Regionalbanken stehen aktuell in einem Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und persönlicher Betreuung. Darüber, wie Ziele und Perspektiven bis 2025 aussehen, habe ich mich mit Bernd Schmidt, Sprecher des Vorstands der Kieler Volksbank unterhalten.
Die Finanzbranche befindet sich in einer Zeit vielfältigen Wandels. Im Rahmen der Serie #banking2025 geht der Bank Blog der Frage nach, wie die mittelfristigen Perspektiven, Veränderungen, Chancen und Risiken für Banken und Sparkassen aussehen.
Interview mit Bernd Schmidt, Kieler Volksbank
Darüber, wie diese für eine mittelgroße Volksbank aussehen, habe ich mich mit Bernd Schmidt unterhalten. Er ist Sprecher des Vorstands und Vertriebsvorstand der Kieler Volksbank mit Sitz in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Der Diplom-Bankbetriebswirt war zuvor langjährig als Regionalleiter der HypoVereinsbank für das Firmenkundengeschäft in Schleswig-Holstein tätig.
Sein Institut wurde im Jahr 1897 gegründet. Ende 2022 lag die Kieler Volksbank mit einer Bilanzsumme von knapp 2 Mrd. Euro, 11 Filialen, rund 300 Mitarbeitern und über 25.000 Mitgliedern auf Rang 167 von 735 Genossenschaftsbanken. Ihr Geschäftsgebiet umfasst Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel und einige unmittelbare Umlandgemeinden. Die letzte Fusion liegt über 25 Jahre zurück.
Unsere Geschäftspolitik ist verlässlich und bodenständig
Der Bank Blog: Kiel ist ja – zumindest im Stadtkern – ein sehr wettbewerbsintensiver Standort mit fast 20 Instituten, darunter eine benachbarte Volksbank. Wen würden Sie als Hauptwettbewerber bezeichnen. Und was unterscheidet Sie von diesen?
Bernd Schmidt: Gemeinsam mit der regionalen Sparkasse dominieren wir den Privatkundenmarkt und sind durch unsere Flexibilität und Lösungsindividualität ein –auch weit über die Kieler Landeshauptstadt hinaus – gefragter Partner für Mittelstand und Großkunden, insbesondere für das qualifizierte Bauträger und Investorengeschäft und die Vermögensverwaltung. Unser Qualitätsverständnis und die Leistungsstärke der genossenschaftlichen FinanzGruppe, über die wir das gesamte Spektrum zeitgemäßer Finanzlösungen abdecken, sind echte Pluspunkte im Wettbewerb.
Mit unserer verlässlichen, bodenständigen Geschäftspolitik sind wir grundsolide und stabil aufgestellt und sichern gerade auch in unruhigen Zeiten die Funktionsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. Dabei ist unsere flächendeckende regionale Präsenz rund um die Kieler Förde auch im Digitalisierungszeitalter zentraler Anker, denn Bits und Bytes können das vertrauensvolle, beratungsintensive Bankgeschäft keinesfalls ersetzen.
Die Komplexität der Anforderungen beeinträchtigt unsere Kundenbeziehungen
Der Bank Blog: Was ist momentan Ihre größte Sorge/Baustelle?
Bernd Schmidt: Sorge bereiten uns neben den aktuellen geopolitischen Spannungen insbesondere die überbordendende Regulierung der Bankenaufsicht. Es wird für uns Regionalinstitute immer herausfordernder, die auf systemrelevante Großbanken ausgelegten europäischen Vorschriften zu erfüllen. Die Komplexität der Anforderungen beeinträchtigt unsere langjährig gewachsenen Kundenbeziehungen und führt durch Schaffung immer neuer bankseitiger Überwachungsfunktionen zu starken Kostensteigerungen.
Dabei haben sich in den vergangenen Jahren doch gerade die robusten Genossenschaftsbanken als Stabilisierungsfaktor unserer Volkswirtschaft erwiesen. Wir brauchen hier mehr Proportionalität und De-Regulierung, um unsere ureigene Aufgabe erfüllen zu können: die qualifizierte und unkomplizierte Versorgung unserer Mitglieder mit Finanzdienstleistungen und die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Region.
