Wie generative KI das Finanzgeschäft der Banken prägen kann

Milliardenpotenzial und Paradigmenwechsel

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Mit der Entwicklung der generativen KI zeichnet sich eine Technologie-Evolution ab, die die Finanzbranche revolutionieren kann. Das Potenzial ist gewaltig: Ihr Einsatz wird innerhalb kürzester Zeit einen Paradigmenwechsel in der Art des Arbeitens einläuten.

Generative KI läutet eine Revolution in der Finanzbranche ein

Generative KI läutet eine Revolution in der Finanzbranche ein.

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Künstliche Intelligenz (KI) hat auch in der Finanzbranche Einzug gehalten.  Und das Angebot von generativer KI (GenKI) hat innerhalb weniger Monate einen Paradigmenwechsel angestoßen, den noch vor einem Jahr kaum jemand erwartet hätte. Nur zwei Monate nach ihrem Start verzeichnete die Lösung von Open AI, ChatGPT bereits 100 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer – monatlich. Damit hat sie einen Rekord für schnell wachsende Nutzerzahlen aufgestellt.

Warum war das der Fall?

  • Erstens ist ChatGPT intuitiv und einfach nutzbar. Die Einstiegsbarrieren sind denkbar gering und somit einfach für viele Menschen zugänglich.
  • Zweitens liefert eine ChatGPT-Suche nicht nur Ergebnisse, sondern eine „echte Antwort“, die mehrere Quellen zusammen fasst und damit für Rezipienten verständlicher macht. Vergangen ist die Zeit, in der mühsam und manuell jedes Ergebnis durchgelesen wurde, um zu einer selbst erstellten Antwort zu kommen.
  • Drittens konnte das Large Language Model (LLM) von OpenAI Informationen unterschiedlichster Formate und Strukturen verstehen und verarbeiten und in die Antwort einfließen lassen.

Die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert in ihrer Studie „The economic potential of generative AI“ ein branchenübergreifendes Wirtschaftspotenzial von jährlich 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar (gemessen an 63 generativen KI-Anwendungsfällen in 16 Geschäftsbereichen). Insbesondere der Bankensektor soll der Studie zufolge von generativer KI profitieren und den Jahresumsatz der Branche um 2,8 bis 4,8 Prozent steigern können. So wird die Anwendung dieser Lösungen schon bald ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein.

Die Pflicht vor der Kür bei der Nutzung von GenKI

Der Einsatz von generativer KI im Tagesgeschäft von Finanzdienstleistern bedarf einer schrittweisen Vorgehensweise:

Zunächst ist der Aufbau einer passenden technischen Infrastruktur erforderlich, die mit einem Sprachmodell arbeitet, was für die Anwendungszwecke sinnvoll genutzt werden kann. Nicht immer muss ChatGPT als „Large“ Language Model die perfekte Lösung sein. Denn gerade für Analysen interner und deutlich geringerer Informationen als gleich dem ganzen Internet sind diverse Open Source Sprachmodelle oftmals die bessere und vor allem günstigere Wahl. Ob und wie performant diese in einer Cloud-Lösung oder On-Prem laufen können hängt ebenso von der Nutzungsintensität ab und dem entsprechenden Bedarf an Rechenkapazitäten. Daher macht es Sinn, von vornherein eine skalierbare Lösung aufzusetzen, die mit den sich aktuell noch rasant entwickelnden Möglichkeiten veränderbar ist.

Weiterhin sind regulatorische und rechtliche Rahmenbedingungen zu diskutieren und abzustecken. Dabei geht es um Datenschutzanforderungen, aber auch um die Absicherung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, beispielsweise in Form von internen Unterlagen, die in einer GenKI-Lösung zur Analyse und Auswertung hochgeladen werden können. Die Infrastruktur muss jedoch sicherstellen, dass diese internen Daten auf Servern verarbeitet werden, die unter Kontrolle der Finanzdienstleister oder deren technischen Dienstleistern stehen, sodass die Informationen nicht zum „Trainieren“ der externen Sprachmodelle genutzt werden können.

Außerdem ist die rechtliche Haftungsfrage zu klären, die bei der Nutzung und Weiterverwendung von generierten Ergebnissen auftreten kann. Insbesondere wenn die Daten für die Kommunikation nach außen oder für interne Entscheidungsfindungen eingesetzt werden.

Und Drittens sind die Anwendungsfälle zu klären, die genutzt oder entwickelt werden sollen. Dabei geht es weniger um den konkreten Use Case als vielmehr um die Anwendungsform, das Use Case Pattern. So können vordefinierte „Automaten“ erstellt werden, die entweder alleine oder in Kombination miteinander fachbereichsspezifische Anwendungen abbilden. Diese können dann in einer No-Code oder Low-Code Umgebung für die IT- oder Fachbereichsentwicklung freigegeben und genutzt werden.

Fundamentale Einsatzmöglichkeiten der Gen-KI

Banken, die generative KI frühzeitig in ihre Geschäftsmodelle integrieren, erlangen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Typische erste Anwendungsfälle liegen in der Vermeidung von manuellen Tätigkeiten, die einen erheblichen Zeitaufwand fordern. Das kann beim Erstellen von Texten beginnen, Research von Informationen im Internet stützen (z.B. via einer Compliance-konformen Instanz von ChatGPT) oder abschließende Auswertung und Mustererkennung erleichtern. Allein diese Art der Unterstützung der Mitarbeiter ist ein großer Performance-Hebel!

