Seit einigen Jahren versuchen Robo-Advisor Kunden zur digitalen Geldanlage zu motivieren. Über die aktuellen Entwicklungen und Aussichten habe ich mit Iven Kurz, Gründer und CEO des nachhaltigen Asset-Managers EVERGREEN, gesprochen.
Im Zuge der Digitalisierung der Finanzwelt gewinnt der Bereich Robo-Advisory zunehmend an Bedeutung. Mit der generell zunehmenden Bedeutung von digitalen Vertriebskanälen sollte jedoch eines weiterhin im Vordergrund stehen: Die Qualität der angebotenen Finanzprodukte.
Das Leipziger FinTech EVERGREEN setzt mit seinen Angeboten u.a. auf Nachhaltigkeit. Vor kurzem hat es gemeinsam mit GREEN Finance eine Studie publiziert, die sich mit dem Thema Asset-Management im Robo-Advisory auseinandersetzt.
Interview mit Iven Kurz, EVERGREEN
Über EVERGREEN und über die Studie habe ich mich mit Iven Kurz unterhalten. Er ist Gründer und CEO von EVERGREEN. Das Leipziger Unternehmen ist ein nachhaltiger Asset-Manager mit digitaler Vermögensverwaltung. Zuvor war er lange Zeit als Fondsmanager tätig und hat den Bereich Wertsicherungsstrategien für die Asset-Management-Töchter der Bankhäuser Metzler und Lampe mit aufgebaut und geleitet.
Intransparenz wird teilweise systematisch gefördert
Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie die bisherige Entwicklung der Robo-Advisor-Szene in Deutschland?
Iven Kurz: Das Produktangebot ist einerseits sehr homogen, denn es handelt sich meist um ähnliche strategische Asset Allokationen, welche für Privatanleger zusammengestellt werden. Andererseits gibt es ein hohes Maß an Intransparenz, was es erschwert, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Anbieter systematisch zu vergleichen.
Dazu muss man sich vor Augen führen, dass die passive Partizipation an den Aktien- und Rentenmärkten ja eigentlich überall zum gleichen Ergebnis führen müsste. Die großen Unterschiede in den Ergebnissen zeigen aber, dass es sich lohnt, die Methoden der Zusammenstellung der Kundenportfolios stärker zu beleuchten und den Unterschieden auf den Grund zu gehen.
Die Untersuchungen sind nicht einfach, da die Intransparenz teilweise systematisch gefördert wird. So wurde beispielsweise auf Bestreben einiger Anbieter erst kürzlich die Wertentwicklung einer Vielzahl von Robo-Advisor-Strategien für das Jahr 2020 auf gängigen Vergleichsportalen gelöscht mit der simplen Begründung, dass die Wertentwicklung in dem Jahr sehr schlecht gewesen sei.
Für einen regulierten Publikumsfonds wäre so etwas undenkbar, in der digitalen Vermögensverwaltung, die ja im Prinzip wie ein passiver Misch- oder Dachfonds funktioniert ist das hingegen ohne weiteres möglich.
EVERGREEN ist ein nachhaltiger Asset Manager
Der Bank Blog: Bitte erklären Sie uns mit zwei Sätzen, was EVERGREEN eigentlich ist und wer dahinter steht.
Iven Kurz: EVERGREEN ist ein nachhaltiger Asset Manager und digitaler Vermögensverwalter. Als zertifizierte Benefit Corporation (B Corp) gehört Nachhaltigkeit sowohl zu unserer DNA als auch zu unseren Produkten, die wir hürdenfrei allen Menschen, unabhängig von der Höhe ihres Vermögens, zugänglich machen.
Der Bank Blog: Inwieweit unterscheiden Sie sich von ihren Wettbewerbern? Was ist Ihre USP?
Iven Kurz: Als nachhaltiger Asset Manager entwickeln und managen wir unsere eigenen Kapitalanlageprodukte und setzen diese zur Vermögensverwaltung auf unserer Plattform auf Evergreen.de ein. Denn echte Nachhaltigkeit ist zu facettenreich, als dass man sie über passive ETFs abbilden könnte. Das zeigen die meisten Analysen zum Thema nachhaltige Kapitalanlage.
Darüber hinaus bieten wir unseren Anleger ab 1 Euro Anlagevermögen ein tägliches Risikomanagement, welches wir über die vergangenen 20 Jahre zunächst nur im institutionellen Bereich eingesetzt haben. Unser Angebot richtet sich an nachhaltig orientierte, kostenbewusste Anleger mit Risikotoleranzen, die mit reinen Aktienanlagen oder hohen Aktienanteilen nicht kompatibel sind. So gesehen managen wir nachhaltig Total-Return Portfolios mit Vorgaben für Zielertrag und Zielrisiko.
Möglichst hohe Netto-Rendite zu einem möglichst niedrigen Risikoniveau
Der Bank Blog: Sie verzichten ja auf Servicegebühren, Depotgebühren und Transaktionskosten und die Mindestanlage beträgt 1 Euro. Wie kann man mit diesem Modell Gewinn erwirtschaften?
Iven Kurz: Im Prinzip so wie jeder andere Asset Manager auch. Wir werden für das Management unserer Evergreen-Fonds vergütet, so wie Blackrock, die DEKA oder die DWS jeweils für ihre Fonds. Aus einem Teil der Erlöse für das Fondsmanagement bezahlen wir die Depotgebühren der Anleger, sodass diese die Vermögensverwaltung bei EVERGREEN komplett gebührenfrei in Anspruch nehmen können. Die Fonds selbst sind mit einer TER von 0,59 Prozent p.a. so bepreist, dass sie trotz nachhaltigem, aktivem Asset Management nicht weit von den Kosten für ETFs entfernt sind. Unser Ziel für die Anleger ist eine möglichst hohe Netto-Rendite zu einem möglichst niedrigen Risikoniveau.
