Die Notwendigkeit einer CEO-Perspektive auf IT, Data & AI

Technologische Veränderung als Bankvorstand strategisch nutzen

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Reicht die Perspektive der IT auf Technologiethemen aus oder sollte der Vorstand einer Bank eine unabhängige Sicht entwickeln? Effektive Steuerung und Kontrolle erfordern wenigstens eine Retained Organisation, ggf. unter Einbezug externer Experten.

Banken müssen Technologiethemen strategisch angehen

Banken müssen Technologiethemen auf Ebene des Gesamtvorstands strategisch angehen.

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Die transformative Kraft der Digitalisierung kennt kein Drei-Säulen-Modell. Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen entwickeln zwar ihr digitales Leistungsspektrum fortlaufend weiter, allerdings wird die normative Kraft des Faktischen, nämlich dem nach wie vor oft ausbleibendem notwendigen Shift der Perspektive weg vom Bankkaufmann oder Banker hin zum Technologen, wegen der revolutionären Implikationen nach wie vor ignoriert.

Trotz Veränderungen an den kunden- und beratungsbezogenen Benutzeroberflächen (Frontends), verharren die Kernbankenanwendungen oft auf dem technologischen Stand der 80er Jahre. Konstruktive Diskussionen zur Erneuerung dieser werden in den Instituten kaum bzw. oft ausschließlich technologiefokussiert geführt.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Banken (Teile ihrer) IT an zentrale IT-Dienstleister ausgelagert haben und damit nur bedingte Eigenständigkeit in der Gestaltung des digitalen Angebots verfügen.

Fehlendes strategisches IT-Verständnis

Ein strategisches Gesamtbild wird daher nach wie vor oft zu wenig auf Vorstandsebene diskutiert bzw. durch den Vorstand eingefordert. Dabei proklamierte bereits Immanuel Kant „Sapere aude!“ – frei übersetzt und an die Vorstände gerichtet: „Wage mehr von der IT zu verstehen (und wenigstens strategisch genauso viel wie Deine Experten)!“.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Konsolidierung im deutschen Bankensektor schafft ein fehlendes strategisches IT-Verständnis zusätzliche Herausforderungen für den effizienten und kundenzentrierten Betrieb der Bank. Aktuelle Auswertungen zeigen, dass bei der Reduktion der Banken bzw. der Bankfilialen im europäischen Vergleich noch weiteres Potential besteht.

Banken und Bankfilialen in Deutschland im Vergleich

Auch wenn die Anzahl der Banken abgenommen hat, weist Deutschland eine hohe Bankstellendichte auf.

Die Hintergründe für die fehlende Auseinandersetzung liegen in zwei Themenfeldern begründet:

  • Starke Partikularinteressen sowie
  • Komplexität der Umsetzung

Starke Partikularinteressen

Starke Partikularinteressen bestehen in den Bereichen Technologie, Belegschaftsfähigkeit des Wandels (z. B. Betriebsrat), sowie interne Organisations- & Berichtsstrukturen. Per Definition sind Zielbilddiskussionen nicht frei von Interessenkonflikten. Oft werden diese aber besonders beim Technikeinsatz ausgeblendet.

Komplexität der Umsetzung

Die Komplexität der Umsetzung gepaart mit einem subjektiven wie objektiven „Restrukturierungsschmerz“ führt zum einen zu gesteigertem sozialen Druck auf die Entscheider, zum anderen münden sie oft in dem absurden Versuch, Komplexität zu reduzieren und Technologie nur als reines Effizienz- und Restrukturierungsthema zu diskutieren. Die transformative Kraft zur Neuausrichtung des Geschäftsmodells und die Erschließung und Verstetigung neuer Ertragsquellen bleiben in solchen Diskussionen lässlicher Weise außen vor.

Die wichtigsten Herausforderungen in der Diskussion

Aus den Erfahrungen der letzten 15 Jahre im deutschen Bankenmarkt lassen sich drei Herausforderungen nennen, die diese oben dargestellte Zielbilddiskussion hemmen:

  1. Qualifikationslücken (Fähigkeiten & Wissen) – nach wie vor kaum tatsächliche Technologieexpertise im Vorstand.
  2. Führungsansatz (Zuständigkeitsschnitte & institutionalisierte Interessenkonflikte) und Verständnis für die Interdependenzen von Technologie, Organisation, Sourcing & Kultur.
  3. Budgetverfügbarkeit und -allokation: Transformationen werden zu häufig immer noch als Technologiethema, anstatt als integrierter Hybrid gedacht und geplant – und die Budgetallokation ist unzureichend.

Drei Fragen für den Gesamtvorstand

Aus einer strategischen Perspektive stellen sich drei koinzidente Fragen – nicht nur für die IT, sondern auch den CEO bzw. den Gesamtvorstand:

  1. Ist die Strategie oder das Geschäftsmodell durch digitale Attacke angreifbar?
  2. Welche differenzierenden Fähigkeiten werden für die strategische Positionierung benötigt?
  3. Wie sieht das optimale Zielbetriebsmodell auf dem Stand der Technik aus?

