Das Gesamtrisikoprofil von Banken unterliegt derzeit zahlreichen Veränderungen. Eine Risikomanagement-Funktion mit modernen Instrumenten erfasst diese umfassend und leitet daraus Steuerungsimpulse für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg ab.
Gemäß § 25a KWG sind die Geschäftsleiter von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verantwortlich. Diese umfasst insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, so dass das verpflichtete Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherstellen kann. Unabhängig von den aufsichtsrechtlichen Anforderungen sollte es im Eigeninteresse jedes verantwortungsvoll agierenden Vorstands liegen, die Geschäftstätigkeiten im Rahmen des definierten Risikoappetits zu führen. Eine gemeinsame Ertrags- und Risikosteuerung („Gesamtbanksteuerung“) unterstützt dabei die wirksame Begrenzung und Überwachung der Risiken. Ebenso trägt das Risikomanagement zu einer risikoadjustierten Bepreisung der Geschäfte bei.
Gesamtrisikoprofil unterliegt Veränderungen der „Wesentlichkeit“-Bewertung
Kreditausfallrisiken, Marktpreisrisiken und Liquiditätsrisiken gehen als finanzielle Risikoarten immanent mit den Bankgeschäften einher. Motiviert durch gesellschaftliche Diskussionen, politische Initiativen und identifizierte Missstände im Finanzsystem gewinnen jedoch weitere Risikoarten an Bedeutung. Sie stehen oftmals in Wechselwirkung zu traditionellen Risikoarten und weisen daher einen signifikanten Einfluss auf die Gesamtbanksteuerung der Kreditinstitute auf. In der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent sind derzeit (ökologische) Nachhaltigkeitsrisiken (auch: ESG-Risiken). Insbesondere Kreditinstitute sind im Rahmen des Risikomanagements zunehmend dazu aufgefordert, die Wesentlichkeit von physischen und transitorischen Klimarisiken für das eigene Geschäftsmodell zu bewerten sowie in deren Ertrags- und Risikosteuerung zu integrieren.
Als direkte Folge der digitalen Transformation werden nahezu alle Bankdienstleistungen unter Einbindung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) erbracht. Verschiedene IT-Probleme und Sicherheitsvorfälle in Kreditinstituten als Folge von Cyber-Angriffen bestärken daher die gestiegene Wesentlichkeit der IKT-Risiken für die Akteure im Finanzsystem. Darüber hinaus nehmen auch die Bedeutung von Rechtsrisiken (z.B. aus fehlerhaften Beratungen von Kunden), von Compliance-Risiken (z.B. Dividendenstripping bzw. Cum-Ex-Steuerskandal) und von politischen Risiken (z.B. tagesaktuelle Änderungen der KfW-Förderungen im privaten Wohnungsbau) zu. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung zwischen der Ukraine und Russland bleibt abzuwarten, inwiefern die Wesentlichkeit von geopolitischen Risiken für das Bankgeschäft weiter zunimmt.
Weiterentwicklung der Risikobetrachtung
Die Verschiebung in der Wesentlichkeit von Risikoarten muss auch mit einer Weiterentwicklung der Risikobetrachtung einhergehen. Während bei den traditionellen Risikoarten die Risikomessung zumeist einen Risikohorizont von mehreren Tagen bis zu einem Jahr abdecken, erfordern insbesondere transitorische Klimarisiken die Betrachtung eines Zeitraums von bis zu mehreren Jahrzehnten. Diese überaus langen Prognosezeiträume stellen für das Risikomanagement eine besondere Herausforderung dar, da mit zunehmenden Betrachtungshorizont die Projektionsgüte abnimmt, die Volatilitäten ansteigen und somit die im Risikomanagement etablierten (zumeist symmetrischen) Verteilungsmodelle an ihre Grenzen kommen.
Eine weitere Herausforderung stellt die zunehmende Geschwindigkeit dar, in der ein Risikoeintritt erfolgt und sich Verluste für das betroffene Unternehmen realisieren. Während sich bei Kreditrisiken die Ausfälle vergleichsweise langsam materialisieren und bei Marktpreisrisiken die täglichen Veränderungen zumeist akzeptabel sind, muss die Risikomanagement-Funktion bei anderen Risikoarten von plötzlich auftretenden, sich z.T. verstärkenden Effekten ausgehen. Beispielhaft sei das Reputationsrisiko genannt, dessen Realisierung insbesondere durch soziale Medien schnell zu einem für die Marke / den Firmennamen existenzielle Bedrohung führen kann.
Zentrale Voraussetzungen einer adäquaten Risikomessung und -steuerung
Ein für die Zukunft angemessenes Risikomanagement von Kreditinstituten muss sich daher insbesondere in drei Dimensionen weiterentwickeln. Zentrale Voraussetzung für eine adäquate Risikomessung sowie die Ableitung von fundierten Steuerungsentscheidungen sind aktuelle Risikodaten in hoher Qualität. Die Etablierung eines institutsweiten, einheitlichen Datenqualitätsmanagements unterstützt dabei, ein angemessenes Qualitätslevel über den gesamten Lebenszyklus der Daten – beginnend von der Entstehung über die Verarbeitung bis zur Nutzung – zu gewährleisten. Ausgewählte Risikoarten erfordern zudem sowohl bei der Messung als auch bei der Steuerung ein hohes Maß an Reaktionsfähigkeit. Folglich sind hochfrequente Messverfahren notwendig, um kurzfristige Veränderungen in den Risikoeigenschaften kurzfristig identifizieren zu können.
Diese Anforderung geht mit der Verbesserung der Simulationsfähigkeit in der Gesamtbanksteuerung einher. Durch den Einsatz von risikoartenübergreifenden Szenarien können Handlungsalternativen umfassender bewertet werden. Die Geschäftssteuerung durch die verantwortlichen Geschäftsleiter basieren in der Folge auf einer fundierten Entscheidungsbasis.
Risikotransfer hat (noch) Grenzen
Im Risikomanagement stellt die Risikoüberwälzung eine mögliche Form der Risikobewältigung dar. Hierbei wird das Risiko von einem Risikogeber – zumeist unter Zahlung einer Prämie – an einen neuen Risikonehmer transferiert. Bei traditionellen Bankrisiken wie Kredit- oder Marktpreisrisiken kommen hierbei derivative oder versicherungstechnische Produkte zum Einsatz. Bei Risikoarten, die aktuell und mittelfristig an Wesentlichkeit gewinnen, sind die Möglichkeiten zum Risikotransfer (noch) sehr begrenzt. Insbesondere die intensive Diskussion in Gesellschaft und Politik über (ökologische) Nachhaltigkeitsrisiken wird in weiteren Finanzinnovationen münden, die beispielsweise die finanziellen Folgen von physischen und transitorischen Klimarisiken auf andere Risikoträger möglich machen. Bis dahin bilden Risikovermeidung, Risikominderung und Risikodiversifikation noch die zentralen Steuerungsmöglichkeiten.
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