Regulierungsflut durch Moratorium Einhalt gebieten

Steigende Eigenkapitalanforderungen belasten Kreditvergabe

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Die seit Jahren laufende Regulierung des Bankensektors nimmt kein Ende. Das belastet dessen Leistungsfähigkeit und sorgt für ein von Politik und Regulierungsbehörden induziertes Abwandern traditionellen Bankgeschäfts in wenig oder gar nicht regulierte Bereiche.

Zunehmende Regulierung belastet die Banken

Die zunehmende Regulierung belastet Banken und Sparkassen auch im Hinblick auf die Kreditvergabe.

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Dass als Lehre aus der globalen Finanzkrise in den Jahren 2007/2008 die Bankenregulierung enger geschnürt werden musste, ist unstrittig. Vor allem höhere Kapital- und Liquiditätsanforderungen waren dabei wichtige und zielführende Maßnahmen. Der Bankensektor ist heute gut kapitalisiert und resilient. Das zeigen nicht nur die diversen Krisen der vergangenen Jahre. Auch Regulierer und Aufsichtsbehörden bestätigen das öffentlich.

Unerklärlich deshalb, wieso trotz dieser Erkenntnis immer weiter reguliert wird und die Kapitalanforderungen immer weiter angehoben werden. Schon heute werden Banken so in ihrer Kernfunktion behindert, die Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen. Jede weitere Kapitalanforderung verschärft diese Situation – und stellt so zunehmend zentrale politisch erdachte Projekte in Frage, wie die nachhaltige Transformation oder die dringliche Schaffung bezahlbaren Wohnraums, die immense Investitionen erfordern und wohl oder übel irgendwie finanziert werden müssen.

Bei Regulierung bedeutet mehr nicht automatisch besser

Es ist bemerkenswert, dass innerhalb von 15 Jahren nicht einmal eine kritische Bestandsaufnahme der geschaffenen Bankenregulierung stattgefunden hat – und ebenso wenig ein Abgleich mit der Regulierung anderer Bereiche des Finanzsektors. Wirken die Maßnahmen? Wie wirken sie? Sind sie untereinander konsistent oder behindern sie sich? Lösen sie ungewollte Ausweicheffekte aus? Stimmt die generelle Richtung? Man weiß es nicht.

Ein Regulierungsmoratorium tut deshalb Not – verbunden mit einem Impact Assessment und einer anschließenden Neujustierung der bestehenden Regulierung. Und es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass mehr Regulierung nicht automatisch auch bessere Regulierung ist, schon gar nicht angesichts des heute erreichten Regulierungsumfangs.

Nicht im Sinne der Finanzstabilität

Leider ist genau das aber nicht in Sicht. Gesetzgeber, Regulierer und Aufseher im Rahmen ihrer Aufsichtspraxis feilen an immer neuen regulatorischen Vorgaben für Banken, die die Institute sowohl administrativ als auch kostenmäßig belasten: Stark steigende Eigenkapitalanforderungen im „Basel Endgame“. Makroprudenzielle Instrumente, die die EK-Anforderungen an Banken weiter erhöhen. Tausende von Seiten überkomplexer Sustainable Finance-Regulierung, deren Anspruchsniveau heute faktisch nicht erfüllbar ist, weil man sich regulatorisch fast ausschließlich auf den politisch erwünschten Endzustand anstatt auf den Weg dorthin fokussiert.

Dass all das der Stabilität des Finanzsystems insgesamt dient, die Politik und Regulierung so gerne als übergreifendes Ziel ihrer Regulierungsprojekte bemühen, darf bezweifelt werden, zumal dann, wenn man sich so einseitig auf einen Sektor – die Banken – konzentriert, wie das seit Jahren passiert.

Denn werden vergleichbare Risiken an unterschiedlichen Stellen des Finanzsystems unterschiedlich reguliert, wandert Geschäft dorthin ab, wo die regulatorische Belastung geringer ist. Eigentlich ist das eine Binsenweisheit, es lässt sich historisch vielfach besichtigen. Handlungsleitend war diese Erkenntnis leider offenkundig nicht.

Überregulierung schafft nicht mehr Sicherheit

Dabei gibt es zahlreiche anschauliche Beispiele dafür. So haben sich Banken als Folge der verschärften Regulierung schon lange aus den risikoreicheren Teilen der Immobilienfinanzierung zurückgezogen. Sie finanzieren heute mit deutlich geringeren LTVs als vor 2008 und unterlegen ihr Geschäft zugleich mit deutlich mehr Eigenkapital. Das hat sie zweifellos stabiler gemacht, wie die diversen Krisen der vergangenen Jahre eindrücklich belegen, und ist insoweit auch grundsätzlich zu begrüßen.