Bei der Beantwortung dieser Fragen sind neben Effizienzpotentialen auch das Thema „Wachstumsmöglichkeiten“ zu diskutieren.

Grenzen für den Chief Information Officer

Der CIO (Chief Information Officer) kann diese Fragestellung oft nicht umfassend beantworten, da er aufgrund seiner Rollenbeschreibung die Aspekte Operationalisierung und Risikomanagement im Fokus hat. Die Themenfelder Geschäfts(feld)entwicklung und Wachstum werden entweder zulasten einer Taktik der „kleinen Schritte“ nicht umfassend adressiert oder der Markt und die Innovationshoheit wird abgegeben – so insbesondere in den letzten Jahren im Bereich der FinTechs & RegTechs zu sehen. Der Zuständigkeitsschnitt des CIOs erschwert neben etwaigem mangelndem Wissen zu Ertragspotentialen und neuen Zielgruppen eine umfassende Diskussion.

Häufig sind die IT bzw. CIOs intern und operationalisierend ausgerichtet, d. h. der restliche Vorstand muss fragen:

  • „Welche Steuerungsvorgaben werden der eigenen IT gemacht und wie wird der Zuständigkeitsschnitt definiert?
  • Welche kritischen Fähigkeiten bspw. für Innovation kann die Organisation aufgrund des Zuständigkeitsschnitts nicht abbilden?“

Beide Fragen können objektiv nur im Gesamtvorstand diskutiert werden, welcher allerdings dafür entsprechend fundierte Verständnisse auch von IT und Digitalthemen benötigt oder sich diese jedenfalls einkaufen sollte. Häufig werden diese Diskussionen jedoch allein IT-intern geführt.

Lösungsansätze auf Vorstandsebene

Für den Bankvorstand ergeben sich aus den oben diskutierten Herausforderungen fünf Handlungsstränge:

  1. Adressierung der Qualifikationslücken (intern/extern),
  2. Adjustierung der Governance,
  3. Reevaluation der Geschäftsstrategie und ggf. Anpassung,
  4. Übersetzung in Transformationsprogramm und Bereitstellung von Investitionsmitteln,
  5. Verankerung in der Wertschöpfungskette.

1. Adressierung der Qualifikationslücken

Die Adressierung von Qualifikationslücken auf Vorstandsebene bedeutet die Schaffung eines soliden Grundverständnisses über alle strategisch relevanten Aspekte. Dies schließt die Themen Cloud, KI und Daten mit ein. Die klassischen „Banking-Themen“ sind nicht nur um die Perspektive Regulatorik und Compliance zu erweitern; Die Verfügbarkeit von Technologie Know-how ist umfassender geworden und lässt sich teilweise nicht einfach über die üblichen Consulting-Supportstrukturen realisieren. Benötigt wird ein dediziertes Verständnis und Erfahrung in den Bereichen technisches Lebenszyklus-Management, Unternehmens-IT-Architektur sowie Sourcingoptionen für die einzusetzenden Technologien.

2. Adjustierung der Governance

Die Führungsstruktur/Governance ist insbesondere bei Banken mit ausgelagerten Rechenzentren um eine Retained Organisation mit Fokus auf IT zu erweitern. Hierbei gibt es jedoch kaum etablierte Blueprints und Frameworks, die die Umsetzung signifikant erleichtern. Im Rahmen der Retained Organisation erfolgt die Bündelung des Know-hows, um mit dem Vorstand diese strategische, technologische Fragestellung (mit) zu diskutieren. Manchmal sind bereits rudimentäre Retained Organisations zu finden. Diese besitzen oft einen eher verwaltenden Charakter und haben nicht die notwendigen Mittel und Fähigkeiten, um strategischen Mehrwert zu liefern. Die Externalisierung von Know-How ist möglich – gegeben der wichtigen Rollen der Technologie für den Bankbetrieb ist die Diskussion über vorzuhaltende Kernkompetenzen unbedingt zu führen.

3. Reevaluation der Geschäftsstrategie

Die Identifikation von Fehlstellen sollte als grundsätzlich gegeben angesehen werden, Strategie und Geschäftsmodell sind anzupassen. Dass die Branche nach wie vor im Umbruch ist, ist schwerlich von der Hand zu weisen.

4. Bereitstellung von Investitionsmitteln

Die Bereitstellung eines hinreichenden Budgets erscheint häufig als eines der schwierigsten Themen. Hierbei ist zu beobachten, dass sich Organisationen den Optionsraum häufig selbst durch interne Vorgaben einschränken. Eine flexible und gesamthafte Sichtweise ist notwendig. Dies bedingt unter anderem auch die folgenden Aspekte:

GuV-Wirksamkeit

Budgets sind GuV-wirksam und nicht rein cashflow-wirksam zu diskutieren. Durch die adäquate Berücksichtigung von Aktivierungsquoten im Technologiebereich können GuV-Auswirkungen im Investitionsjahr um bis zu 70% reduziert werden.

