Innovationen sind ein Erfolgsfaktor im Finanzwesen. Quantencomputer gehören mit ziemlicher Sicherheit dazu. Die neuen Möglichkeiten einer effektiven Datenverarbeitung sollen Wettbewerbsvorteile generieren.
Die Finanzindustrie steht vor vielfältigen ökonomischen Herausforderungen. Die Gründe sind – neben steigendem Kostendruck und veralteten Strukturen – besonders wachsende Betrugsfälle und mangelnde Genauigkeit in Berechnungen von Produkten und deren Risiken. Mit Quantum Computing sollen diese Themen in Angriff genommen werden.
Die Finanzindustrie und speziell das Bankenwesen stehen vor einem Umbruch. Auf der einen Seite sind die Kostenstrukturen überdurchschnittlich hoch, auf der anderen Seite bieten neue Wettbewerber Dienstleistungen des Bankings an. Das führt zu Diskussionen in den Themen „Effizienzen von Banken“ und „Wettbewerbsvorteile durch Innovationen generieren“. Der technologische Fortschritt fördert und fordert den Innovationsdruck von Banken, Asset Managern und Börsen.
Herausforderungen im Bereich Datenverarbeitung
Welche Herausforderungen bestehen aktuell bei Banken im Bereich der Datenverarbeitung? Aufgrund des Anstiegs der Datensammlung und einer Erhöhung der Komplexität der Daten untereinander, kommen Computer an ihre Leistungsgrenzen. Die Miniaturisierung von Prozessoren kann nicht beliebig grenzenlos erfolgen. Des Weiteren sind, trotz einer Vermehrung von Prozessoren, klassische Supercomputer nicht in der Lage, bestimmte Rechenoperationen in einem sinnvollen Zeitfenster durchzuführen. Der Grund hierfür liegt in den komplexen Algorithmen.
Das Quantum Computing könnte eine Antwort auf diese Herausforderung sein. Die Arbeitsweise eines Quantencomputers unterscheidet sich fundamental von der eines herkömmlichen Computers. Durch quantenmechanische Phänomene basiert die Berechnung nicht auf einer rein binären Logikstruktur. Die Objekte eines Quantencomputers, sogenannte Qubits, spiegeln eine Überlagerung von den Zuständen 0 und 1 wider und erlauben – durch eine Verbindung untereinander – ein exponentielles Wachstum der Berechnungsgeschwindigkeit.
Der Finanzsektor im Umbruch mit neuen Herausforderungen
Der Bankensektor ist, wie in der Motivation eingeleitet, in einer Umbruchphase. Nach Jahren der Regulierung und dem Innovationsdruck durch FinTechs als neue Wettbewerber, stehen die Banken vor den wichtigen Entscheidungen, wie sie einerseits Marktanteile behalten bzw. neue Märkte etablieren und andererseits ihre veralteten IT-Systeme effizient neu aufstellen können. Über diese beiden Themen hinweg ist die Digitalisierung und das damit verbundene Wachstum der Menge und Komplexität der Daten eine ganzheitliche Aufgabe für die Banken.
Das Kundengeschäft hat derzeit mehrere Themenfelder, die von dem Einfluss der komplexen Datenansammlung betroffen sind. Zwei Beispiele sind:
- Betrugserkennung im Retailbanking
- Preisbildung von Derivaten
1. Betrugserkennung im Retailbanking
Bei der Betrugserkennung im Retailbanking, besteht die interne Herausforderung in der wachsenden Ansammlung an Daten. Die Erkennungsmethoden sind effektiver mit einer hohen Datenlage. Durch die wachsende Komplexität wird es für die Computer immer schwieriger exakte Analysen und somit Erkennungsmuster zu finden. Es wird geschätzt, dass Finanzinstitute weltweit aufgrund von Betrug und schlechten Datenmanagementpraktiken jährlich zwischen 10 und 40 Milliarden US-Dollar an Einnahmen verlieren.
2. Preisbildung von Derivaten
Im Fall der Preisbildung für Derivate verhält es sich ähnlich. Um einen sehr genauen Wert eines Derivates zu bestimmen, sind immer mehr voneinander abhängige Faktoren zu involvieren. Unter den Faktoren sind u. a. Risikokosten und historische Portfoliowerte einzubeziehen. Die heutigen Methoden, wie z. B. das Black-Scholes-Modell, nehmen Vereinfachungen an, um die Realität möglichst nahe abzubilden. Als konkretes Beispiel haben die Modelle der Wertanpassungen für Derivate, die Value Adjustments (XVA), stark an Komplexität zugenommen. Zusätzlich kommen erhöhte Transparenzanforderungen und strenge Validierungsprozesse hinzu.
Quantum Computing – kurz und bündig erklärt
Im Folgenden werden kurz einige Grundlagen von Quantum Computing erklärt:
- die Darstellung eines Qubits,
- die quantenmechanischen Prinzipien eines Quantencomputers und
- die grundlegenden Arbeitsschritte zur Informationsverarbeitung.
