Stellen Sie sich einen Finanzdienstleister wie Amazon vor, der über einen integrierten Marktplatz Zugang zu allen Finanzprodukten bietet, ohne dass Kunden sich neu registrieren müssen. Eine Illusion? Wer weiß? Ansatzpunkte gäbe es.
FinTech war bisher eher eine Evolution statt einer Revolution. Bisher gab es zwar eine Digitalisierung bestehender Geschäftsmodelle, aber keine disruptive Veränderung der ganzen Branche wie durch Netflix oder Spotify. Auf meiner Suche nach einem wirklichen Gamechanger habe ich mich gefragt, was wäre, wenn eine Bank oder Versicherung wie Amazon, Apple, Instagram oder Google funktionieren würde.
Marktplatz war ein Wendepunkt für Amazon
Amazon ist heute unangefochtener Marktführer im Online-Handel. Für viele Kunden ist Amazon die erste Anlaufstelle, wenn sie etwas im Internet kaufen wollen. Amazon hat seine Produktpalette kontinuierlich erweitert und bietet heute praktisch alles an.
Bereits 2001 hat Amazon seinen Marktplatz neben dem eigenen Sortiment auch für Drittanbieter geöffnet. Das hat die Position von Amazon nachhaltig gestärkt, denn Amazon ist wirklich zum „Everything Store“ geworden. Es gibt (fast) nichts, was es bei Amazon nicht gibt. Heute macht der Marktplatz 58 % des Umsatzes aus.
Stellen Sie sich einen offenen Marktplatz für Finanzprodukte vor
Stellen Sie sich eine Finanzdienstleistungsplattform wie Amazon vor. Ein einziger Marktplatz, auf dem Sie alle Bank- und Versicherungsprodukte von verschiedenen Anbietern erhalten können. Sie können ganz einfach vergleichen und zwischen den besten Angeboten wählen. Kundenrezensionen helfen dabei, die besten Produkte zu finden. Aber die Plattform ist viel mehr als nur eine Vergleichsplattform.
Mehr als eine Vergleichsplattform
Nach einer einmaligen Registrierung können Sie jedes Finanzprodukt einfach und ohne erneute Prüfung abschließen. Auch andere Fragen müssen nur einmal beantworten werden, z.B. die MiFID-Fragen zum Investmentverhalten.
Darüber hinaus haben Sie auf der Plattform immer einen Überblick über alle Finanzprodukte und erhalten kostenlos aktuelle Marktinformationen.
Eine Finanzplattform wie Amazon könnte auch einen Service wie Amazon Prime anbieten, um treue Kunden zu belohnen und ihnen zusätzliche Vorteile und Anreize zu bieten. Beispielsweise könnten Prime Kunden Zugang zu speziellen Konditionen und Rabatten bekommen. Auch ein exklusiver Zugang zu Dienstleistungen oder Produkten wäre denkbar. Darüber hinaus könnten Prime Kunden auch einen exklusiven Zugang zu Veranstaltungen, Finanzseminaren oder Netzwerkveranstaltungen bekommen.
Eine AmazonBank könnte ihren großen Kundenstamm nutzen und einen datengesteuerten Ansatz anwenden, um die Kundenbindung zu weiter erhöhen, indem sie deren Bedürfnisse versteht und ihnen maßgeschneiderte Lösungen anbietet. Der Zugang zu Daten ermöglicht es, den Kunden individuelle Finanzprodukte und -dienstleistungen anzubieten, wie z. B. maßgeschneiderte Kredite, Sparpläne und Anlageoptionen. Außerdem könnte KI zur besseren Risikobewertung und Betrugserkennung eingesetzt werden, um damit die Risikokosten erheblich zu senken.
Massiver Komfortgewinn für die Kunden
Stellen Sie sich vor, ich würde meine Hausratversicherung über eine Amazon-Plattform für Finanzprodukte abschließen. Dafür müsste ich mich einmalig registrieren und verifizieren, so wie bei jedem neuen Finanzprodukt. Wenn ich später zum Beispiel eine Reisekrankenversicherung brauche, kann ich diese ganz einfach vergleichen und ohne erneute Registrierung abschließen. Ich kann das Angebot meines jetzigen Versicherungsanbieters ganz einfach mit dem Markt vergleichen. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil für den derzeitigen Anbieter meiner Hausratversicherung, der vielleicht mit einem Bündelrabatt gegenüber anderen Anbietern punkten kann. Für mich ist der Abschluss einer Reiseversicherung super einfach, ohne dass ich mich neu anmelden muss, egal ob ich sie bei meinem jetzigen Versicherer oder bei einem neuen Anbieter abschließe.
Ist die Zeit reif für einen Finanzsupermarkt?
Die meisten Banken haben bereits offene Plattformen für Investmentfonds. Ich kann mich noch gut an die jahrelangen Diskussionen erinnern, bis die Banken endlich bereit waren, ihre Plattformen für Anlageprodukte Dritter zu öffnen. Heute sind offene Plattformen für Investmentfonds der Marktstandard. Die Banken haben letztlich davon profitiert.
Einige erinnern sich vielleicht noch an das Konzept des Finanzsupermarktes („Money Supermarket“).
Vielleicht ist die Zeit inzwischen reif dafür. Die Öffnung von Bank- oder Versicherungsplattformen für Produkte von Drittanbietern wäre ein Wendepunkt für die gesamte Branche. Wenn eine Bank oder Versicherung heute den Schritt wagen würde, hätte sie die Chance, den Markt zu dominieren, so wie Amazon den Online-Handel dominiert.
Vergleichsportale sind in der Pole Position
Eine integrierte offene Plattform wie Amazon wäre sowohl für Anbieter als auch für Kunden höchst attraktiv. Warum also gibt es die AmazonBank noch nicht?
Die etablierten Banken und Versicherungen zögern noch, ihre Plattformen zu öffnen, obwohl sie mit Investmentfonds gute Erfahrungen gemacht haben. Der Hauptgrund ist, dass sie Preistransparenz und Kundenabwanderung fürchten. Dabei würden die etablierten Unternehmen von einem solchen Modell stark profitieren. Vor allem der First Mover hätte die Chance, den Markt komplett aufzurollen.
Vergleichsportale wie Check24 wären heute am besten positioniert, um ihr Geschäftsmodell zu einem integrierten Marktplatz wie Amazon auszubauen. Bislang können Kunden dort nur vergleichen, müssen sich aber bei jedem Kauf eines neuen Produkts neu registrieren.
Die Vergleichsplattformen haben heute schon eine solche Marktmacht, dass die Produktanbieter nicht umhinkommen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dies wäre eine große Herausforderung für neue Anbieter, die einen integrierten offenen Marktplatz aufbauen wollen. Darüber hinaus ist die technische Integration eine Herausforderung; Banken und Versicherungsgesellschaften wollen immer noch keine einfache Integration über API ermöglichen.