Jetzt ist eine flexible Bankenaufsicht gefragt

Perspektiven für Bankenregulierung und -aufsicht im Jahr 2023

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Die aktuellen Krisen und Entwicklungen haben massiven Einfluss auf den Bankensektor. Bankenregulierung und –aufsicht müssen sich den Herausforderungen und Entwicklungen stellen und anpassen. Dabei kommt es auf Sorgfalt und Augenmaß an.

Ausblick Bankenregulierung und -aufsicht im Jahr 2023

Bankenregulierung und -aufsicht im Jahr 2023.

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2022 war nach allen wirtschaftlichen Maßstäben ein äußerst herausforderndes Jahr. Jede Prognose musste aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine revidiert werden, und dies ausnahmslos mehrfach. Selten waren sich Ökonomen in ihren Vorhersagen derart unsicher wie in 2022.

Die bestehenden erheblichen Unsicherheiten dauern weiter an und reichen in das neue Jahr hinein. Der Ukraine-Krieg ist alles andere als beendet, die Corona-Pandemie noch nicht vollends überwunden und die Lieferketten – Stichwort China – noch nicht komplett wieder hergestellt. Die Globalisierung erfährt einen Dämpfer, was für Deutschland als Exportnation alles andere als gute Nachrichten bedeutet. Darüber hinaus ist die Inflation dieses Jahr weltweit aus dem Ruder gelaufen und stellt eine extreme Belastung für private Haushalte, Unternehmen und Staatsfinanzen dar. Die Energiekrise fällt regional zwar unterschiedlich aus, trifft Deutschland aber härter als nahezu alle anderen Volkswirtschaften, wie u.a. der Internationale Währungsfonds jüngst festgestellt hat.

Massiver Einfluss auf den Bankensektor

Einige dieser Entwicklungen hatten sich bereits eine Weile abgezeichnet, waren aber fraglos ein Stück weit schlicht nicht vorhersehbar. Das hat sie aber nicht daran gehindert, einen massiven Einfluss – wie könnte es auch anders sein – auf den Bankensektor auszuüben, wie man z.B. unschwer an den steigenden Zinsen, am Rückgang an Immobilienfinanzierungen und an den erhöhten Wertberichtigungsbedarf der Wertpapierbestände auf der Aktivseite der Bilanzen ablesen kann.

Hinzu kommt, dass der Markt für Bankdienstleistungen seit geraumer Zeit nachhaltigen Wandlungen ausgesetzt und ein Nachlassen dieser strukturellen Veränderungen nicht in Sicht ist. Im Gegenteil: Wertschöpfungsketten brechen mehr und mehr auf und neue Player ergänzen – zum Teil unreguliert – den Markt. Weltweit finden inzwischen mehr Ausleihungen außerhalb des tradierten Bankensektors statt als innerhalb. Geschäftsmodelle von Banken und Sparkassen werden sich also entsprechend anpassen und verändern müssen.

Auf Banken kommen neue Risiken zu

Und als ob dies nicht schon genug Hiobsbotschaften wären: Jenseits der klassischen Bankrisiken entstehen leider auch noch immer weitere, neue Risikokategorien. Beispielhaft sei hier nur auf ESG- und auf Cyber-Risiken verwiesen. Allein diese beiden Risikoarten zeigen, dass es sich bei den neu hinzutretenden Risiken um Risiken ganz erheblichen, existenziellen Ausmaßes handelt, auf die Banken und Sparkassen in ihrem Risikomanagement zwingend reagieren müssen.

Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen

Die Kunden der Banken und Sparkassen bewegen sich in diesem neuen Umfeld, was dazu führt, dass sich ihre Bedürfnisse und Erwartungen immer mehr an diese veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Überwiegend werden von der Kundschaft heutzutage bekanntlich online-Angebote nachgefragt, so dass sich für Banken und Sparkassen die Frage nach ihrer Präsenz vor Ort bzw. nach Filialschließungen stellt. Aus all dem leitet sich für die Institute also die Notwendigkeit ab, zeitnah neue Konzepte zur Kundengewinnung und zur Kundenbindung aufzustellen und die eigenen Produkte darauf auszurichten bzw. neue Produkte zu entwickeln.

Bankenaufsicht muss sich anpassen

Die hier beschriebene Entwicklung kann ohne jede Frage an der Bankenaufsicht nicht spurlos vorbeigehen. Sie unterliegt der Aufgabe, sich auf den Wandel ihrer „Aufsichtsobjekte“ bestmöglich und effizient einzustellen. Dies stellt für die Aufsicht keine Kür, sondern ein Pflichtprogramm dar. Sie muss, um nur 2 wichtige Beispiele zu nennen,

  1. die sich ändernden Geschäftsmodelle verstehen und
  2. neue Technologien hinreichend einschätzen können.