Der permanente Wandel bietet Chancen
Der Bank Blog: Welche Rahmen-, Markt- und Wettbewerbsbedingungen erwarten Sie mittelfristig für Ihr Institut? Was davon bewerten Sie als positiv, wo sehen Sie Herausforderungen?
Bernd Schmidt: Wir leben in einer volatilen Welt mit einem sich immer schneller und massiver verändernden Marktumfeld. Der permanente Wandel reduziert die Planbarkeit, erhöht aber die Chance, durch Flexibilität und Wendigkeit Ausrufezeichen zu setzen. Die Corona-Phase war hier ein guter Lehrmeister, indem wir unsere Alltagsroutinen komplett auf den Kopf gestellt und neue Wege und Lösungen geschaffen haben.
Unsere Kieler Volksbank lässt sich am besten mit einem Schnellboot vergleichen, denn als selbstbestimmte und selbstverantwortliche Genossenschaftsbank haben wir das Ruder eigenständig in der Hand und können maximal beweglich agieren. Verpflichtet sind wir ausschließlich unseren Mitgliedern. Deren individuelle Bedürfnisse genau zu kennen und eine verantwortungsvolle, bestenfalls lebenslange Zusammenarbeit zum Vorteil beider Seiten zu gestalten, ist unser Pfund.
Spannend bleibt, die unterschiedlichen Erwartungen sämtlicher Generationen von Best Agern über Baby Booomer, Millennials bis zur Generation Z unter einen genossenschaftlichen Hut zu bekommen. Wir kombinieren dafür das Beste aus Präsenz- und Digitalwelt. Chat, WhatsApp und Videokonferenz sind in Ergänzung zum OnlineBanking genauso selbstverständlich wie das Gespräch in der Filiale. Eine Renaissance erfährt darüber hinaus das Telefon-Banking.
Der Bank Blog: Die Zahl der Genossenschaftsbanken ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, überall wird fusioniert, teilweise hat man den Eindruck auf Teufel komm raus. So bilden sich neue Institute, deren Marktgebiete mitunter nicht mal aneinander angrenzen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Wo sehen Sie eine Grenze, ab der ein Institut Ihrer Größe nicht mehr alleine bestehen kann?
Größe allein sollte keine Triebfeder sein
Bernd Schmidt: Angesichts der gewaltigen Veränderungsgeschwindigkeit in der Finanzwirtschaft mit immer komplexeren regulatorischen Anforderungen in einem immer volatileren Marktumfeld überrascht die aktuelle Fusionsdynamik nicht. Neben dem Heben von Synergien und Erzielung von Kostendegressionseffekten muss natürlich auch die Chemie der Unternehmenskulturen passen, so dass Sprungfusionen durchaus zielführend sein können.
Größe allein sollte unseres Erachtens keine Triebfeder sein, denn wichtiger als die Rangliste nach Bilanzvolumen ist doch der wirtschaftliche Erfolg. Für uns kommt eine Fusion dann in Frage, wenn Sie einen deutlichen Mehrwert für unsere Mitglieder mit sich bringt. Oder wenn uns der Fachkräftemangel zwingt, neue Wege zu gehen, um die nachhaltige Betreuungsverantwortung für unsere Mitglieder dauerhaft sicherzustellen zu können.
Der Mensch ist der entscheidende Erfolgsfaktor
Der Bank Blog: Wie stellt sich Ihr Institut auf, um im Jahr 2025 optimal aufgestellt zu sein? Welches sind die entscheidenden Stellschrauben/Projekte/Themen um dies zu erreichen? Welche Herausforderungen gilt es dabei zu bewältigen?
Bernd Schmidt: So, wie wir uns seit 125 Jahren aufgestellt haben: mit Liebe, Lust und Leidenschaft! Die genossenschaftliche Idee ist uns seit jeher Herzensanliegen und prägt unabhängig aller äußeren Entwicklungen unser Selbstverständnis. Wir stehen für partnerschaftliches Miteinander, kurze Entscheidungswege und ein Höchstmaß an Flexibilität und Qualität.
