Der Kampf um die besten Mitarbeiter war gestern – heute dreht sich alles um die leistungsfähigsten Technologien. Künstliche Intelligenz hat den Fokus verschoben – und Banken müssen sich strategisch positionieren.
In den vergangenen Jahrzehnten war der Wettbewerb um Talente in der Finanzbranche der zentrale Erfolgsfaktor. Banken und Finanzdienstleister ringen seit jeher intensiv um die besten Köpfe, um sich Innovation und Wettbewerbsvorteile zu sichern. Doch die Spielregeln ändern sich.
Mit dem technologischen Fortschritt und der zunehmenden Nutzung von Künstlicher Intelligenz verschiebt sich der Fokus: Nicht mehr die besten Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg, sondern die leistungsfähigsten Technologien. Der „War of Technology” hat begonnen, und Banken müssen sich strategisch darauf vorbereiten.
Das Mitarbeiterdilemma der Finanzbranche
Der rasant steigende Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern stellt alle Unternehmen und besonders auch die Finanzbranche vor ein Dilemma. Einerseits gehen aufgrund des demografischen Wandels so viele Beschäftigte wie nie zuvor in den Ruhestand, während gleichzeitig immer weniger Arbeitskräfte auf den Markt kommen. Und die, die nachrücken, haben gute Auswahlmöglichkeiten, welche Arbeiten sie übernehmen wollen und schauen oftmals auch mehr auf Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und – wenn möglich – Homeoffice.
Auf der anderen Seite steigen die Gehälter für hochqualifizierte Fachkräfte dermaßen, dass traditionelle Gehaltsstrukturen ins Wanken geraten – wenn überhaupt noch qualifizierte Kräfte gefunden werden.
Der Kampf um technologische Fähigkeiten
In dieser Situation rückt die Frage ins Zentrum: Wie können wir den Anforderungen der modernen Finanzwelt gerecht werden, ohne den Kampf um teure Fachkräfte zu verstärken?
Die Antwort lautet; Innovative Technologie. Heute sind es technologische Fähigkeiten und die Implementierung von innovativen Lösungen, die den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten – wer die beste Technologie hat, der gewinnt, ist schneller am Markt und bietet Kunden individuellere Produkte an. Eine aktuelle Studie des McKinsey Global Institute zeigt, dass bis 2030 rund 30 Prozent der aktuellen Arbeitsstunden durch Technologie und KI automatisiert werden könnten. Insbesondere Generative Künstliche Intelligenz (GenKI) und Sprachmodelle bieten großes Potenzial, um manuelle Tätigkeiten zu automatisieren oder gänzlich anders zu gestalten und damit den Fachkräftemangel zu entschärfen.
GenKI und Sprachmodelle: Wie sie die Finanzbranche verändern
GenKI ist kein bloßes Werkzeug – sie ist ein echter Paradigmenwechsel. Sie generiert aus großen Datenmengen eigenständige Inhalte – von Texten über Bilder bis hin zu Softwarecode. Mit der Fähigkeit, große Mengen an Daten zu verarbeiten und Muster zu erkennen, die für das menschliche Auge unsichtbar bleiben, ermöglicht GenKI auch völlig neue Anwendungsfelder. Sprachmodelle, die durch maschinelles Lernen und spezifisches Domänenwissen trainiert werden, entwickeln sich mit jedem Datensatz weiter und werden zu leistungsfähigen Analysewerkzeugen, die weit über die bloße Beantwortung von Anfragen hinausgehen. Mit GenKI geht es nicht länger nur um menschliche Arbeitskraft. Die leistungsfähigsten Technologien übernehmen Aufgaben, die früher hochqualifizierte Mitarbeiter erforderten – und tun dies mit unübertroffener Geschwindigkeit, Präzision und dadurch komplett neuen Erkenntnissen.
Ersatz des Menschen durch GenKI?
Ist damit der Fachkräftemangel obsolet? Kann GenKI menschliche Intelligenz ersetzen? Die kurze Antwort lautet: Ja und Nein. Die Einführung bedeutet nicht das Ende der menschlichen Arbeitskraft. Vielmehr geht es darum, Technologie und menschliche Fähigkeiten dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert liefern können. Und diese Aufgabenbereiche dann optimal zu kombinieren.
