Was Kirchen und Filialbanken gemeinsam haben

Markenkern und Differenzierung

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Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Annette Kurschus, hat zu Beginn ihrer Amtszeit einen bemerkenswerten Satz gesagt. Vorstände von Banken und Sparkassen sollten über dessen hohe strategische Relevanz nachdenken.

Annette Kurschus über menschliche Begegnungen

Die neue EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus über die Bedeutung von menschlichen Begegnungen.

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Kirchen und Kreditinstitute haben ein Phänomen gemeinsam: Den Rückgang der physischen Vertriebskanäle. In vielen Banken und Sparkassen waren in den letzten beiden Jahren ein deutlicher Anstieg der Schließung von Geschäftsstellen und ein Rückgang des Personals zu verzeichnen. So sank die Zahl der Bankstellen seit 2010 um fast 36 Prozent.

Gleiches gilt für die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland: In der katholischen Kirche sank die Zahl der Pfarreien seit 2010 um 14,5 Prozent und die der Priester um über 20 Prozent. In der evangelischen Kirche ging die Zahl der rechtlich selbstständigen Kirchengemeinden im gleichen Zeitraum um über 10 Prozent und die Zahl der Priester um mehr als 5 Prozent zurück.

Berücksichtigt man weitere Religionsgemeinschaften, so dürfte die Zahl der Bankstellen aktuell etwa gleich groß sein, wie die der Kirchengemeinden: Rund 26.000 Bankstellen gegenüber rund 23.000 christliche Kirchengemeinden (9.800 katholische und 13.200 evangelische sowie weitere christliche Glaubensgemeinschaften). Hinzu kommen 2.350 Moscheegemeinden sowie über 100 jüdische Gemeinden.

Digitalisierung und persönlicher Kontakt

Die Digitalisierung – Hauptbegründung bei Banken – hat sicherlich auch die Kirchen erfasst. Vor allem im Zuge der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen hatten viele Geistliche keine andere Möglichkeit, mit ihren Gemeindemitgliedern in Interaktion zu treten.

Beiden Institutionen, Kirche und Geldinstitute – so unterschiedlich sie auch sind – haben jedoch eines gemeinsam: Menschen suchen den persönlichen Kontakt, um ein für sie wichtiges Bedürfnis zu erfüllen. Und für beide Institutionen gilt, dass eine emotionale Komponente wichtig für die Beziehung ist: Glaube bei den Kirchen und Vertrauen bei Banken und Sparkassen.

Markenkern der Kirche

In einem der ersten Interviews nach ihrer Wahl hat die neue EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus einen – wie ich fand – bemerkenswerten Satz gesagt, der auch für viele Banken und Sparkassen, insbesondere für die regionalen Institute, eine hohe Relevanz hat:

Menschliche Begegnungen sind unser Markenkern und werden es auch bleiben. Quer durch alle Generationen werden die Begegnung von Mensch zu Mensch, die damit verbundene Wärme, das Gemeinschaftsgefühl und alles was damit verbunden ist, nie aufzugeben sein. Selbst wenn sich die Digitalisierung noch so weiter fortentwickelt…

Ich habe keine Zweifel, dass ihr Pendant, der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Georg Bätzing, dies genauso umschreiben würde. Und vermutlich auch die entsprechenden Würdeträger anderer Glaubensverbände.

Der Markenkern von Filialbanken

Gleiches wie für die Kirche gilt auch für Filialbanken: Persönliche Nähe entsteht vor allem über zwischenmenschliche Begegnungen. Und die daraus entstehende Beziehung zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden hat in den vergangenen Jahrzehnten oft das fachliche (und preisliche) überlagert. Dies war eine wesentliche Grundlage der Marktposition, die insbesondere regionale Institute wie Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen heute haben.

Trotz Digitalisierung und Corona-Pandemie sind Bankfilialen unverändert ein fester Bestandteil der Finanzgewohnheiten von mehr als zwei Drittel aller Deutschen. Das bestätigte zuletzt die in dieser Hinsicht unverdächtige Bitkom-Umfrage. Und eine weitere aktuelle Umfrage zeigt, dass Bankfilialen immer noch der wichtigste Vertriebskanal sind: Bei jedem Finanzprodukt von der Kreditkarte bis zur Geldanlage in Aktien oder Investmentfonds liegt der Anteil der Befragten, die eine Bankfiliale als passend für ihre Finanzdienstleistungsnutzung betrachten, bei mindestens 45 Prozent.

Bedeutung von Bankfilialen

Doch die Bedeutung von Bankfilialen geht weit über den Vertrieb hinaus. Sie haben vielfältige Funktionen, von denen die meisten auch in der Post-Corona-Zeit Gültigkeit behalten werden:

  • Sie bieten persönlichen Kundenservice, vom Sortenumtausch bis hin zum Bankschließfach.
  • Sie bieten persönliche Beratung durch Menschen des Vertrauens.
  • Sie sind wichtiger Kanal für die Neukundengewinnung.
  • Sie sind die Hauptbezugsquelle für Bargeld.
  • Sie sind ein sichtbares Zeichen der Reputation und haben damit eine wichtige vertrauensbildende Funktion.
  • Sie demonstrieren die Verankerung einer Bank in ihrem lokalen Umfeld.

Jede einzelne dieser Funktionen verkörpert einen Mehrwert für Kunden und Bank und trägt zum Gesamtbild der jeweiligen Institution bei.

Mithin gilt der Satz von Frau Kurschus genau so für die meisten Banken und Sparkassen. Auch ein wichtiger Teil ihres Markenkerns liegt in der persönlichen Beziehung zu den Kunden. Filialbanken und vor allem regionale Institute, wie Sparkassen und Volksbanken riskieren mit jeder Filialschließung den Verlust ihrer USP und eine Aufgabe ihrer Identität. Sie sollten daher nur dann Filialen schließen, wenn sie ihren Kunden nicht nur vollwertige digitale Alternativen sondern vor allem auch alternative persönliche Kanäle anbieten können. Ansonsten laufen sie Gefahr, endgültig beliebig und austauschbar zu werden und rein digitalen Wettbewerbern das Feld zu überlassen.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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