Wie 11¾ Prozent die Inflation verscheuchen könnten

EZB muss harte Maßnahmen ergreifen

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Wäre es nicht die alleinige Aufgabe der Europäischen Zentralbank, die Euro-Bürger vor einer Inflation ihres Geldes zu bewahren? Die EZB scheint dies mit ihrer verfehlten Zinspolitik aus den Augen verloren zu haben. Jetzt können nur noch harte Maßnahmen helfen.

Die Zinspolitik der EZB soll die Bürger vor Inflation schützen.

Eigentlich sollte die Zinspolitik der EZB die Bürger der Eurozone vor Inflation schützen.

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Zu D-Mark-Zeiten wurde in manchen Firmen hinter vorgehaltener Hand als Wunsch formuliert: „Mit einer Inflation von zwei Prozent im Jahr könnte man bequem leben.“ Diese wurde – viele Jahre später – von der Europäischen Zentralbank (EZB) am 8. Juli 2021 zum Euro-Stabilitätsziel umdefiniert.

Wie das? Ist es nicht alleinige Aufgabe der EZB, die Euro-Bürger vor einer Inflation ihres Geldes zu bewahren? Ist also die Bundesbank-Regel nichts mehr wert? Nach dieser Regel hörte die Stabilität auf, „wenn in einem Jahr die Geldentwertungsrate die 2-Prozent-Grenze überschreitet“, so Dr. Karl Klasen am 31. Oktober 1974 im „Hamburger Abendblatt“.

Der Bundesbank-Präsident aus Hamburg brach die zweite Inflation nach der Währungsreform mit Preissteigerungen über sieben Prozent. Gegenmaßnahme der Bundesbank (wie gegen alle Inflationen zwischen 1948 und dem EZB-Start): kräftige sofortige Zinserhöhung und Geldmengenschrumpfung, auch Sonderlombard. Kurze Zeit darauf begann dann der nächste Aufschwung.

Säkulare Geldvernichtung durch Hochschuldnerstaaten

Die EZB ist verantwortlich für die erste Euro-Inflation, jetzt mit zweistelligen Raten. Am 26. Juli 2012 gab deren Präsident Mario Draghi außerhalb seines Verantwortungsgebiets in London den Euro für die säkulare Inflation ohne Begrenzung frei. Vierzehn Tage zuvor war die Einlagenfazilität schon auf Null gestellt worden. Hauptrefinanzierungsgeschäfte kosteten weniger als ein Prozent, die Spitzenrefinanzierungsfazilität nur noch 1,5 Prozent. Euro-Länderrisiken wurden vernachlässigt. Ab 18. September 2019 gab es keine Zinsen mehr. Ergebnis zum November 2022 für die Deutschen wird sein: 10,8 Prozent Inflation minus 2,5 Prozent Verzinsung für Benchmarkanleihen des Bundes ist gleich 8,3 Prozent Negativzins.

Die säkulare Inflation schläft nie. Ihr Haupttreiber, die Neuverschuldung der Euro-Länder, wurde nach dem 26. Juli 2012 stark befördert. Auch die Vermögenspreise zogen stark an. Da beide Verschuldungsgeschäfte statistisch nicht erfasst werden, glaubte die EZB ihrem Modell, dass das Zwei-Prozent-Ziel bald erreicht sein werde. Schon 2015, erst recht 2019 schrillten in den Banken die Alarmglocken. Die Kreditchefs legten den Rückwärtsgang für neue Bauvorhaben ein und drosselten Kredite an hochverschuldete Euro-Länder. Dagegen meinte die EZB noch im Frühjahr 2022, die Inflation beruhige sich in diesem Jahr und ginge von selbst auf die Zwei-Prozent-Zielmarke zurück. Noch jetzt entschuldigt sie sich damit, die Preissteigerungen seien in ihren Projektionen nicht vollständig abgebildet worden. So wird Wirklichkeit verdrängt.

Deflation? Nicht einmal im Modell

Innerhalb von 20 Jahren praktischer Arbeit hat sich die EZB wegbewegt von einer „zweiten Bundesbank“, als die sie uns in Deutschland verkauft worden war, hin zur obersten Staatsfinanzierungsbank der Euro-Staaten und der EU. Ein geistiger Schamfetzen verhüllt noch die letzte von ihr allein selbst erlaubte Gesetzesaushebelung: Sie refinanziere nur die Staatskredite der Banken gemäß den Basel-Regime-Anweisungen. Eine Formalie ohne Belang!