GenKI übernimmt repetitive, manuelle Aufgaben, kann höchst effizient Datenmengen analysieren und neu interpretieren und gibt den Menschen so mehr Freiräume für kreative und strategische Tätigkeiten. Etwas technisch gesprochen: Der Mensch kümmert sich um die Semantik, die GenKI um die Syntax. In der Praxis sind Sprachmodelle wie ChatGPT daher als „digitale Kollegen“ zu verstehen, die die menschliche Arbeitskraft ergänzen – nicht ersetzen. Zumindest bis auf Weiteres…
GenKI: Der digitale Gamechanger im Bankensektor
Im Bankensektor sind diese digitalen Kollegen kein technisches Add-on – sie sind der Schlüssel zur Zukunft und werden ein ganz natürlicher Begleiter werden. GenKI kompensiert zu einem maßgeblichen Teil den Fachkräftemangel, indem sie Arbeitsprozesse auf ein neues Automatisierungsniveau hebt. Was früher im Bankensektor Unmengen an Ressourcen verschlungen hat, kann durch GenKI in vielen Fällen schnell und präzise erledigt werden.
Und das ist nur der Anfang. GenKI revolutioniert auch die Kostenstrukturen. McKinsey schätzt, dass diese Technologie das Potenzial hat, die globalen Einnahmen der Bankenbranche um 200 bis 340 Milliarden USD jährlich zu steigern, was etwa 2,8 bis 4,7 Prozent der Gesamteinnahmen entspricht. Das wird vor allem durch erhöhte Produktivität und Kosteneffizienz erreicht, speziell durch die Automatisierung von Prozessen und verbessertes Risikomanagement.
GenKI transformiert den Finanzsektor
Schon heute transformiert GenKI den Finanzsektor erheblich. Eine Umfrage unter Finanzinstituten in Deutschland, Frankreich und weiteren Ländern ergab, dass 78 Prozent der Befragten dieses Werkzeug als den nächsten großen Disruptor im Finanzsektor sehen. Eigentlich keine wirkliche Überraschung. Der Anteil derjenigen, die GenKI tatsächlich schon produktiv einsetzen ist aber um ein Vielfaches geringer, den die notwendige technische Infrastruktur muss oftmals noch etabliert werden.
Mit dieser neuen innovativen Infrastruktur sind die Anwendungsfälle aber sehr vielfältig: Im Kundenservice bieten Chatbots und virtuelle Assistenten rund um die Uhr schnelle und effiziente Hilfe, in allen Sprachen, die benötigt werden. Im Risikomanagement analysieren Sprachmodelle historische Daten und erkennen komplexe Muster, die menschlichen Analysten verborgen bleiben. Und in der Finanzberatung bereitet GenKI die Vorlagen für individuelle Angebote vor. Weiterbildungen und Trainings werden nicht mehr statisch erstellt, sondern können mit GenKI individualisiert werden, so dass Inhalte viel besser behalten werden. Das alles ist aber nur möglich, wenn die bestmögliche Technologie zur Verfügung steht!
4 Schritte der strategischen Vorbereitung auf den „War of Technology”
Dieser „War of Technology” erfordert mehr als nur den Einsatz von Technologie – er verlangt eine grundlegende Transformation der gesamten Organisation. Von der Personalpolitik über die IT-Strategie bis hin zur Unternehmenskultur – Banken müssen eine klare Vision entwickeln, wie sie Technologie als integraler Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle implementieren. Sie müssen keine Technologieunternehmen werden – auch wenn sie das vielerorts schon sind. Aber Technologie muss ein strategisches Steuerungselement sein und auch so ausgebaut und investiert werden.
Dazu sind die folgenden vier Schritte empfehlenswert:
- Veränderung der Unternehmenskultur,
- Förderung technischer Fähigkeiten,
- Integration von GenKI in den Arbeitsalltag,
- Aufbau einer modernen IT-Infrastruktur.
