Die Kunden kommen nicht wieder!

Regionalbanken erfinden sich neu

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Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich das Kundenverhalten rasant verändert. Banken müssen reagieren und näher an die Lebenswirklichkeit ihrer Kunden rücken. Vor allem regionale Institute bringen hierzu gute Voraussetzungen mit, müssen sich aber anpassen.

Das Verhalten von Bankkunden ändert sich rasant

Das Verhalten von Bankkunden ändert sich rasant.

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Horváth ist Partner des Bank Blogs

Menschen lernen schnell. In diesem surrealen Jahr verändert sich das Kundenverhalten rasant. Eingefleischte Filialverfechter erkennen, dass gute Finanzdienstleistungen nicht an Geschäftsräume gebunden sind. Sie bleiben daheim und der Filiale fern. So geht die Kontaktfrequenz zurück und manch konservativer Vertriebler sitzt auf dem Trockenen. Für Regionalbanken ergibt sich jetzt die Chance, sich neu zu erfinden und ihre Geschäftsmodelle fit zu machen. Potenzial und Kundenbedarf ist reichlich vorhanden.

Museale Servicekonzepte

Die filialbasierten Servicekonzepte sind Kinder des verronnenen Jahrhunderts. Darüber kann auch das Aufhübschen mit technischen Spielereien nicht hinwegtäuschen:

  • So waren Videosysteme im Kundenservice bis zu Verbreitung mobiler Endgeräte eine echte Innovation. Wer heute noch solche Lösungen einführt, handelt wie ein Kutschenhersteller, der nach Markteinführung des Automobils in die Verbesserung seiner Kutschen investiert, anstatt das Produkt selbst zu hinterfragen.
  • Kontoauszugsdrucker werden schon heute eigentlich nicht mehr gebraucht.
  • Selbst Geldautomaten in klassischer Form werden obsolet. Die erdrutschartige Verhaltensänderung beim Bezahlen beschleunigt das Ausdünnen der teuren Flotte zur Bargeldversorgung.

Regionalbanken brauchen Filialen

Die Evolution im Kundenverhalten ist kein Freibrief für blinden Kahlschlag bei Filialen und Service. Im Zentrum künftiger Lösungen muss die Frage nach dem echten Kundennutzen und der betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit stehen. Das schließt die Standortwahl ein.

Banken sind heute oft dort präsent, wo die Frequenz abnimmt. Die Immobilie ist halt da – häufig mehr kalte Kathedrale als warmer, inspirierender Ort der Begegnung. Das konsequente Ausrichten an Pendler- und Einkaufsströme senkt die Schuhsohlenkosten der Kunden und erleichtert den Zugang.

Im Einzelfall kann auch die oben gescholtene Videokabine Kundennutzen stiften. Heute dienen diese, genauso wie mobile Filialen oder gemeinsame Finanzzentren häufig eher als Feigenblatt für unliebsame Entscheidungen wahrnehmbaren Kundennutzen und kaum Ertragspotenzial. Früher oder später fällt das Feigenblatt und die restlose Schließung ist besiegelt. So sterben die Dinosaurier überholter Vertriebsstruktur auf Raten. Die Chance zur Neuausrichtung ist vertan, viel Energie, Zeit und Image nutzlos verpufft. Regionalbanken brauchen Filialen aber sie müssen diese komplett neu entwickeln.

Geschäftsmodell vieldimensionaler Nähe

Entfernen sich also die Kunden unaufhaltsam von den Banken? Nein, zumindest nicht grundsätzlich. Für die Geldhäuser wird es aber aufwändiger, mit ihnen Schritt zu halten. Der Unterstützungsbedarf bei Entscheidungen zu finanziellen Angelegenheiten war noch nie so groß. Negativzinsen ruinieren geübte Altersvorsorge- und Vermögensaufbaukonzepte gleichermaßen und in der Schule ist Finanzbildung als echte Lebenshilfe aus den Lehrplänen verbannt. Selbstentscheider haben keine guten Karten, um autodidaktisch geeignete Lösungen im Produkt-Dickicht zu finden.

Um die Menschen zu erreichen, braucht es relevante Kundenansprache, verständliche Kommunikation, einfache Zugangswege, selbsterklärende Selbstbedienung, emotionalen Nähe, Authentizität und durchaus auch physische Präsenz in regionalen Zentren.

