Der digitale (Retail-) Euro: Worauf muss eine Bank achten?

Analyse und praktische Tipps zum aktuellen Stand

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Der digitale (Retail-) Euro wird bei der EZB aktuell umfassend diskutiert. Doch was bedeutet diese Entwicklung für die Geschäftsbanken und wie können sie sich darauf vorbereiten? Eine erste Einschätzung und praktische Tipps für die Vorbereitung.

Der aktuelle Stand des digitalen Retail Euros

Analyse und praktische Tipps zum aktuellen Stand zum aktuellen Stand des digitalen Retail Euros.

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Das Internet ist schon lange kein Neuland mehr und die Digitalisierung ist in viele Lebensbereiche eingezogen. Auch ist das Bezahlen mittlerweile nicht mehr nur mit Bargeld und Karte möglich, sondern mit dem Handy, mit der Uhr oder diversen Apps.

Diese neuen Entwicklungen sind den Zentralbanken nicht entgangen und so haben mindestens 93 Prozent der Zentralbanken sich auf den Weg gemacht und angefangen sich mit digitalem Zentralbank-Geld (Central Bank Digital Currency, CBDC) auseinanderzusetzen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) beschäftigt sich seit 2018 mit dem Thema CBDC. Treiber war hier vor allem die Ankündigung von Meta, ehem. Facebook, einen durch den Euro gedeckten Stablecoin, erst Libra, dann Diem, zu emittieren. Einer Großzahl an Bürgern die Möglichkeit zu geben, mit digitalem Geld, das durch Reserven gedeckt ist, Transaktionen durchzuführen, versprach nicht nur großes Interesse bei den Nutzern, sondern auch die Gefahr der Abwanderung der Bürger vom Bargeld in die digitale Geldwelt.

Warum die Abwanderung in digitale Währungen ein Risiko bergen würde

Vorrangiges Ziel der EZB ist es die Preisstabilität zu gewährleisten. Neben der Festlegung der Geldpolitik muss sie diverse Aufgaben erfüllen, u.a. die Förderung des reibungslosen Funktionierens von Zahlungssystemen. Wenn nun Zahlungssysteme von privaten Anbietern durch den Bürger häufiger genutzt werden, kann die Zentralbank diese Aufgaben nur noch unter erschwerten Bedingungen erfüllen.

Neben der Ankündigung des Stablecoins von Meta, hatte der Markteintritt diverser weiterer digitaler Zahlmethoden, z.B. Paypal, ApplePay Master- und Visa Card Einfluss auf die Entscheidung der EZB.

Auch diese Lösungen sind Angebote von privatwirtschaftlichen Unternehmen, die als Ziel üblicherweise Gewinnmaximierung haben und sich ihre Lösungen mal mehr mal weniger teuer bezahlen lassen. Durch ihre Nutzerfreundlichkeit werden diese jedoch, laut einer Studie der EZB, bei den Bürgern immer beliebter.

Projekt zum digitalen Euro

Wenn wir uns diese Entwicklungen anschauen, dann ist es nicht überraschend, dass sich die EZB 2021 entschieden hat, das digitale Euro Projekt ins Leben zu rufen und zu prüfen, ob und wie ein digitaler Euro in den Eurosystem-Ländern eingeführt werden könnte. Mittlerweile befinden wir uns, nach der Untersuchungsphase, bereits in der nächsten Projektphase, der Vorbereitungsphase.

Parallel zu den Projektaktivitäten der EZB hat die Europäische Kommission einen ersten Gesetzesentwurf zur Einführung eines digitalen Euro im Sommer 2023 veröffentlicht. Sowohl der Gesetzesentwurf als auch erste Projektveröffentlichungen und Berichte der EZB geben Einblick in die Gedankenspiele, die die Akteure hinter verschlossener Tür durchspielen.

Deutlich wird, dass den Geschäftsbanken weiterhin die Rolle des „Intermediärs“ zu teil werden soll. Laut EZB also vergleichbar mit der Rolle beim Bargeld, das vornehmlich durch die Geldautomaten der Geschäftsbanken in den Umlauf kommt.