Beides ist alles andere als banal. Nicht nur die Risikomodelle der Banken und Sparkassen geraten somit in den nächsten Jahren an ihre Grenzen, sondern auch die der Bankenaufsicht. Aus diesem Grund ist es vollkommen richtig, dass Bundesbank und BaFin immense Anstrengungen unternehmen, neue Expertise aufzubauen und diese stetig – z.B. in der Informationstechnologie – vorzuhalten. Diese Anstrengungen werden sich perspektivisch allemal über die nächsten 2 Jahre erstrecken.

Nach meiner festen Überzeugung müssen nun die bankaufsichtlichen Regularien und der bankaufsichtliche Instrumentenkasten an die beschriebenen geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Insbesondere denke ich hier an die neuen Geschäftsmodelle von Banken und Sparkassen, die jetzt entwickelt werden und bald in den Markt eintreten.

Die große Herausforderung für die Bankenaufsicht besteht dabei darin, bei aller gebotenen Sorgfalt nicht Innovations-behindernd aufzutreten; wünschenswerte Entwicklungen dürfen aus einer übertriebenen Risikoaversion heraus nicht eingeschränkt werden. Außerdem empfehle ich aus gegebenem Anlass, Mehrmandantendienstleister sowie Verbundlösungen und Verbundempfehlungen künftig stärker in den aufsichtlichen Betrachtungshorizont einzubeziehen.

Es kommt auf die Daten an

Die Krisen der jüngeren Vergangenheit – insbesondere diejenigen, die sich in 2022 manifestiert haben – verdeutlichen die Notwenigkeit der Verfügbarkeit granularen Daten, und dies für die Banken und Sparkassen einerseits wie für die Aufsicht andererseits. Als Beispiel sei nur auf die diesjährige Machbarkeitsstudie „Neuausrichtung des bankaufsichtlichen Meldewesens“ verwiesen, die das Potential hoher Effizienzgewinne beinhaltet und einen enormen Fortschritt darstellt.

Zusätzlich sollten meiner Meinung nach in der Bundesbank vorhandene Daten, die außerhalb der Bankenaufsicht vorliegen, Zentralbereichs-übergreifend noch besser genutzt werden. Hier denke ich vor allem an Datensätze und Erkenntnisse, die bei der Bundesbank in den wichtigen Zentralbereichen Statistik, Zahlungsverkehr, Finanzstabilität und Volkswirtschaft verfügbar sind. All diese Daten und Erkenntnisse sind für eine wirksame Marktbeobachtung – insbesondere bei sich anbahnenden Krisen – von unschätzbarem Wert, da sie helfen können, Probleme in bestimmten Branchen und deren mögliche Auswirkungen auf Banken und Sparkassen frühzeitig zu erkennen.

Bankenaufsicht muss digitalisieren

Abschließend sei erwähnt, dass natürlich auch die Bankenaufsicht selbst zwingend Objekt der Digitalisierung sein muss. Neue Methoden und Instrumente, wie sie z.B. im Rahmen der künstlichen Intelligenz eingesetzt werden können, ermöglichen heutzutage zumindest in Teilen eine Daten-gesteuerte Aufsicht. Diese Möglichkeiten müssen unbedingt ausgeschöpft werden. Dabei wird Datenqualität zunehmend wichtiger; dies macht nicht zuletzt  die notwendige Qualifizierung der bankaufsichtlichen Mitarbeiter in Bundesbank und BaFin erforderlich, und zwar sowohl was Inhalte als auch was Meldedaten anbetrifft.

Gefordert sind Sorgfalt und Augenmaß

2023 wird zweifellos ein weiteres herausforderndes Jahr. Die Inflation wird weiterhin deutlich über dem Zielwert der Zentralbanken liegen, die Zinsen werden weiter steigen, die Schattenbanken bleiben aktiv und die Märkte volatil. Letzteres gilt auch für den Bankenmarkt. Der Aufsicht obliegt es, mit Sorgfalt und mit Augenmaß auf die sich entwickelnden Risiken zu reagieren.

Die deutschen Banken und Sparkassen brauchen in 2023 eine verständnisvolle Aufsicht. Ich bin mir sicher, dass dies angesichts der Kapital- und Liquiditätspuffer, die hierzulande im Banken- und Sparkassensektor in den letzten Jahren aufgebaut wurden, gelingen kann. Ich wünsche uns Allen in diesem Sinne ein glückliches und erfolgreiches Neues Jahr 2023.


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Über den Autor

Dr. Andreas Dombret

Prof. Dr. Andreas Dombret ist in einer Vielzahl von Ausschüssen sowie in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen tätig, u.a. als Global Senior Advisor für Oliver Wyman. Er war von 2010 bis 2018 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank und u.a. für die Bereiche Banken- und Finanzaufsicht, Finanzstabilität und Märkte zuständig. Zuvor absolvierte er – nach Banklehre und Studium - verschiedene berufliche Stationen bei der Deutschen Bank, Rothschild und Bank of America.

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