1. Veränderung der Unternehmenskultur: Technologie ist eine Chance, keine Bedrohung
Um den technologischen Wandel voranzutreiben, müssen Banken eine Pro-Technologie-Kultur schaffen, die Mitarbeiter motiviert und einbindet. Eine klare und transparente Kommunikation über die Vorteile der Automatisierung und die Unterstützung durch GenKI ist entscheidend, um mögliche Ängste vor Arbeitsplatzverlusten abzubauen. Führungskräfte müssen dabei als Vorbilder fungieren und die Veränderung unterstützen, offen über den Nutzen der Technologien sprechen, sie am besten auch selbst nutzen und deren Anwendung fördern.
2. Förderung technischer Fähigkeiten: Talente entwickeln, nicht ersetzen
Technologie erfordert Know-how. Banken müssen gezielt in Schulungen investieren, um Mitarbeiter auf die neuen Technologien vorzubereiten. Das kann durch Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen, interne Schulungen oder die Implementierung von On-the-Job-Learning-Programmen geschehen.
Ein Beispiel aus der LBBW ist hier die Kooperation mit KI-Labs wie dem IPAI oder dem KIT. Hier liegt der Fokus auf der langfristigen Integration von moderner Technologie in der Unternehmensstruktur, statt auf kurzfristige Lösungen.
3. Integration von GenKI in den Arbeitsalltag: Schrittweise und zielgerichtet
Die Integration von GenKI erfordert eine gut durchdachte Implementierungsstrategie. Um nicht jeder möglichen Lösung hinterherzurennen und einen Wildwuchs an technischen Lösungen zu erhalten, gilt es eine umfassende Governance zu etablieren, die sowohl die Infrastruktur als auch die Umsetzung von Anwendungsfällen koordiniert und steuert.
Der Start kann perfekt mit Pilotprogrammen in klar definierten Bereichen beginnen, um erste Erkenntnisse zu sammeln. Sollte aber nicht im typischen Proof-of-Concept Status hängenbleiben. Die Überführung in die produktive Nutzung ist erfolgskritisch.
Typische Anwendungsfelder sind einfachere Automatisierung von Kundenanfragen, Dokumentenanalysen oder Berichterstellungen. Die Pilotprogramme dienen als Lernpfad, um die Technologie in einem kontrollierten, sicheren Umfeld zu optimieren.
4. Aufbau einer modernen IT-Infrastruktur: Rückgrat der digitalen Transformation
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von GenKI ist die IT-Infrastruktur. Banken müssen sicherstellen, dass ihre Systeme nicht nur leistungsfähig genug sind, um die Verarbeitung großer Datenmengen und die Anforderungen von KI-Anwendungen zu bewältigen, sondern auch flexibel genug sind, um mit zukünftigen Entwicklungen Schritt zu halten.
Cloud-Architekturen, maschinelles Lernen und automatisierte Datenverarbeitungsplattformen müssen standardisiert und für den Bankbetrieb optimiert werden. Dazu zählt ebenso eine funktionierende API-Infrastruktur, um effizient auf Systeme und Daten, intern wie extern, zugreifen zu können. Alleine ein funktionierendes API-Gateway ist ein hochattraktiver Effizienzcase in der SW-Entwicklung.
Technologie als Schlüssel für die Zukunft
Die Finanzbranche steht am Beginn eines neuen Zeitalters – dem „War of Technology”. Während in der Vergangenheit vor allem die klügsten Talente entscheidend waren, ist heute klar: Wer die beste Technologie effektiv einsetzt und Veränderungen adaptieren kann, wird in Zukunft die Branche prägen.
Banken müssen jetzt in digitale Innovationen investieren, denn Technologiewechsel sind nicht in einem halben Jahr umsetzbar, sondern haben längere Vorlaufzeiten. In den nächsten Jahren werden wir erleben, wie GenKI in der Lage sein wird, immer tiefere Einblicke in Märkte, Kundendaten und Risiken zu liefern und neue Geschäftsfelder zu eröffnen. Nur wer heute die richtigen Weichen stellt, wird zukünftig in der Lage sein, das volle Potenzial der Technologien zu nutzen.