Das magische Dreieck des modernen Retail Bankings

Agile Kultur, digitale Services – und der Mensch im Mittelpunkt

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Das Wort „Krise“ geht auf das altgriechische „krísis“ („Entscheidung“) zurück und bezeichnete später den Wendepunkt in einem Krankheitsverlauf. Dieser Kontext passt auch auf die „Corona-Krise“ und ihre Bedeutung für das Retail Banking.

Agilität, Digitalisierung und der Mensch bilden das Dreieck des Retail Banking

Agilität, Digitalisierung und der Mensch bilden das magische Dreieck des Retail Banking.

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Denn die Corona-Pandemie eignet sich geradezu mustergültig als Lackmustest für die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten. Es ist keineswegs übertrieben festzustellen, dass die Pandemie dem Digital Retail Banking endgültig zum Durchbruch verholfen hat. Laut einer McKinsey-Befragung ist Covid-19 ein starker Motor für ein neues Kundenverhalten: Fast die Hälfte der Befragten nutzen heute digitale Services, die Online Banking-Nutzung ist im zweistelligen Prozentbereich gestiegen und auch Mobile Banking hat einen deutlichen Schub erlebt.

Institute, die Retail Banking nicht von der Digitalisierung aus denken und gestalten, stehen spätestens jetzt vor erheblichen Herausforderungen beziehungsweise – um im Bild zu bleiben – vor dem Wendepunkt in eine ungewisse Zukunft.

Umgekehrt bietet die Entwicklung für Banken, die ihre Geschäftsmodelle auf den digitalen Wandel ausgerichtet haben, enorme Chancen. Wer bei einfachen Anwendungsfällen auf End-to-End-Digitalisierung setzt, kann seine Lösungen erheblich skalieren. Und beim digitalen Vertrieb für eher austauschbare Produkte wie Girokonto und Verbraucherkredit ergeben sich große Steigerungs-potenziale. Ein weiteres Beispiel sind komplexere Produkte wie etwa Baufinanzierungen: Hier wird die Offenheit und Notwendigkeit für Beratung über Telefon und Videokonferenz und andere digitale Medien deutlich steigen.

Die Kunden sind die Treiber dieser Entwicklung. Um auch künftig erfolgreich zu sein, bedarf es allerdings mehr als „nur“ einer digitalbasierten Ertragslogik. Deshalb beziehen wir Kunden in unsere Entwicklungsprozesse ein und haben über unsere digitalen und persönlichen Kanäle das Ohr am Kunden.

Auch beim agilen Arbeiten steht der Mensch im Mittelpunkt

Die Digitalisierung ist zwar eine wichtige, aber nicht die entscheidende Voraussetzung, um eine Bank zukunftssicher zu machen. Auch dafür liefert Covid-19 den Beleg: Die Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und Finanzen vieler Menschen und führt zu Sorgen und Ängsten. Eine verantwortungsbewusste Bank steht ihren Kunden gerade in einer solchen Situation mit Beratung zur Seite.

Dabei hilft kein noch so guter Algorithmus, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank. Sie hören den Kunden zu, geben der Marke ein Gesicht und schlagen die Brücke zwischen den Kundenbedürfnissen und den Antworten der Bank darauf. Damit sich das Potenzial der Mitarbeitenden voll entfalten kann, bedarf es eines entsprechenden organisatorisch-kulturellen Rahmens. Vor fast zwei Jahren haben wir unsere Transformation zur ersten agilen Bank in Deutschland gestartet. In diesem Umfeld können alle flexibel und eigenverantwortlich arbeiten. Diese Eigenständigkeit und Flexibilität haben entscheidend dazu beigetragen, dass sich unsere Bank vergleichsweise schnell auf die Auswirkungen der Pandemie einstellen konnte.

Insbesondere jetzt im Herbst, wo das Infektionsgeschehen wieder akuter wird, und wir wieder vermehrt in das Home-Office wechseln, sind unsere Mitarbeiter der entscheidende Hebel, um trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben.

Genau deshalb haben wir uns für Agilität entschieden. Denn damit sind wir so aufgestellt, dass wir auf Veränderungen mit Blick auf Kundenverhalten, neue Wettbewerber und innovative Technologien kurzfristig adäquat reagieren können. Diese hohe Umsetzungsgeschwindigkeit bildet neben der Nähe zum Kunden eine zentrale Säule des zeitgemäßen Retail Bankings.

Hinzu kommen Kooperationen mit leistungsstarken Partnern. Es ist wichtig, sich als Bank einer solchen Zusammenarbeit mit Spezialisten zu öffnen, um Kunden auch jenseits des unmittelbaren eigenen Servicespektrums optimale Leistungen zu bieten. Dies ist bei der Vermögensverwaltung unser Anspruch mit Scalable Capital oder bei der Kreditvermittlungen für Amazon-Händler. Auch für die Entwicklung von zukünftigen Produkten setzen wir auf die Kooperation mit Startups und sind offen für innovative Ideen.