Aber nicht nur die signifikante Optimierung der Arbeitseffizienz zeigt großes Potential. Banken sind ebenso in der Lage, neue innovative Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die die Konkurrenz übertrumpfen. Auch sind neue Formen der Kundenbetreuung und -interaktion möglich, die maßgeschneiderte Lösungen und Informationen anbieten.

Die Identifizierung und Bewertung von Risiken gehört zum Kerngeschäft der Finanzinstitute. Die Gen-KI optimiert diesen Prozess, indem sie Modelle anwendet, die auf historischen Daten und Markttrends basieren, potenzielle Risiken vorhersagen und geeignete Maßnahmen ergreifen. Darüber hinaus kann die KI alternative Szenarien generieren und deren Auswirkungen auf das Portfolio bewerten. Dies ermöglicht der Kreditwirtschaft, angemessen auf unvorhergesehene Ereignisse und Veränderungen in der Wirtschaft zu reagieren.

Auch bei der Betrugserkennung kann sie eine unterstützende Rolle spielen: Die Erkennung von Betrug ist ein anhaltendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Finanzinstituten und Kriminellen. Die generative KI vereinfacht diese Aufgabe, indem sie Muster und Anomalien in Transaktionsdaten erkennt. Obendrein kann sie betrügerische Aktivitäten identifizieren und Alarm schlagen.

Im Handel kann generative KI ebenso eine tragende Rolle übernehmen, indem sie Handelsstrategien entwickelt, die auf umfangreichen Mengen von Marktdaten basieren. Diese Strategien können dazu beitragen, den Handelsprozess zu optimieren und gleichzeitig die Rendite zu verbessern.

In der Kundeninteraktion kann generative KI zum Einen genutzt werden, um individualisierte Chatbots zu erstellen, die im Customer Support 24/7 Rede und Antwort stehen und auf vorab trainierte Datenbasen mit relevanten Produktinformationen zuzugreifen. Weiterhin können sie aber auch zur Unterstützung im Vertriebsprozess beispielsweise bei Unternehmenskunden genutzt werden, um beispielsweise Gesprächsprotokolle, oft in unstrukturierter Text- oder Audioform vorliegen, sauber für Kunden und Berater zusammen zu fassen und wichtigste Aufgaben daraus abzuleiten.

Natürlich dürfen KI-generierte Ergebnisse nicht unvalidiert übernommen werden, kein Modell ist frei von Halluzinationen. Und auch die menschliche Intuition und Lebenserfahrung im geschäftlichen Umfeld spielt bei Bewertungen eine wichtige Rolle. Daher gelten die bestehenden Kontroll- und Freigabeprozesse auch weiterhin, ganz gleich, ob mit oder ohne Generativer KI gearbeitet wurde. Jede KI ist nur so gut wie die Werte, die sie prägen, und diese Verantwortung sowie die echte Entscheidung verbleibt beim Anwender.

Gigantisches Potenzial – so lange es in einem compliance-kontrollierten Rahmen genutzt wird

Das Potenzial von generativer KI im Finanzgeschäft ist schier unermesslich. Durch sie können ihre Anwender nicht nur ihre eigenen Geschäftsmodelle optimieren. Sie können auch potenzielle Risiken besser verstehen und darauf proaktiv reagieren. Dies trägt maßgeblich dazu bei, die Stabilität des gesamten Finanzsystems zu erhöhen.

Und auch für die Mitarbeiter bietet der Einsatz von Generativer KI ein hohes Potential. Schon heute ist viel zu wenig Zeit für die echte Mehrwertarbeit, denn Administration und Verwaltungsaufgaben sowie manuelle Prozesse brauchen unwahrscheinlich viel Zeit. Genau da setzt generative KI und wird nicht einen einzigen Arbeitsplatz reduzieren, sondern endlich die Freiräume schaffen, um sich auf die wichtigen Aufgaben zu konzentrieren – Eine echte Antwort auf den Fachkräftemangel.

Regulatorik ist dabei kein Hindernis in der Anwendung. Sie bietet vielmehr Sicherheit in diesem komplexen Umfeld. Wichtig ist, nicht untätig auf die Verabschiedung des “EU AI Act” zu warten, der die Regulierung von Künstlicher Intelligenz in der Europäischen Union standardisieren und stärken soll, sondern bis dahin fortlaufend zu lernen und Anwendungsfälle in einem adaptierbaren, technischen Umfeld zu erforschen.

Generative KI ist zweifellos ein Game Changer für die Finanzwirtschaft, denn trotz aller Herausforderungen und Bedenken wird sie die Art und Weise unseres Arbeitens grundlegend transformieren und auf diese Art die Zukunft der Finanzbranche weltweit maßgeblich gestalten.

Über den Autor

Stephan A. Paxmann

Stephan A. Paxmann ist Leiter des strategischen Entwicklungsbereichs Digitalisierung und Innovation bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Er analysiert gemeinsam mit seinem Team innovative Markt- und Digitaltrends und begleitet die Bank sowie den Mittelstand bei der Überführung disruptiver Technologien in den Unternehmensalltag.

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