Es kommt auf den Kunden an

Damit punktet man nicht bei jeder Zielgruppe. Rein digitale Kunden finden wir in Filialbanken nicht mehr. Deren Bedarf ist einfach anders. Es gibt Anbieter, die diesen gut abdecken. Für hybride Kunden braucht es auch in einer sich digitalisierenden Welt den persönlichen Kontakt zum Aufbau von Vertrauen. Daraus folgt nicht explizit, dass sich Kunden auf Beratungsgespräche in der Filiale freuen. Echte Nähe zeigt sich bei der Wahl der Mittel. Für wirklich jeden Berater muss der Einsatz von Fernberatungstools so selbstverständlich sein, wie der Griff zum Telefonhörer.

Existiert ein Vertrauensverhältnis, ist man sich über die Segnungen der Onlinekommunikation mitunter viel näher. Es ist einfach, unkompliziert und in der Corona bedingten Homeofficeschwemme gelernt. Gerade für Engagements mit hohem Beratungsbedarf ist die einfache Onlinekommunikation von hoher Relevanz. Vermögen fallen selten vom Himmel. Die meisten werden hart erarbeitet, was sich in einem knappen privaten Zeitbudget äußert. Wertvolle Freizeit will man nicht in Beratungszimmern verplempern. Das gilt auch für die Zeitfenster der klassischen Filial-Öffnungszeiten. Sie sind für Beratungskunden weder attraktiv noch relevant.

Kunden kaufen lassen

Scheitern werden die Berater, welche den gewohnten Ablauf der Beratung einfach nur über ein neues Medium bieten. Onlineberatung tickt anders. Der Kunde ist der Souverän. Er ist es gewohnt, selbst zu entscheiden. Erfolgreiche Berater lernen jetzt, kaufen zu lassen. Sie schlüpfen in die Rolle des Finanzcoaches und fragen viel. Monologisches Erklären und Präsentieren ist ein Irrweg für beide Seiten. Das schränkt die Wahl der Mittel ein. Die technische Lösung muss einfach anzuwenden sein, verzichtet auf lokale Installation und bietet echte Interaktion.

Nähe arbeitsteilig organisieren

Kunden erwarten Nähe von der Organisation, nicht von einer bestimmten Person. Wir haben uns längst an teilautomatisierte Kommunikation gewöhnt. So sind Bots oft sehr hilfreich. Sie qualifizieren die Fragen nicht. Kunden müssen sich keine Blöße geben und es gibt kein Warten auf den nächsten freien Mitarbeiter. Eine Zeile mit einer relevanten Information aus einer App oder über einen Messangerdienst ist oft bequemer als ein persönliches Gespräch.

Die Herausforderung liegt in der Relevanz von Informationen und Anspracheanlässen. Menschen wollen wie Stammkunden behandelt werden. Dazu muss man die Personen kennen. Die Informationen zu diesem Zweck stellt man, wenn die Beziehungsebene passt, bereitwillig und gerne zur Verfügung. Dem Datenmanagement kommt jetzt eine Schlüsselrolle zu. Gepaart mit der aufkeimenden künstlichen Intelligenz lässt sich erlebbare und vertraute Nähe zum Kunden schaffen und die Qualität der Beratung verbessern.

Gutes Gefühl ist bester Verkäufer

Echte Nähe äußert sich nicht nur bei der direkten Beratungsleistung. Banken müssen nah an der Lebenswirklichkeit ihrer Kunden sein. Vor Corona waren Themen wie Verantwortung, Nachhaltigkeit und Regionalität ein Trend. Nach Monaten der gesellschaftlichen Einschränkung ist es zur harten Anforderung erwachsen. Wer sich beim Discounter nach regionalen oder biologisch erzeugten Produkten streckt, hinterfragt inzwischen auch sein finanzielles Engagement. „Geiz ist geil“ ist einem neuen Verantwortungsbewusstsein gewichen. Das wohltuende Gefühl, das Richtige zu tun, ist Teil der Kaufentscheidung. Wer nah am Menschen ist, gibt seinen Kunden dieses gute Gefühl.

Keine Anbieter haben bessere Voraussetzungen, ganzheitliche Kundennähe zu schaffen, als Regionalbanken. Packen wir es an.

Über den Autor

Martin H. Siller

Martin H. Siller ist Bereichsleiter Vertriebsmanagement & Marketing bei der Volksbank Raiffeisenbank Nordoberpfalz. Ihm liegt das Verknüpfen der unterschiedlichen Disziplinen in der Bank besonders am Herzen. Der begeisterte Genossenschaftsbanker bekleidete verantwortliche Positionen im Omni-Kanal-Management, Organisationsentwicklung, IT, Prozess-, Change- und Datenmanagement.

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