Mehrjahresplan

Die Einschränkung einer Planung und der daraus resultierenden Ausgaben auf Quartale ergibt für größere Transformationsprojekte keinen Sinn. Die Planung sollte mehrjährig erfolgen – auch mit der Flexibilität Budget zwischen Geschäftsjahren zu verschieben – Fokus sollte hier die Umsetzung und nicht die „Bilanzkosmetik“ haben.

Flexibilität in den Kostenarten

Budgetfreigaben erfolgen teilweise strikt nach Kostenarten – eine Re-Allokation ist teilweise weder vorgesehen noch möglich. Gerade bei komplexeren Transformationen sind ggf. weitere Experten hinzuzuziehen bzw. werden andere Fähigkeiten benötigt. Die Projekt- oder Programmleitung ist mit der hinreichenden Flexibilität, auf geänderten Bedarf zu reagieren, auszustatten.

Business-Case-Ansatz

Der Budgetbedarf sollte nicht durch ein zusätzliches IT-Budget reflektiert werden. Vielmehr sollte ein gesamthafter Business Case berechnet werden, der auch die Effekte auf Erträge und Risiko- oder Opportunitätskosten mit beinhaltet. Dies schafft das notwendige gesamthafte Verständnis und setzt die höheren Ausgaben in Relation zu einem quantifizierten Zielbild.

5. Verankerung in der Wertschöpfungskette.

Die Normalität des Wandels und einer laufenden Beschäftigung mit der Optimierung des Betriebsmodells ist durch die Verankerung von in Kontrollfragestellungen innerhalb der bankbetrieblichen Wertschöpfungskette zu begegnen. Hierbei geht es um die prozessuale Verortung relevanter Digitalisierungsfragestellungen innerhalb der Teams sowie den Transport von koordiniertem Feedback aus der Organisation an den Vorstand.

Fazit: Die Banken haben es in der Hand

Die IT-/Digitalstrategie ist Teil der Geschäftsstrategie und durch den Vorstand der Bank vor Ort zu erarbeiten sowie proaktiv zu gestalten. Beispiele einzelner auch kleinerer Institute sowohl bei Sparkassen als auch Volksbanken zeigt, dass IT-Strategie und digitale Geschäftsideen auch ohne große interne IT funktionieren können. Die Diskussion und die Weiterentwicklung sind durch „informierte“ Entscheider zu treffen – hierbei kann auf externes Know-how zugegriffen werden. Zielsetzung ist jedoch die „digitale Mündigkeit“ sicherzustellen, um Technologie bestmöglich zum Nutzen von Kunden und Bank einzusetzen.

Betrachtet man die starke Differenz in den IT-Kosten pro Kunden (Quelle: CORE Research), so wird ersichtlich, dass traditionelle Retailbanken gegenüber den effizient agierenden Neobanken einen deutlichen Nachteil bei Betrieb und Neuentwicklungen haben. Dies gilt es durch informierte Entscheidungen sowie die Etablierte Ertragskraft des Kundenportfolios zu kompensieren.

Vergleich der IT-Kosten pro Kunde: Retailbank versus Neobank

Gegenüberstellung der durchschnittlichen IT-Kosten pro Kunde für Retail- und Neo-Banken.

Die Etablierung einer Retained Organsiation für Banken mit zentral gemanagter IT kann ein wirksamer Hebel sein, wichtige technologische und Compliance-seitige Aspekte organisatorisch zu bündeln und in den Strategieprozess einfließen zu lassen. So wird gleichzeitig die adäquate Vorbereitung für §44 Audits sichergestellt, die künftig häufiger und auch kleine Institute treffen werden.

Klar ist aber auch, dass Technologie allein nicht ausreichend ist, um ein profitables Geschäftsmodell zu etablieren. Das hat das „FinTech-Sterben“ der letzten 2-3 Jahre eindrücklich bewiesen. Somit gilt es gegeben den weiterhin positiven Rahmenbedingungen für Banken den Prozess vor Ort noch bewusster zu gestalten, um individuelle Antworten auf die Marktgegebenheiten zu finden.


Lars Fetzer - Transformation Director, CORE

Lars Fetzer

Lars Fetzer ist Koautor des Beitrags. Er ist Transformation Director bei CORE, dem Tech Think Tank von EPAM. Seine Schwerpunktthemen sind u.a. Programm- & Projektmanagement, agile Transformationen, Geschäftsfeldentwicklungen, datengetrieben Kundenkommunikation sowie die Formulierung von Unternehmens- und IT-Strategien. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen für die Deutsche Bank tätig.

Über den Autor

Dr. Philipp Kleine Jäger

Dr. Philipp Kleine Jäger ist Senior Partner bei CORE, dem Tech Think Tank von EPAM. Seine Spezialgebiete sind technologiegetriebene Strategien, Transformationen und Restrukturierungen mit Fokus auf Nachhaltigkeit in den Bereichen Core Banking, Plattform-Geschäftsmodellen und Beyond Banking.

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