Qubit – die kleinste Einheit im Quantencomputer
Der Qubit repräsentiert – analog zum Bit in einem klassischen Computer – die kleinste Einheit in einem Quantencomputer. Der fundamentale Unterschied ist jedoch die Möglichkeit der Anwendung von quantenmechanischen Prinzipien, welche im folgenden Abschnitt beschrieben werden. Grundsätzlich hat der Qubit die Möglichkeit, viele verschiedene Zustände „gleichzeitig“ mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung anzunehmen und diese zu speichern.
Um einen Qubit grafisch darzustellen, wird eine Bloch Sphere verwendet, siehe Abbildung 1. Der Nordpol der Kugel wird in der Regel als Zustand | 0⟩ und der Südpol als | 1⟩ deklariert. Es bestehen derzeit diverse technologische Möglichkeiten, um Qubits zu implementieren.
Eine Veränderung des Zustands erfolgt durch die gezielte Manipulation bspw. durch die Bestrahlung von Mikrowellen am Qubit.
Quantenmechanische Prinzipien
Die beiden wesentlichen Phänomene aus der Quantenmechanik sind die sogenannte Überlagerung, auch Superposition genannt, und die Verschränkung.
Superposition: Unter der Superposition wird die Überlagerung von möglichen Zuständen genannt. Ohne einen Messvorgang kann der Qubit sowohl in dem Zustand 0 oder 1 sein. Erst wenn eine Wechselwirkung mit dem Zustand erfolgt, wird der Qubit einen genau definierten Zustand 0 oder 1 einnehmen.
Verschränkung: Verschränkung ist eine starke Korrelation zwischen einzelnen Qubits. Daher ist es nichts anderes als ein nicht trennbarer Zustand. Dies hat den Vorteil, dass die Beeinflussung eines Qubits direkte Auswirkungen auf andere Qubits hat. Damit kann eine exponentielle Leistungssteigerung des Quantencomputers erreicht werden. Wenn die Messung erfolgt, verschwindet identisch zur Superposition auch dieses Phänomen.
Arbeitsschritte eines Quantencomputers
Die Arbeitsweise eines Quantencomputers erfolgt in drei fundamentalen Schritten:
- Ladevorgang,
- Berechnung und
- Messung.
1. Ladevorgang
Das Laden von Daten unterscheidet sich bei einem Quantencomputer von einem herkömmlichen Computer. Das Laden der Daten ist schwierig, da die Daten in einen Grundzustand zu bringen sind und dieser Zustand aufrecht erhalten bleiben muss. Die Menge der Daten ist linear zur Ladezeit. Das bedeutet, je mehr Daten der Quantencomputer laden muss, desto länger müssen die Grundzustände erhalten bleiben.
2. Berechnung
Für den Schritt Berechnung gilt – wie im Schritt Laden – die Aufrechterhaltung der quantenmechanischen Zustände. Während der Berechnung werden die Qubits zu Beginn überlagert, verschränkt und darauffolgend durch die Algorithmen weiter manipuliert.
3. Messung
Der letzte Schritt ist die Messung der Qubits. In diesem Abschnitt werden die quantenmechanischen Zustände zerstört. Es erfolgt der Kollaps der Wellenfunktion. Dies hat zur Folge, dass jeder Qubit die klassischen Werte 0 oder 1 annimmt. Durch die Vielzahl an Durchgängen der Berechnungen wird eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Ergebnisse ermittelt. Der Wert mit der höchsten Wahrscheinlichkeit kann als Ergebnis der Berechnung angenommen werden. Es ist zu beachten, dass je höher die Anzahl der Qubits ist, desto höher sind die Anforderungen an die Messgenauigkeit und damit verbunden auch die Anzahl der Messungen.
Die optimierte Transformation der Finanzindustrie durch Quantencomputer
Um den Nutzen eines Quantencomputers strukturiert darzustellen, werden die folgenden strategischen Ausprägungen verwendet:
- Kosteneinsparung,
- Ertragssteigerung und
- Marktdifferenzierung.
Kosteneinsparung
Im Bereich der Betrugserkennung sind die zielgerichtete Steuerung von Kunden und die Modellierung von Prognosen entscheidende Faktoren und könnten mit Hilfe des Quantum Computings eine enorme Verbesserung darstellen. Die potenziellen Fähigkeiten der Datenmodellierung von Quantencomputern können sich bei der Suche nach Mustern, der Durchführung von Klassifizierungen und der Generierung von Prognosen als Einsparungsfaktor erschließen. Es spricht viel dafür, dass die Aussortierung von Betrugsfällen die Kostenstrukturen elementar verbessern könnten. Auch im Bereich der Preisbildung und des damit verbundenen Handels von Derivaten spricht einiges für eine Minimierung der prozessualen Kosten, wie z. B. verkürzte Rechenzeiten und optimierte Strukturen der Risikokosten.
