Neobroker ermöglichen Kleinanlegern mit neuen Preismodellen schnell, einfach und kostengünstig in die Börsenwelt einzusteigen. Eine neue Studie zeigt, dass diese Entwicklung großes Potential aufweist, aber auch mit hohen Risiken verbunden ist.
Die jüngsten Ereignisse rund um die GameStop-Aktie an der Börse deuten den Umbruch im Wertpapierhandel. Neue Online-Broker wie Robinhood haben mit neuen Geschäftsmodellen Einhornstatus erlangt und Millionen aktiver Kunden gewonnen. Auch in Europa sind solche Neobroker am Expandieren. Die Faktoren, die ihren Erfolg begünstigen sind simpel: Die Anleger können bereits mit kleinen Beträgen in verschiedene Märkte investieren, der digitale Wertpapier-Handel ist kostengünstig, rund um die Uhr möglich und die dazugehörigen Trading-Apps sind extrem benutzerfreundlich.
Gerade für Kleinanleger bieten die neuen Online-Plattformen und Trading-Apps einen leichten, kostengünstigen Einstieg in die Finanzwelt und werden somit immer beliebter. Wie beliebt die neuen Möglichkeiten des Aktienhandels sind, zeigt die Anzahl der Kontoneueröffnungen im März 2020. Bis zu fünfmal mehr wurden bei diesen Anbietern durchgeführt als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.
Ähnlichkeit mit einem Glücksspiel
Das führt auch zu Kritik. Die Anbieter würden so ihre Nutzer zu höheren Risiken verleiten. Diese Vorwürfe werden jetzt durch eine neue Studie des Instituts für Accounting, Controlling und Auditing an der Universität St. Gallen (ACA-HSG) bestärkt, bei der Daten von 240.000 Kunden eines Online-Brokers über zwei Jahren ausgewertet wurden. Der Fokus der Studie liegt u.a. auf der digitalen Kommunikation des Anbieters mit den Anlegern.
Obwohl die neuen Online-Broker vermeintliche Chancen für Kleinanleger bieten, indem sie Personen mit begrenzten finanziellen Mitteln und wenig Anlageerfahrung den Einstieg ins Börsengeschäft ermöglichen, kommt vermehrt Kritik auf. Denn der Handel wird auf den Plattformen vergleichsweise wie ein Glücksspiel präsentiert – ein Handwisch auf dem Smartphone genügt schon für den Kauf einer Aktie. Die Kritiker äußern Bedenken, denn so würden Anleger zu riskanten Transaktionen verleitet. Die Plattform Robinhood steht in den USA aus diesen Gründen bereits unter Anklage.
Broker verdienen an jeder Transaktion
Die Geschäftsmodelle der Online-Broker fallen unterschiedlich aus. Viele setzen auf Transaktionsgebühren, womit die Broker an einem intensiven Trading der Nutzer interessiert sind und dieses fördern. Aus der Studie geht hervor, dass Portfolioumschichtungen für die Anleger zwar auch Sinn machen kann, im Durchschnitt würde häufiges Trading jedoch keinen Mehrwert. Damit sei man zufällig zwar mal besser, aber auch schnell wieder schlechter als der Markt. Auf lange Sicht heben sich diese Effekte gegenseitig auf, die Kosten für die Trader steigen jedoch durch die kumulierten Gebühren. Letztlich steige dadurch der Gewinn für die Online-Broker und die Performance der Nutzer werde zunehmend reduziert.
Außerdem wird die digitale Kommunikation zwischen Broker und Kunden über die Trading-Apps kritisiert. Mithilfe der Apps können die Broker sowohl das Nutzerverhalten via Cookies beobachten als auch individualisierte Nachrichten oder Popups an die Nutzer versenden. So kann das Trading-Verhalten der Nutzer beeinflusst werden – zugunsten der Broker.
Push-Meldungen verleiten zu mehr Risiko
Der Einfluss dieser individualisierten Nachrichten auf das Trading-Verhalten der Nutzer sei enorm. Am auffälligsten ist, dass die Kunden um ein Vielfaches häufiger traden, sobald sie eine Push-Meldung der Broker erhalten haben. Ebenfalls signifikant sei die Erkenntnis, dass die Trader nach Erhalt einer Nachricht ein viel höheres Risiko eingehen.
Die Studie zeigt, dass die Auswirkungen sowohl sozial- als auch wirtschaftspolitisch relevant sind. Systematische Risiken würden zunehmen, wenn viele Leute beginnen würden, risikoreicher zu traden – lautet eine Hypothese der Studie. Eine weniger informierte Kundengruppe würde zu einer Art Glücksspiel verleitet werden.
Interessenskonflikt zwischen Anbietern und Kunden
Das Ergebnis der Studie ist deshalb so brisant, da die Online-Broker häufig höhere Gebühren für riskantere Transaktionen einnehmen. Gleichzeitig ziehen riskantere Investitionen auch höhere Handelskadenzen mit sich, sodass die Einnahmen der Anbieter nochmals durch kumulierte Gebühren gesteigert würden. Es entstehe ein Interessenskonflikt zwischen Brokern und Kunden. Die Broker möchten demnach die Gebühren maximieren, regen die Investoren zu häufigeren und risikoreicheren Trades an, wodurch wiederum deren Performance und Risikoprofil negativ beeinflusst werde.
Schaffe man es diesen Interessenskonflikt zu überwinden, könne man jedoch auch großes Potential im Online-Trading und der digitalen Interaktion zwischen Anbietern und Kunden erkennen. Grundsätzlich wäre es für die Broker einfach, das Risiko und die Diversifikation der Anleger automatisch zu messen und zu überwachen. So könne man beispielweise eine Warnung per SMS oder Popup an die Anleger abgeben, sofern Auffälligkeiten festgestellt würden. Weiterhin könne man Accounts bei Anzeichen für eine Spielsucht sperren.
Um das vollständige Potential des Online-Tradings sinnvoll zu nutzen, sei aus Sicht der Studienautoren ein zügiger und konstruktiver Diskurs über die Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren dieser Online-Plattformen notwendig.
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