Die Zukunft des Retail Bankings aktiv gestalten

Die Verantwortung von Banken geht allerdings weit über die schnelle, effiziente und individuelle Bedienung von Kundenbedürfnissen hinaus. Diese Verantwortung hat vielmehr einen gesellschaftlichen Rahmen und vollzieht sich auf mehreren Ebenen, allen voran dem Klimaschutz. Mit unserem integrativen, wissenschaftlich fundierten und zukunftsorientierten Ansatz “Terra” engagieren wir uns dafür, unser Kreditportfolio auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens auszurichten, sodass die Erderwärmung nicht über 2°C ansteigt. Wir investieren gezielt in nachhaltige Projekte und unterstützen Unternehmenskunden, die nachhaltige Strategien verfolgen oder bereits Vorreiter auf diesem Gebiet sind.

Die Verantwortung einer Bank im 21. Jahrhundert erstreckt sich mehr denn je auch auf den einzelnen Bankkunden. Es geht darum, den Kunden als Partner auf Augenhöhe zu betrachten. Mit unserem Sicherheitsversprechen schaffen wir zum Beispiel ein vertrauensvolles und sicheres Umfeld. Sofern Kunden, die ihre Bankgeschäfte online oder mobil abwickeln, Opfer eines Betrugs werden, übernehmen wir dafür den vollständigen Schaden. Einzige Voraussetzung: Die Kunden müssen uns sofort informieren und eine Betrugsanzeige bei der Polizei erstatten.  Solche Maßnahmen fassen wir unter dem Stichwort „Corporate Digital Responsibility“ zusammen. Wir bieten damit praktisch „Banking mit Vollkaskoversicherung“ – und ohne Selbstbeteiligung.

Ein weiteres Thema aus diesem Umfeld ist die Frage nach dem Umgang mit Finanzen in der Gesellschaft. Uns beschäftigt aktuell die Frage, welche Auswirkungen finanzieller Stress auf Menschen hat. Das kann die Frage nach dem Notgroschen für das Alter sein oder auch die nach Rücklagen für finanzielle Investitionen. In diesem Zusammenhang arbeiten wir gemeinsam mit Partnern daran, unseren Kunden selbstbestimmte Finanzentscheidungen zu ermöglichen und somit auch den finanziellen Stress zu nehmen. Aufklärung ist in dem Fall wichtig: In der direkten Kundenkommunikation oder auch auf öffentlich zugänglichen Kanälen wie Blogs können diese Themen gezielt gespielt werden.

Ohnehin sollte die ethische Dimension zeitgemäßen Retail Bankings als Gemeinschaftsaufgabe und nicht als Wettbewerbsthema verstanden werden. Gerade die technischen Möglichkeiten, welche die Digitalisierung bietet, müssen immer wieder in die richtige Balance mit ethischen Anforderungen gebracht werden. Für uns als Digitalbank ist es essenziell, dass wir für unsere Kunden ein Umfeld schaffen, in dem sie ihre Bankgeschäfte digital abwickeln können. Dazu gehören Transparenz über unsere Services und die eigene Vermögenssituation der Kunden sowie das Vertrauen in die Stabilität der Leistungen und die Datensicherheit. Nur wenn uns das gelingt, werden wir weiterwachsen und ökonomisch erfolgreich sein.

Fazit: „Magisches Dreieck“ aus Technologie, Agilität und Verantwortung

Denn gesellschaftliche Verantwortung und ökonomischer Erfolg verschmelzen zunehmend. Das eine ist die Voraussetzung für das andere, und darin liegt die Herausforderung, aber auch der Reiz des Retail Bankings im 21. Jahrhundert: Verantwortung und Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil einer erfolgreichen Geschäftsstrategie zu verstehen und umzusetzen. Am besten gelingt dies mit einer technologieaffinen, agilen Organisation, deren Maßstab aber nicht das technisch Mögliche ist, sondern die Bedürfnisse des Kunden als selbstverantwortlich handelnder Partner auf Augenhöhe. Das ist anspruchsvoll, aber machbar. Es bedarf jedenfalls keiner Zauberei, um dieses „magische Dreieck“ aus agiler Kultur, digitalen Services und der Verantwortung für Mensch und Umwelt mit Leben zu füllen.

Über den Autor

Jürgen von der Lehr

Jürgen von der Lehr ist Head of Strategy & Business Development bei der ING Deutschland. Der gelernte Bankkaufmann und Diplombetriebswirt verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Retail Banking. Als Unternehmensberater begleitete er Banken bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Strategien und war als Leiter des Online Brokerage sowie Head of Digital Innovations für die Deutsche Bank tätig.

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