Den Fremdkapitaleinsatz im System der Immobilienfinanzierung insgesamt hat all das allerdings nicht gesenkt. Die Finanzierungslücke, die Banken in den risikoreicheren Ausläufen hinterlassen haben, haben andere Akteure gefüllt, die nicht oder zumindest nicht in gleicher Weise reguliert werden – Stichwort u. a. „private debt“. An Kapital für ihre Finanzierungen mangelte es diesen alternativen Anbietern in der langjährigen Niedrigstzinsphase nicht. Zu groß war der Druck auch auf traditionell sicherheitsorientierte institutionelle Anleger, sich neue Anlageklassen zu erschließen, um ihre Renditeversprechen erfüllen zu können.

Was das auslöst, wenn dann die Zinsen nicht mehr fallen, sondern steigen, und in der Folge Immobilienpreise unvermeidlich fallen und nicht mehr steigen und Investoren in Schwierigkeiten geraten, lässt sich gerade live beobachten. Nicht umsonst ist einer der ehernen Grundsätze des deutschen KWG, dass Kreditgeschäft Bankgeschäft ist und deshalb einer entsprechenden Lizenz und Aufsicht bedarf. Leider scheint er bei Politik und Regulierern in Vergessenheit geraten zu sein.

Politische Ziele konterkariert

Auch jenseits der Wirkung auf die Finanzstabilität lässt sich über den Sinn der fortgesetzten Bankenregulierung trefflich streiten. Die Politik in Deutschland und Europa hat sich ambitionierte Ziele gesetzt, die sie in vergleichsweise kurzer Zeit umsetzen möchte – bzw. besser: muss, weil die Dringlichkeit unbestritten hoch ist. Der EU-Green Deal einschließlich der Sanierung des gesamten Gebäudebestands der EU im Rahmen der so genannten „Renovation Wave“, aber auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum hierzulande sind prominente Beispiele.

Um diese Projekte zu realisieren, bedarf es immenser Finanzierungsmittel. Wesentliche Teile davon werden von privaten Kapitalgebern bereitgestellt werden müssen. Banken kommt dabei in Europa seit jeher die zentrale Rolle zu. Nur: Wie sollen sie ihrer Rolle im notwendigen Umfang gerecht werden, wenn ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe durch Regulierung immer weiter beschränkt wird?

Immobilien-Projektfinanzierungen der Banken unter Basel III

Ein besonders krasses Beispiel für den inzwischen erreichten Disconnect zwischen politischer Vision und regulatorischer Realität ist die gerade verabschiedete EK-Behandlung von Immobilien-Projektfinanzierungen durch Banken unter Basel III. Für die Umsetzung des politischen Ziels einer energetischen Sanierung des Gebäudebestands innerhalb weniger Jahre sind genau derartige Finanzierungen in hohen Volumina unerlässlich. Allerdings werden sie künftig mit einem Risikogewicht von 150 Prozent belegt – und damit behandelt wie ein ausgefallener Kredit. Dass dies die Hebung des unabdingbaren privaten Kapitals erleichtert, darf als fraglich gelten.

Alle politischen Versuche, andere Finanzierungsformen und -wege – etwa über den Kapitalmarkt oder über spezielle Fondslösungen – in nennenswertem Umfang zu etablieren und so die Dominanz der Banken als Finanzierungsgeber in Europa zumindest ansatzweise zu reduzieren, sind bislang gescheitert. Und so begrüßenswert es ist, dass man sich nun vor dem Hintergrund der anstehenden Herausforderungen politisch erneut dazu bekennt, die Kapitalmarktunion innerhalb der EU endlich zu vollenden – das wird dauern und jedenfalls kurzfristig nicht die benötigten Finanzierungsmittel generieren können.

Regulierung braucht neue Impulse

Es ist an der Zeit, dass Gesetzgeber und Regulierer die Wirksamkeit der Bankenregulierung der letzten 15 Jahre anerkennen und das Regelwerk einer ergebnisoffenen Prüfung unterziehen, statt fortwährend weiter an belastenden Regulierungsmaßnahmen zu arbeiten. Da sie der Kreditwirtschaft heute unisono bescheinigen, ausreichend kapitalisiert, liquide und damit resilient zu sein, ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, mit der Überprüfung bestehender und einem Moratorium über neue Regulierungsmaßnahmen entscheidende Impulse zu setzen.

Gerade in Zeiten großer Finanzierungserfordernisse u. a. für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft und die gesellschaftspolitisch so dringend nötige Schaffung von bezahlbarem Wohnraum dürfen Kreditinstitute nicht weiter in ihrer Kernaufgabe beschränkt werden, die Realwirtschaft mit Finanzierungsmitteln zu versorgen.

Über den Autor

Jens Tolckmitt

Jens Tolckmitt ist Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp). Der Diplom-Volkswirt war zuvor Geschäftsführer des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland und in verschiedenen Funktionen für den Verband deutscher Hypothekenbanken, die Vorgängerorganisation des vdp, tätig.

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