Künstliche Intelligenz wird oft als Co-Pilot der menschlichen Arbeit bezeichnet. Sie soll Menschen unterstützen, nicht ersetzen. Doch die schnelle Weiterentwicklung generativer KI lässt erste Zweifel an diesem Modell aufkommen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat vor einigen Monaten in einer Studie vorausgesagt, dass 60 Prozent der Arbeitsplätze in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften von KI betroffen sein werden. Die Arbeitsplätze wurden in zwei Hauptkategorien eingeteilt:
- Arbeitsplätze mit hoher Komplementarität zu KI würden zunehmen.
- Arbeitsplätze mit geringer Komplementarität zu KI würden wegfallen.
Laut IWF fallen etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in die eine oder die andere Kategorie. Um den richtigen Weg zu finden, wie sich menschliche und KI-Arbeit ergänzen, brauche es Zeit und Experimente.
Bis es soweit ist, verbindliche Aussagen über das Zusammenspiel von Mensch und KI treffen zu können, gibt es verschiedene Modelle, dieses Zusammenspiel zu beschreiben.
KI als Co-Pilot des Menschen
Eines davon ist das Modell eines Ko-Piloten. Microsoft ist ein namhafter Vertreter dieses Modells und bezeichnet jetzt alle seine KI-Tools als „Copilot“. Durch KI soll es demnach möglich sein, intelligenter, produktiver und kreativer zu arbeiten und mit Menschen und Dingen im Alltag in Verbindung zu bleiben. Der Co-Pilot passt sich intelligent und ortsungebunden an die Bedürfnisse des Menschen an.
Künstliche Intelligenz soll Menschen bei ihren Aufgaben unterstützen, indem sie Informationen bereitstellt, komplexe Berechnungen durchführt und kreative Vorschläge macht. Dabei arbeite die KI als Partner, der die menschlichen Fähigkeiten ergänzt, anstatt sie zu ersetzen, und so die Effizienz und Effektivität in verschiedenen Anwendungsbereichen steigert. Diese Zusammenarbeit soll es ermöglichen, schnellere und präzisere Entscheidungen zu treffen und innovative Lösungen zu entwickeln.
Es dürfte interessant sein, zu sehen, wie sich die Rolle von „Co“ im Co-Pilot-Modell weiterentwickelt, insbesondere wenn die Entwicklung der KI-Tools weiterhin so schnell voranschreitet. Kürzlich erst hat Meta Llama 3 veröffentlicht, und die Veröffentlichung von GPT-5 durch OpenAI wird ebenfalls demnächst erwartet. Experten erwarten auch weiterhin schnelle und gravierende funktionale und inhaltliche Verbesserungen.
Zentaur-Modell von KI
Auf lange Sicht gewinnt der Zentaur. Und an diesem Punkt müssen Sie sich entscheiden, ob Sie der Mensch an der Spitze sein wollen oder derjenige, der auf das Hinterteil des Pferdes schaut. – Brian Westover PCMag
Eine weitere KI-Analogie ist das „Zentauren“-Modell, das durch Garri Kasparow bekannt wurde. Nachdem der Schachgroßmeister 1997 im berühmtesten Match Mensch gegen Maschine gegen IBMs Big Blue verlor, zog er sich nicht ganz aus dem Schach zurück, sondern gründete ein neues Mensch-Maschine-Team, das er Centaurs nannte. Seiner Überzeugung nach kann ein Team, das die Fähigkeiten von Mensch und Computer kombiniert, eine bessere Leistung erbringen als jeder Einzelne.
Steve Jobs Fahrradmodell
Ein drittes Modell zieht eine Parallele zwischen Künstlicher Intelligenz und einem Fahrrad. Es geht auf Steve Jobs zurück, auch wenn KI zu seinen Lebzeiten bei weitem nicht die heutige Bedeutung hatte.
Der Applegründer beschrieb den Personal Computer einst als „Fahrrad für den Geist“. Die Metapher sollte verdeutlichen, dass Menschen, obwohl sie in Geschwindigkeit und Energieeffizienz von vielen Tieren übertroffen werden, mit einem Fahrrad alle anderen übertreffen können.
In seiner Vorstellung und in mehreren darauf folgenden Apple-Werbespots war die Botschaft klar: Menschen sind Werkzeugnutzer, und bessere Werkzeuge machen sie zu besseren Menschen. Technologische Innovationen verbessern unsere natürlichen Fähigkeiten und versetzen uns in die Lage, effizienter und kreativer zu sein.
KI bietet uns nun ein neues, um vieles leistungsfähigeres Fahrrad. Wir tauschen das große Vorderrad des Hochrads gegen Gangschaltungen, Scheibenbremsen, stoßdämpfende Gabeln und Rahmen sowie GPS-Navigation aus. Wie beim echten Fahrrad entwickeln sich diese Werkzeuge rasch weiter. Dennoch muss der Mensch immer noch treten und das Fahrrad lenken; KI-Werkzeuge müssen von menschlichem Denken und menschlicher Kreativität angetrieben werden. Das Fahrrad hilft dem Menschen lediglich, schneller voranzukommen.
KI und die Auswirkungen auf menschliche Arbeit
Das MIT hat vor kurzem ein kontrolliertes Experiment zur Produktivität von KI in der Softwarebranche durchgeführt – eines der Kernbereiche für die Nutzung von KI. Demnach konnten Github-Programmierer, die von KI unterstützt wurden, ihre Arbeit um 55 Prozent schneller abschließen als diejenigen, die keine KI nutzen. Die Hälfte des Codes, den die Nutzer von Github-Copilot produzieren, ist bereits KI-generiert.
Noch allerdings ist offen, wer letztlich von den 55 Prozent Produktivitätssteigerung profitieren wird und ob sie letztlich tatsächlich zu mehr sinnvoller Arbeit führt.
Niemand weiß derzeit wirklich genau, wie sich KI auf die Zukunft der Arbeit auswirken wird:
- Werden KI-Tools eher als Ermöglicher oder als Ersatz dienen?
- Und für welche Aufgaben, Berufe und Organisationen?
Bei aller Euphorie erscheint es wesentlich, dass der Mensch letztlich über seine Rolle und Zukunft selbst entscheiden muss. Es bleibt – einmal mehr – die Hoffnung, dass diese Entscheidung in weiser Voraussicht erfolgt und Technologie tatsächlich zum Nutzen der Menschheit eingesetzt wird.