Die sinkende Bedeutung von Bargeld als einst wichtigstes Zahlungsmittel ist nicht mehr zu übersehen. Die Diskussion um dessen Zukunft wird emotional geführt, aber Sachlichkeit ist gefragt. Ein Blick auf Hintergründe und Handlungsempfehlungen für Banken.
Während das Bargeld in den meisten europäischen Ländern deutlich auf dem Rückzug ist, bleibt es vor allem in Österreich und Deutschland noch immer die beliebteste Zahlungsmethode. Aber auch hier sind kontaktlose Zahlungen mit Smartphone oder Karte weiter auf dem Vormarsch und die Bedeutung von Bargeld als Zahlungsmittel sinkt stetig.
Die generell sinkende Bargeldnachfrage wird von deutschen Banken durch den Abbau kostenintensiver Filialen und Geldautomaten befeuert. Dadurch entsteht eine Abwärtsspirale aus sinkendem Bargeldangebot und -nachfrage bei gleichzeitiger Substitution durch alternative Zahlungsmethoden.
Filialbanken suchen in dieser Situation die Balance zwischen Kundenzufriedenheit, betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit und den Chancen der Digitalisierung (konkret digitaler Zahlungsmittel).
Isoliert betrachtet ist dieser Zielkonflikt nur schwer aufzulösen. Daher werden im Folgenden die Hintergründe, Auswirkungen und mögliche Optimierungsansätze betrachtet.
Hintergrund der sinkenden Bargeldnachfrage
Die 2024er Zahlen des EHI bestätigen, was alle schon ahnten. Die Verwendung von Bargeld im stationären Einzelhandel geht weiter zurück. Während die Bargeldnutzung in der Post-Corona Zeit wieder leicht anzog, zeigen die Zahlen für 2023 einen Rückgang um 2 Prozent auf lediglich noch 35,5 Prozent. Im Gegenzug stiegen die Transaktionen internationaler Debitkarten deutlich von 2,9 auf 4,1 Prozent. Die enge Korrelation zwischen dem Anstieg kontaktloser Zahlungsmittel und dem Rückgang des Bargeldangebots scheint offensichtlich.
Eine Studie des Digitalverbands Bitkom unterstreicht dies, wonach im Jahr 2024 fast 60 Prozent der Deutschen mindestens einmal per Smartphone oder Smartwatch an der Kasse bezahlt haben.
Eine wichtige Ursache für diese Entwicklung ist die offensichtliche Win-Win-Situation zwischen Kunde und Handel. Die Bequemlichkeit kontaktloser Zahlungen für den Konsumenten geht mit beschleunigten Transaktionen im Einzelhandel einher. So steigen zunehmend auch hartnäckige Bargeldakteure, wie Bäcker, Fleischer oder Behörden, auf kontaktlose Zahlungen um.
Bargeld geht zurück, verschwindet aber nicht
Es könnte für Banken so schön sein: Karten, Mobile Payment und später der digitale Euro lösen das Bargeld ab, Kassen und Geldautomaten werden abgebaut und die kostenintensive Bargeldversorgung wird durch lukrative Transaktionen per Karte oder mobilen Geräten substituiert.
Leider wird diese für Banken rosarote Welt nicht kommen. Der Rückgang von Münzen und Noten wird sich fortsetzen, aber bei weitem nicht zu einer Einstellung des Bargelds führen. Zu stark ist es in der deutschen Kultur verankert und zu wichtig sind seine Funktionen als einfaches, anonymes Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel sowie als Krisenwährung. Zudem ist Bargeld im Rahmen der finanziellen Bildung und zur finanziellen Inklusion unentbehrlich.
Entsprechend schwer fällt es auch der Politik, eine klare Richtung zu finden. Auf der einen Seite wird z.B. die Verwendung von Bargeld mit der Einführung der EU-Grenze von 10.000 € als Maßnahme zur Bekämpfung der Geldwäsche stärker reguliert – und damit eingeschränkt. Auf der anderen Seite bezeichnet die Bundesregierung Bargeld als „…die zentrale Geldform unserer freiheitlichen Gesellschaft”.
Was heißt das für Filialbanken?
Mein Rückschluss hieraus ist: Bargeld wird die Banken noch lange begleiten! Was bedeutet das konkret für die Institute?
Zunächst einmal haben Filialbanken von der zurückgehenden Bargeldnachfrage profitiert:
- Der häufig mit einer Filialschließung einhergehende Abbau von Geldautomaten und Kassen führte in vielen Banken bereits zu deutlichen Kosteneinsparungen.
- Weniger Automaten bedeuten auch eine Reduzierung des Risikos krimineller Sprengungen, die neben unkalkulierbaren Risiken auch hohe Kollateralschäden und Kosten mit sich bringen.