Wie die Umsetzung jedoch konkret aussehen soll, wer die Kosten tragen wird und wieviel Zeit und Ressourcen in die Einführung eines digitalen Euro fließen soll ist noch offen für Diskussion.

Sicht des BVR auf auf den digitalen Euro

Hierzu habe ich mit Felix Haeusler, Referent für den Digitalen Euro des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) gesprochen.

Er ist beim BVR zuständig für den Digitalen Euro und alle Themen, die damit zusammenhängen. Zu seinen Aufgaben gehört das Projektmanagement und die Koordination aller Tätigkeiten zum digitalen Euro innerhalb der Genossenschaftlichen FinanzGruppe (GFG), die Begleitung des politischen Prozesses zum Digitalen Euro in Berlin und Brüssel und der Aufbau und die Steuerung der Strukturen zur inhaltlichen Begleitung des EZB Rulebooks für die GFG.

Während unseres Interviews haben wir zwei Szenarien mit ihren Vor- und Nachteilen beleuchtet und diskutiert:

  • Die Umsetzung des digitalen Euro als Zahlungssystem – wonach die aktuellen Entwicklungen und Veröffentlichungen der EZB aussehen.
  • Die Umsetzung des digitalen Euro als Zahlungsmittel (z.B. als Token) – seiner Meinung nach, die sinnvollere Form einen digitalen Euro umzusetzen.

Was ist der Unterschied und wie wirkt sich dieser Unterschied aus?

Der digitale Euro als Zahlungssystem

Die Veröffentlichungen aus dem Digitalen Euro Projekt der EZB wie z.B. die Berichte der Rulebook Development Group, aber auch die Anfang Januar veröffentlichten Ausschreibungen rund um den digitalen Euro zeigen, dass die EZB aktuell eher an einer neuen Infrastruktur arbeitet, mit der innerhalb des Eurosystems – unabhängig von anderen Zahlungsinfrastrukturen – gezahlt werden kann.

So sagen Sie im Rulebook, „the Eurosystem is designing a digital euro payment scheme“ und bilden diese auch in ihrem letzten Bericht als IT-Infrastruktur ab.

Haeusler ist der Meinung, dass in einer solchen Ausgestaltung als Zahlungssystem der digitale Euro als staatliche Lösung in den Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Zahlungssystemen (z.B. SEPA, EPI/wero) treten würde. Er argumentiert: „Für den Aufbau dieser Doppelstruktur, quasi einer Autobahn neben der Autobahn, wird die EZB und damit die europäischen Steuerzahler vermutlich zweistellige Milliardenbeträge aufwenden. Und das, obwohl der Aufbau dieser Doppelstruktur (Digitaler Euro als Zahlungssystem) für die Erreichung der Ziele der EZB, nämlich Stärkung der europäischen Souveränität und Sicherstellung eines Zugangs zu Zentralbankgeld im digitalen Zeitalter, weder notwendig noch sinnvoll ist.“

Im bestehenden Prozess ist die Rolle der Banken noch nicht abschließend geklärt. Aktuell sieht es so aus, dass Banken als Intermediäre fungieren werden, die sogenannte „Core Services“ kostenlos anbieten müssen. Wie die dafür entstehenden Kosten durch die EZB möglicherweise beglichen werden, ist offen. Neben den „Core Services“ sind ebenfalls „Optional Services“ für Intermediäre vorgesehen, welche sie dann jedoch bepreisen dürfen.  „Die EZB greift damit in einen funktionierenden Payments-Markt ein und läuft Gefahr, durch zentral festgelegte Preise unter Marktniveau, private Akteure zu verdrängen“, so Haeusler. Das würde, seiner Meinung nach, langfristig der europäischen Souveränität sowie Innovationskraft schaden.

Der digitale Euro als Zahlungsmittel

Doch trotz seiner Kritik betont Haeusler, dass der digitale Euro Mehrwerte für alle Stakeholder schaffen und langfristig die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken kann. Dafür sei jedoch statt dem Aufbau von Parallelstrukturen durch ein neues Zahlungssystem, eine Ausgestaltung als Zahlungsmittel – analog zum bestehenden Bargeld – erforderlich.