Die EZB argumentiert, dass sie unter allen Umständen Deflation verhindern müsste. Dafür wird die Krise der Jahre 1929 bis 1932 zitiert. Die war kein Marktgeschehen, sondern Währungskrieg. Als die USA die deutschen Reparationslasten finanzierbar gestellt und selbst große Staatsinvestitionen begonnen hatten, ging die Krise zwischen den Erster-Weltkrieg-Gegnern zu Ende. In der europäischen Wirklichkeit gibt es keine Deflation, sondern nur ungezügelte Staatsfinanzierung mit anschließender Inflation, die das Volk ungefragt zu bezahlen hat.

Wirtschafts- statt Finanzpolitik

Jetzt wird sogar Euro-Staaten mit hoher Verschuldung, die ohne neue Schulden angeblich nicht mehr handlungsfähig sein können, frisches Geld geliehen. Damit soll der Zusammenbruch der Hochschuldner und deren Ausscheiden aus dem Euro verhindert werden. Zusätzlich wurde ein nie auf Dauer funktionierendes Exportförderungsmittel aus der Vergessenheit zurückgeholt: Die bewusst gesteuerte Abwertung des Euro gegenüber den anderen wichtigen Handelswährungen. Die große Inflation im Euro-Raum lenkt von dieser auch selbsterlaubten Erhaltung der Zombie-Länder und ihrer Zombie-Unternehmen durch die EZB ab. Ein eindeutiger Rechtsbruch des EU-Vertrags, Abteilung EZB.

Es wird Zeit für hartes Handeln

Wie hätte der einstige Bundesbank-Präsident Klasen die Euro-Inflation gestoppt und einen anschließenden Wirtschaftsaufschwung begründet? Da die EZB im Euro-Raum gegen die Inflation mit zweistelligen Prozenten nicht eingeschritten ist, können jetzt nur noch besonders harte Gegenmaßnahmen helfen: Sofortige Erhöhung des Festsatzes für Hauptrefinanzierungsgeschäfte auf 11¾ Prozent. Plus gleichzeitigem Refinanzierungstopp für Bankfinanzierungen staatlicher Kredite durch die EZB. Plus gleichzeitigem sofortigen Ende der Nullanrechnung mit endlich derselben Eigenkapital-Belastung von staatlichen Finanzierungen und Unternehmenskrediten bei Banken (mindestens 20 Prozent).

Ohne Streichung der zwei Plus-Bedingungen bliebe die EZB Inflations-Großtreiber. Denn die Investmentfonds könnten weiterhin ohne Eigenkapital Geschäfte betreiben, die die EZB billigst refinanzierte. Auch bliebe die Exportförderung über den bewusst abgewerteten Euro für Zombie-Länder und -Produzenten erhalten. Die Einhaltung der zwei Plus-Bedingungen würde zudem das von der EZB 2012 losgetretene, für das Wachstum der Euro-Wirtschaft überflüssige zusätzliche riesige Geldvolumen langsam wieder zurückdrehen und damit auch dessen nicht mehr steuerbare inflationäre Antriebskraft.

Dagegen wird eingewendet werden, damit würde der Finanzmarkt beendet. Ganz im Gegenteil! Der globale Sekundärmarkt für Staatsanleihen und deren Kreditierung über Banken ist groß genug, um den Liquiditätswünschen solider öffentlicher Schuldner zu entsprechen. Die Nullzinsfürsorge der EZB für schwache Schuldnerländer würde endlich beendet. Denn Geld gäbe es nur noch gegen Marktkonditionen und Einsatz des Eigenkapitals.


Der Beitrag ist Teil des Jahrbuchs 2022/23 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier direkt herunterladen.

Über den Autor

Dr. Bernd Lüthje

Bernd Lüthjes berufliche Laufbahn begann bei der Handelskammer Hamburg. Er hatte verschiedene Leitungsfunktionen in Banken und deren Vertretungen inne, u.a. als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes öffentlicher Banken und ist Mitglied des Finanzplatz Hamburg e.V. 2013 publizierte Lüthje eine „Reformschrift“ zu dem aus seiner Sicht überflüssigen Baseler Bankenaufsichtsregime.

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