Doch sehr schnell können sich diese positiven Aspekte für Filialbanken umkehren, wenn:
- der individuell gesteuerte Abbau von Filialen, Kassen und Geldautomaten durch Banken Lücken in das Versorgungsnetz reißt. Gerade in strukturschwachen Gebieten reagieren die Politik und Presse häufig empfindlich.
- Kunden in Regionen mit reduzierter Bargeldversorgung aufgrund fehlender Bindung leichter durch digitale Wettbewerber und Neobanken abgefischt werden.
- den für das Bankgeschäft besonders wichtigen Unternehmenskunden, wie insbesondere Einzelhändlern, keine adäquate Bargeldver- und entsorgung angeboten werden kann.
- der Einzelhandel das zunehmend stärker frequentierte Cashback-Verfahren nicht mehr zu gleichen Konditionen anbieten kann oder will.
- die Stückkosten für Bargeldtransaktionen aufgrund geringer ausgelasteter Zentralsysteme und Wertelogistik überproportional steigen.
Die kostenintensive Bargeldversorgung erfordert zunehmend effiziente Prozesse und IT-Lösungen. Skaleneffekte können nur über eine hohe Auslastung bestehender Front- und Backendsysteme erreicht werden – diese leidet aber häufig unter einem hektischen Rückbau der Endgeräte. Eine moderne und effiziente Wertelogistik kann ihre Stärken ebenfalls nur in einem dichten Netz an Kassen und Geldautomaten ausspielen. Diesen Herausforderungen und komparativen Kostennachteilen kann frühzeitig begegnet werden. Jedes Institut kann dabei für sich Maßnahmen einleiten, der weitaus größere Hebel ergibt sich allerdings über kollaborative Ansätze.
Lösungsansatz zur Reduzierung negativer Effekte der sinkenden Bargeldquote für Banken
Ich zähle zu den klaren Befürwortern einer übergreifenden Bargeldversorgung nach internationalem Vorbild. In den Niederlanden wird z.B. die Bargeldversorgung über den zentralen Betreiber Geldmaat konsolidiert für die Banken ING, Rabobank und ABN-AMBRO angeboten. Dieses Joint Venture betreibt nicht nur Geldautomaten, sondern gut ausgebaute Cash Center mit automatisierten Aus- und Einzahlangeboten, auch für Münzgeld. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Einkauf, Allokation der Endgeräte, IT-Entwicklung, Rechenzentren und Logistik werden kosteneffizient zentral organisiert.
- Produktentwicklung und regulatorische Anforderungen werden an einer Stelle gebündelt und nicht für jedes Institut separat umgesetzt.
- Das Risiko von Geldautomatensprengungen wurde aus den Banken herausgetragen und durch neue Sicherheitsstandards signifikant reduziert.
- Bargeld ist nicht länger ein Angebot in Bankfilialen, was völlig neue Gestaltungsoptionen und Kosteneinsparungen im Filialgeschäft erlaubt.
Ein vergleichbarer, gesamtdeutscher Bargeldservice bleibt vor dem Hintergrund geschäftspolitischer Hürden im deutschen Bankenmarkt eine Utopie. Erste Schritte beschreiten bereits Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die sich auf über 400 gemeinsame Standorte für Geldautomaten verständigt haben. Diese Kooperation umfasst auch die systemseitige Interoperabilität in den Rechenzentralen der Finanz Informatik und Atruvia. Es zeichnet sich also ab, dass kollaborative Lösungen auf regionaler und sektoraler Ebene zunehmend gesucht werden. Jedes Institut kann dies aktiv (mit)gestalten und sich selbst als Initiator solcher Lösungen positionieren.
Der Aufbau oder die Teilnahme an einem zentralen Bargeldservice in Deutschland erfordert jedoch eine vorherige strategische Bewertung. Übergreifende, kollaborative Ansätze sind nur dann sinnvoll, wenn Bargeld für das jeweilige Institut nicht als wesentliches Differenzierungsmerkmal in der Kontostrategie betrachtet wird.
Fazit: Bargeld muss gemanaged werden
Der laufende Bedeutungsverlust des Bargelds erfordert ein aktives Management durch Filialbanken, um Kunden weiterhin ein adäquates Angebot bereitzustellen, keine neuen Angriffspunkte für digitale Wettbewerber zu bieten sowie politischen Eingriffen und relativen Kostennachteilen vorzubeugen. Die zentrale Bargeldversorgung nach internationalem Vorbild wäre eine gute Lösung für viele Banken und sollte stärker in den strategischen Fokus rücken. Die laufende Analyse und Optimierung des eigenen Bargeldservices bleibt unabhängig davon, gerade in Zeiten strategischer Veränderungen, unverzichtbar.