Seiner Meinung nach sollte die EZB sich auf ihr Mandat als Zentralbank konzentrieren und weiterhin Geld als Einheit ausgeben, nur eben digital statt in Form von Scheinen und Münzen. Dies wäre beispielsweise möglich, wenn der digitale Euro als Token herausgegeben würde. Dieser ließe sich z.B. über Bluetooth oder NFC entweder von Smartphone zu Smartphone (Peer-to-Peer) oder an der Ladenkasse von Kunde zu Händler übertragen, ohne dass eine weitere Partei dies nachverfolgen kann. So wäre eine bargeldähnliche Privatsphäre auch beim digitalen Bezahlen möglich. Der digitale Euro ließe sich als Zahlungsmittel auch in bereits existierende (privatwirtschaftliche) Zahlinfrastrukturen einbetten und könnte als Interoperabilitätslayer eine einheitliche Nutzbarkeit in ganz Europa sicherstellen. Zahlungen wären sowohl online als auch offline problemlos möglich.

Die Bank würde in diesem Szenario weiterhin als (Geld-)Verteiler agieren, der dem Bürger die Möglichkeit gibt, den digitalen Euro „herunterzuladen“. Zusätzlich könnten Banken in diesem Szenario kundengerechte „Value Added Services“ entwickeln und als vertrauensvoller Ansprechpartner für den Kunden vor Ort agieren.

Schauen wir nun jedoch noch einmal auf die aktuellen Diskussionen rund um den digitalen Euro und die damit zusammenhängenden Herausforderungen für Banken. Haeusler sieht für die Genossenschaftsbanken vor allem drei Herausforderungen:

  • Den Einlagenabfluss von Giralgeld in den digitalen Euro,
  • die veränderte Rolle der EZB sowie
  • die Kannibalisierung bestehender Zahlungsverkehrslösungen.

Umstrittendes Haltelimit eines digitalen Euro

Häusler meint, dass ein Haltelimit für einen Digitalen Euro zwingend erforderlich sei, um die Kreditvergabefähigkeit der Institute sowie die Finanzmarktstabilität zu gewährleisten. Aktuell herrscht lebhafte Diskussion um die Höhe dieses Haltelimits. Verschiedene Beträge stehen dafür im Raum. Ziel des Haltelimits ist laut EZB die Begrenzung des Einlagenabflusses bei den Banken, d.h. die Umwandlung von Giralgeld in den digitalen Euro.

Der BVR hat hierzu eine interne Studie auf Basis von Echtdaten von 350 Instituten durchgeführt, welche quantitativ die Auswirkungen verschiedener Haltelimite (500€-3.000€) auf die Liquiditätsdeckungsquote (LCR) untersucht hat.

Die Studie mit Stichtag 01.03.2023 zeigt, dass ein Haltelimit i.H.v. 500€ zwar zu einer Verschlechterung der LCR fast aller Banken führen könnte, diese Verschlechterung jedoch nur in Einzelfällen zu einer Unterschreitung der Mindestquote von 100 Prozent führt. Entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen könnten demnach diesen Effekten erfolgreich entgegenwirken.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass ein Haltelimit i.H.v. 1.500€ dazu führen könnte, dass ca. die Hälfte der Banken unter die Schwelle von 100 Prozent der LCR fallen könnten, was eine entsprechende Gegensteuerung oder eine Umstellung der Refinanzierung erforderlich machen würde. Die Konsequenz eines Haltelimits i.H.v. 1.500€ wäre also vermutlich eine Verknappung und Verteuerung von Krediten sowie ein erheblicher Aufwand bei der Aufsicht, welche die Wiederherstellung der Erfüllung der LCR-Mindestquote begleiten muss.

Durch den Einlagenabfluss und die damit verbundene Verknappung und Verteuerung von Krediten wären Investitionen in der Realwirtschaft nur noch in geringerem Umfang möglich. Somit sind auch dringend erforderliche Investitionen, z.B. in Klimaschutz oder Digitalisierung, nur noch erschwert möglich.