Ertragssteigerung
Für die Preisbildung könnte das Quantum Computing helfen die Komplexität der heutigen Handelsumgebungen zu bewältigen. Die kombinatorischen Optimierungsfähigkeiten des Quantencomputers könnten es Händlern ermöglichen die Preisbildung zu verbessern Und zusätzlich Portfolioinvestitionen neu auszurichten, um präziser auf Marktbedingungen zu reagieren. Damit könnte ein Potenzial zur Ertragssteigerung gegeben sein. In Abbildung 2 sind – inkl. der Preisbildung für Derivate und der Betrugserkennung – beispielhafte Themenfelder aufgeführt, die Ertragspotenziale durch die Verwendung eines Quantencomputers generieren können.
Marktdifferenzierung
Im heutigen digitalen Zeitalter, in dem 70 Prozent der Bankgeschäfte digital abgewickelt werden, sind die Kunden nicht bereit, lange auf diverse Vorgänge im Banking zu warten. Dies beginnt bei der Eröffnung eines Kontos und reicht bis zur Abwicklung von Finanzprodukten. Finanzinstitute, die zu langsam sind, um neue Kunden effektiv in ihr Geschäft zu etablieren, verlieren diese Kunden an agile Wettbewerber. Das führt dazu, dass die Banken sich mit Hilfe des Quantum Computings auch vom Markt differenzieren können, indem Services schneller angeboten und durchgeführt werden.
Warum findet Quantum Computing noch kaum Anwendung?
Um die aktuellen technischen Problemstellungen darzustellen, kann die Kennzahl des Quantenvolumens herangezogen werden. Das Quantenvolumen hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie z. B. der Anzahl der Qubits, der Kohärenzzeit und den Messfehlern. Die Anzahl der Qubits gibt eine direkte Implikation der Leistungsfähigkeit und der damit verbundene exponentiellen Steigerung der Rechenkapazität des Quantencomputers mit linearer Steigung der Anzahl der Qubits an. Das Problem derzeit ist das Rauschen von Quantensystemen. Es wird in zwei Arten von Rauschen unterschieden:
- Systematisches Rauschen: Diese Art entsteht direkt im Berechnungsprozess und hat den Ursprung in festen Steuer- oder Auslesefehlern, wie z. B. einer fehlerhaften Einstellung des Mikrowellenimpulses. Der Fehler kann durch eine verbesserte Kalibrierung behoben werden.
- Stochastisches Rauschen: Die zweite Art des Rauschens entsteht durch Fluktuationen von Parametern. Es können sowohl äußere thermische oder auch elektromagnetische Einflüsse auf die Umgebung des Qubits für Fehler in der Berechnung verantwortlich sein. Das Problem kann durch eine optimierte Abschirmung des Qubits gelöst werden.
Beginnen Sie jetzt, sich mit Quantencomputern auseinanderzusetzen
Wie wird die Zukunft der Datenverarbeitung insbesondere für Finanzdienstleistungen aussehen? Derzeit ist sicher, dass es keine Ablösung der klassischen Computer geben wird. Das Quantum Computing soll als Ergänzung für bestimmte Rechenoperationen eingesetzt werden, deren Berechnungen sehr zeitintensiv und groß sind.
In der nahen Zukunft ist der Einsatz von Quantencomputern nicht für den produktiven Alltag anzunehmen. Aufgrund der technischen Problemstellungen wird sich das Quantum Computing noch in einem sehr experimentellen Status befinden. Erst wenn die Entwickler in der Lage sind, die Anzahl der Qubits und die einwandfreie Kommunikation dieser Einheiten zu gewährleisten, kann der Vorteil dieser Technologie sichtbar werden und klassische Computer in ihrer Rechenleistung überholen.
Sind die Rechenvorteile gegeben, können Banken die Herausforderungen, welche durch die fortschreitende Digitalisierung entstehen, auch besser entgegenwirken. Diese Herausforderungen sind beispielsweise die steigende Nachfrage nach komplexeren Risikoanalysen, das dynamische Kundenmanagement inkl. Betrugsermittlung und die ständigen Aktualisierungen der Marktvolatilität.
Viele Technologieunternehmen und teilweise auch Banken sind derzeit in einer Phase, in der die ersten Proof-of-Concepts durchgeführt werden. Eine strategische Machbarkeit inkl. der Definition von Use Cases ist der erste Schritt, um die Organisationen auf diese neue Technologie vorzubereiten. Schätzungsweise wird in den nächsten 2-5 Jahren eine weitere Entwicklung der Anwendungsfälle durchgeführt. Zu realen Umsetzungen und der Verwendung des Quantum Computings im produktiven Betrieb soll es wohl in den nächsten 5-10 Jahren kommen. Wichtig für die Umsetzung dieser Technologie ist es – neben der Entwicklung der Anwendungsfälle – vor allem die Governance und Struktur zu schaffen, um in der jeweiligen Organisation für das Quantum Computing bereit zu sein. Das heißt konkret, sich mit den technologischen Eigenheiten vertraut zu machen, das Wissen innerhalb der entsprechenden Organisation zu stärken und ggf. auch Partnerschaften in diesem Bereich einzugehen.
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