen Euro erhielt. Diese Summe wurde im Juni sogar noch auf 250 Millionen Euro erweitert. Auf dem zweiten Rang folgte eine 195 Millionen Euro Finanzierung für den Berliner Verleiher von Technik-Geräten „Grover“ im Januar 2020. Den dritten Platz belegte die Smartphone Bank N26, an die im Mai 91 Millionen Euro gezahlt wurde.
Sinkender Verlauf der Transaktionen im ersten Halbjahr
Gab es im Januar dieses Jahres noch 90 Finanzierungen, so sanken diese im Laufe des Halbjahres kontinuierlich auf 49 im März und 34 im Juni ab. Transaktionen, die in der Vor-Corona-Zeit in Angriff genommen worden seien, seien zum Großteil auch abgeschlossen worden; insgesamt sei die Zahl der abgesagten Deals gering gewesen.
Die mittelfristigen Folgen der Krise seien jedoch erst in den kommenden Monaten absehbar. Dann würde sich zeigen, in welchem Umfang noch neue Transaktionen gestartet und zum Abschluss gebracht würden. Allerdings ließe sich bereits jetzt erkennen, dass Investoren eindeutig vorsichtiger geworden seien. Das müsse nicht notwendigerweise schlecht sein. Investoren achteten jetzt wieder mehr auf Qualität, wodurch sich Bewertungen und der Hype um Zukunftsthemen wieder normalisiere.
Trotz Krise: Gute Ideen werden weiterhin finanziert
Große Transaktionen seien allerdings nach wie vor möglich: Zwar seien im Juni nur 34 Transaktionen angekündigt worden, deren Gesamtvolumen lag aber bei insgesamt 373 Millionen Euro. So stießen herausragende Geschäftsideen bei Investoren weiterhin auf großes Interesse. Corporates dürften zwar angesichts der Wirtschaftslage vorübergehend weniger Geld in Jungunternehmen stecken, Risikokapitalgeber verfügten jedoch nach wie vor über erhebliche Liquidität, um gute Ideen zu finanzieren.
Dies habe sich im abgelaufenen Halbjahr vor allem im Bereich Software & Analytics gezeigt. Hier stieg die Zahl der Investitionen um 12 Prozent auf 112, das Investitionsvolumen sogar um 30 Prozent auf 501 Millionen Euro.
Deutlich weniger Geld floss dagegen in Mobilitäts-Start-ups und FinTechs. Während im Mobilitäts-Segment das Finanzierungsvolumen um 34 Prozent auf 434 Millionen Euro zurückging, lag der Rückgang bei FinTechs sogar bei 55 Prozent und insgesamt 313 Millionen Euro.
Sei das Interesse an innovativen Technologie-Geschäftsmodellen bereits vor der Corona-Krise steigend gewesen, so habe das Segment nun noch einen zusätzlichen Schub bekommen. SaaS (Software as a Service), Analytics und KI böten vielversprechende Geschäftsideen – gerade in Pandemie-Zeiten. Deshalb profitierten diese Unternehmen besonders von der aktuellen Lage. Ebenso verhalte es sich mit Gesundheits-Start-ups. Dort stieg die Zahl der Deals um 30 Prozent auf 61. Im Bereich Digital Health sei weiteres Wachstum erwartbar, ebenso wie in den Segmenten BioTech und Medtech.
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