Veränderung der Rolle der EZB

Hinzu kommt, seiner Meinung nach, die Veränderung der Rolle der EZB vom Geldemittenten zum Payment Provider. Als staatlicher Akteur, der unter anderem durch Steuergelder finanziert wird, kann die EZB Preise unter Marktniveau festlegen und so den Druck auf Margen im Zahlungsverkehr erhöhen. Das würde die Investitionsbereitschaft in innovative Zahlungsverkehrslösungen durch die Privatwirtschaft schmälern und die Produktvielfalt und Innovation für den Endkunden verringern.

Als ungeklärt benennt er auch die Finanzierung und Umsetzung der geplanten neuen Zahlinfrastruktur der EZB. Sie birgt nicht nur ein hohes Maß an Komplexität, sondern erfordert auch die permanente Beaufsichtigung und Abwicklung der Transaktionen. Die geplanten Aufgaben der Intermediäre in dieser neuen Infrastruktur sind bereits jetzt vielfältig und aufwendig.

Was bedeutet dies für Geschäftsbanken?

In dem Interview hat Haeusler die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen rund um den digitalen Euro aus Sicht des BVR dargestellt. Doch sind die Herausforderungen und Ansichten für alle Banken gleich? Jein! Je nach Kunden- und Einlagenstruktur können die Auswirkungen bei der Einführung eines digitalen Euro variieren.

So könnte eine kleinteiligere Kundenstruktur beispielsweise zwar mehr Aufwand beim Onboarding der digitalen Euro-Nutzer bedeuten, gleichzeitig jedoch auch mehr Möglichkeiten bieten die Kundenbindung zu intensivieren und durch sogenannte „Value added services“ zusätzliche Einnahmequellen zu generieren.

Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion rund um die Haltelimite und ihre Auswirkungen. Neben den Genossenschaftsbanken sind auch andere Retail-lastige Banken betroffen, denn durch die Kundenstruktur, welche i.d.R. viele kleinere Privateinleger umfasst, wird der Einlagenabfluss zu einer größeren Gefahr.

Auch die EBF (European Banking Federation) hat die Auswirkungen von Einlagenabfluss durch den digitalen Euro untersucht und kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis.

Und nun?

Es ist klar, dass die EZB an einem Großprojekt mit viel Tragweite arbeitet und den Banken – als Intermediäre – eine entscheidende Rolle zuteilwird. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sie sich frühzeitig mit dem digitalen Euro Projekt beschäftigen und ihre potenzielle Rolle herausfinden.

Folgende Vorgehensweise wäre, meiner Meinung nach, daher sinnvoll:

  • Informationen zum „Digitaler Euro -Projekt“ sammeln:
    • Wie ist der aktuelle Stand?
    • Welche Akteure gibt es?
    • Welche Themen werden diskutiert?
  • Analyse + Bewertung der eigenen Rolle in dem neuen System:
    • Wie ist die eigene Kundenstruktur?
    • Wie ist die eigene Organisationsstruktur?
    • Worauf basiert das eigene Geschäftsmodell bzw. wie ist die Ertragsstruktur?
    • Welche Rolle resultiert aus der Analyse?
  • Überprüfung des Handlungsbedarfs
    • Welche Einflussmöglichkeiten gibt es wann an welcher Stelle?
    • Welche vorbereitenden Maßnahmen können getroffen werden?

Mithilfe der Antworten können dann neben den Herausforderungen auch Handlungsbedarf und Potenziale entwickelt werden und so eine bestmögliche Vorbereitung auf die Einführung eines digitalen Euro getroffen werden.

Über den Autor

Anne-Sophie Gógl

Anne-Sophie Gógl ist Managerin im Bereich Financial Services Management Consulting bei KPMG und Expertin für die Entwicklungen rund um regulierte digitale Geldformen, insbesondere CBDC (Centralbank Digital Currency) in der Retail und Wholesale- Variante, MiCA regulierten Stablecoins und Giralgeldtoken. Sie ist zudem im Vorstand der Digital Euro Association (DEA).

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