Ziel der Studie ist mehr Transparenz
Der Bank Blog: Gemeinsamt mit GREEN Finance Consulting haben sie in einer Studie die Robo-Advisor im Hinblick auf ihre Asset-Management Methoden untersucht. Was war die Idee dahinter und was ist das Hauptergebnis der Untersuchung?
Iven Kurz: Ziel der Studie ist es, mehr Transparenz in die Branche zu bringen. Das betrifft in erster Linie die Erträge in Relation zu den eingegangenen Risiken und alle anfallenden Kosten, sowohl die offensichtlichen, als auch die versteckten.
Im Ergebnis zeigen wir, dass Unterschiede in der Wertentwicklung meist zufälliger Natur und damit oft kurzfristig und unsystematisch sind. Außerdem wird klar, dass höhere Erträge fast immer mit deutlich höheren Risiken einher gehen, selbst wenn man vermeintlich identische Risikokategorien miteinander vergleicht.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Kategorisierung legt jeder Anbieter für sich selbst fest. Es gibt kein einheitliches Bewertungssystem, weder für Ertrag noch für Risiko. Das macht es für Anleger praktisch unmöglich, auf Basis der veröffentlichen Anbieterzahlen eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Meist ist man besser bedient, wenn man sich selbst einen global diversifizierten ETF ins Portfolio legt und sich die Gebühr für den Robo spart.
Apropos Gebühren: In unserer Untersuchung wird deutlich, dass der Effekt der günstigen ETFs sehr schnell durch die verschiedenen Gebühren-Layer bei einem Robo zunichte gemacht wird. Man bewegt sich sehr schnell auf dem Gebühren-Niveau von aktiven Mischfonds.
Stiftung Warentest ist einzige seriöse und unabhängige Quelle für Anleger
Der Bank Blog: Wie können Kunden die Leistungsfähigkeit eines digitalen Vermögensverwalters beurteilen?
Iven Kurz: Letztlich geht es nicht ohne professionelle Hilfe, denn die Unterschiede sind zu vielschichtig und undurchsichtig. Das wird durch die einfache Bedienung und das reibungslose und schnelle Onboarding natürlich überspielt. Im Netz findet man kaum Hilfe, denn alle Vergleichsportale sind an Affiliate-Netzwerke angebunden und verdienen am Robo-Boom für jedes vermittelte Depot kräftig mit. Die Objektivität geht damit natürlich komplett flöten.
Aus unserer Erfahrung im fachlichen Austausch mit vielen Vergleichsplattformen und Bewertungsportalen können wir festhalten, dass die Stiftung Warentest als einzige seriöse und unabhängige Quelle für die Entscheidung der Anleger nützlich ist.
Nachhaltigkeit fängt immer beim Anbieter an
Der Bank Blog: In der Studie spielt auch das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ eine Rolle. Wenn Sie auf die Finanzindustrie schauen, insbesondere auch auf die vielen Robo-Advisor, wie beurteilen Sie dort das Thema Nachhaltigkeit?
Iven Kurz: Nachhaltigkeit fängt immer beim Anbieter an. Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die größten Asset Manager gleichzeitig auch die größten finanziellen Förderer des Abbaus fossiler Energieträger sind. Das Beispiel ließe sich für andere Bereiche beliebig fortführen und dennoch sammeln die Anbieter große Anlagesummen für ihre nachhaltigen Produkte ein.
Klassische Robo-Advisor können dagegen wenig tun, denn sie sind auf die Produkte Dritter angewiesen. Da es sich dabei fast immer um „grüne“ ETFs handelt, vermittelt man am Ende immer fragwürdige Produkte von fragwürdigen Anbietern.
Der Bank Blog: Wie verhindern Sie Greenwashing?
Iven Kurz: Das ist keine einfache Frage, denn ohne ein gutes Framework gelangt man oftmals unintendiert in die „Greenwashing-Falle“. Für uns war es wichtig, beim Unternehmen EVERGREEN anzufangen und hier haben wir uns für das Assessment der NGO B Lab entschieden. Im Ergebnis sind wir der erste und bislang einzige deutsche B Corp Asset Manager. B Corp ist branchenübergreifend und berührt alle Bereiche eines Unternehmens, von den sozialen Standards bis zu ökologischen Aspekten. Patagonia, Weleda und die Tomorrow Bank in Hamburg sind auch bekannte B Corp Unternehmen.
Genauso wichtig ist natürlich die Kapitalanlage selbst. Da wir als erfahrener Asset Manager unsere eigenen Fonds managen, bestimmen wir selbst, was dort hineingehört und was nicht.
Die Zukunft bringt mehr Preiswettbewerb und Differenzierung
Der Bank Blog: Was erwarten Sie für die Zukunft von Robo-Advice in Deutschland?
Iven Kurz: Zum einen glauben wir an einen erhöhten Preiswettbewerb für alle Anbieter mit ähnlichem Geschäftsmodell, also der Strukturierung eines ETF-Portfolios. Unübersehbares Zeichen dafür ist der Markteintritt von Anbietern wie Vanguard und anderen ETF-Produzenten.
Andererseits gehen wir davon aus, dass es eine stärkere Differenzierung in den Strategien und Produkten, sowie mehr Service bis hin zu holistischen Ansätzen im Finanzmanagement geben wird. Beides hilft am Ende den Anlegern.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.