Diese Einstellung zu unseren Kunden prägt auch unsere interne Kultur. Durch aktives Mitunternehmertum motivieren wir unsere Mannschaft, innovativ und zukunftsgewandt zu denken und zu handeln. Entscheidendste Stellschraube ist für uns der Erfolgsfaktor Mensch. Denn hinter allen Zahlen und Prozessen stecken Gesichter mit kompetentem Wissen und Können und Charakter. Deren Know-how zu fördern und ihre Kernkompetenzen zu stärken, ist und bleibt wesentlich für unseren Geschäftserfolg.
Dabei muss es uns gelingen, sexy zu bleiben – auch im Hinblick auf New bzw. Remote Work. Entgegen allen Selbstbestimmungsbestrebungen wissen wir um die Kraft einer starken, identifikationsstiftenden Unternehmenskultur, die durch unsere genossenschaftlichen Werte von Fairness und Wertschätzung geprägt ist. Zufriedene Mitarbeiter sind die besten Fürsprecher – gerade in Zeiten der sinkenden Fachkräfteverfügbarkeit. Mit einer Ausbildungsquote von größer 10 Prozent sichern wir die Zukunft.
Banking is neccessary
Der Bank Blog: Wenn Sie drei Wünsche für die Zukunft der Kieler Volksbank frei hätten, welche wären das?
Bernd Schmidt: Im Prinzip reicht ein Wunsch, nämlich die Erkenntnis, dass Qualität einen Preis hat. Nicht das kostengünstigste Angebot ist das Beste, sondern das fairste Angebot. Heute wird viel auf Sustainable Finance geschaut. Dieses nachhaltige Handeln und Wirtschaften ist Gründungsidee und ursprünglichste DNA unserer Genossenschaft.
Was heute Environmental, Social and Governance heißt, bedeutete für uns schon immer verantwortungsbewusstes, regionales, ethisches Banking. Vielleicht könnten wir auch von „Achtsamkeits-Banking“ sprechen, denn unsere Berater richten sich komplett auf die Individualbedürfnisse unserer Kunden aus.
Null-acht-fünfzehn kennen wir nicht und somit gibt es bei uns auch nichts umsonst. Dafür partizipieren unsere Mitglieder über attraktive Rückvergütungen im Rahmen des Hausbankmodells und natürlich über die Dividende am Unternehmenserfolg. Wir wünschen uns eine Rückbesinnung auf die genossenschaftlichen Werte von Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Solidarität.
Denn auch 30 Jahre nach Bill Gates Prophezeiung, dass Banken nicht „neccessary“ seien, sind wir der beste gegenteilige Beweis. Wer eine Vision hat, Veränderungsbereitschaft an den Tag legt, die Menschen mitnimmt und immer vom Kunden her denkt, kann optimistisch in die Zukunft schauen
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.
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Bislang sind folgende Beiträge in der Serie erschienen:
- Commerzbank-Chef Knof: „Die Bancassurance ist viel besser als ihr Ruf“ - Zur Zukunft der Partnerschaft zwischen Banken und Versicherungen
- Die Sparkasse der Zukunft - Ein Ratgeber zur langfristigen Relevanz und Überlebensfähigkeit
- Firmenkundengeschäft als letzter großer Ertragsbringer - Drei Handlungsfelder für traditionelle Banken
- Das „Big Picture“ für Compliance
- Die Veränderung der Bankaufsicht
- Die Zukunft des Bank-CFOs
- Vorsorge wird digital
- 10 Trends, Herausforderungen und Chancen für das Asset Management
- Im Mittelpunkt steht das Kundenerlebnis
- Banken haben eine Schlüsselrolle bei der ESG Transformation
- Die drei größten Herausforderungen im Firmenkundengeschäft
- Vorboten einer Revolution in der Finanzbranche
- Zehn Handlungsimplikationen für den digitalen Euro
- Wie die Sparda-Bank Nürnberg auf den Wandel reagiert
- Die sieben Treiber der privaten Baufinanzierung
- Vom Verhinderer zum Enabler
- Drei Mega-Trends verändern die Immobilienbranche
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- „Wohin steuern kleine und mittlere GenoBanken?“