Banken brauchen bei der Digitalisierung vor allem Mut

Digitale Transformation ist kein Projekt

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Digitalisierungsprojekte haben bei vielen Banken und Sparkassen gerade oberste Priorität. Die digitale Transformation als „Projekt“ zu sehen ist allerdings ein Problem. Vielmehr ist kontinuierliches Change Management gefragt.

Digitale Transformation erfordert Mut

Digitale Transformation bedeutet Change Management und erfordert Mut.

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Der Begriff „Projekt“ suggeriert, dass die digitale Transformation einer Bank einen Startzeitpunkt und einen Endzeitpunkt hat. Danach sei die Bank fit für das digitale Zeitalter. Ganz so plump sagt das zwar kein Verantwortlicher, aber das ist die Essenz, die man zwischen den Zeilen der Statements vieler Bankmanager herauslesen kann.

Aus der Innensicht der Banken ist diese Sichtweise absolut verständlich. Sie entspricht dem, wie Banken seit Einführung von IT-Systemen und Personal-Computern funktionieren. „Wir schauen uns unsere Prozesse an und überlegen, wie wir diese digital gestalten können. Dann setzen wir unsere Ideen um und Ende 2020 ist das überall implementiert. Das Projekt ist beendet.“

Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Digitale Transformation ist nämlich selbst ein Prozess, der irgendwann mit dem Einbau des ersten Großrechners begonnen hat und der nie abgeschlossen sein wird. Technologischer Fortschritt hatte immer schon Auswirkungen auf die Art, wie Banken funktionieren, lediglich die Geschwindigkeit hat in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Banken, die diesen technologischen Wandel ernst nehmen, befinden sich im Grunde in einem fortlaufenden Change-Prozess ohne absehbares Ende.

Digitale Technologien werden immer mächtiger

Die Technologie ist heute wesentlich mächtiger als sie es noch vor ein paar Jahren war. Für Banken bedeutet das, dass auch Prozesse, die erst vor ein paar Jahren geändert wurden, erneut auf den Prüfstand sollten. Anders ausgedrückt: Der technische Fortschritt ist inzwischen so schnell, dass Banken den Mut aufbringen müssen, ihre gesamte IT immer wieder von Grund auf neu zu denken. Tun sie das nicht, droht ein Bedeutungsverlust bis hin zur Bedeutungslosigkeit.

Erst im September hat das FinTech Start-up Wirecard die Commerzbank aus dem DAX verdrängt. Der Grund dahinter ist schmerzhaft für die klassischen Banken. Viele von ihnen sahen das Geschäft mit der Zahlungsabwicklung nicht mehr als ihr Kerngeschäft an. Wirecard hingegen hat den Prozess von Grund auf neu gedacht und Banken Marktanteile abgenommen. Die Commerzbank als die kleinste der im DAX vertretenen Banken trägt nun die Konsequenzen.

Es gibt Prozesse, die schlicht nicht mehr nötig sind

Das bedeutet jedoch nicht, dass Banken alles über Bord werfen sollten, was für sie funktioniert. Allerdings kann es Prozesse geben, die zwar etabliert, aber aufgrund des technologischen Fortschritts heute gar nicht mehr nötig sind. Ein Beispiel dafür ist die Kartenzahlung mit den dahinterliegenden Prozessen, die seit der Einführung von Mobile Payment noch maximal eine Brückentechnologie ist. Wozu benötigt man noch eine Plastikkarte, wenn die erforderlichen Daten und die Anbindung an das Girokonto des Kunden über Software auf dem Smartphone gewährleistet werden kann? Nahezu jeder Deutsche besitzt so ein Gerät. In Schweden lassen sich Menschen einen NFC-Chip in die Hand implantieren, um dann mit vollem Körpereinsatz kontaktlos zu zahlen. Die Folge: Immer mehr Geschäfte und Restaurants in Schweden akzeptieren kein Bargeld mehr, sondern ausschließlich elektronische Zahlungsmittel. Der nun in Deutschland anstehende Launch von Apple Pay wird diese Entwicklungen sicherlich beschleunigen. Auch das ist eine Entwicklung, die Banken im Auge haben sollten.

Ein weiteres Beispiel ist die Art und Weise, wie Bankmitarbeiter miteinander kommunizieren. Social Intranets und Messenger machen den Einsatz von E-Mail in der internen Zusammenarbeit schon längst überflüssig. In den extremen gibt es schon Technologien, die Banken als Ganzes in Frage stellen. Kryptowährungen funktionieren inzwischen ganz ohne durch Banken gesicherte Prozesse und manche glauben schon das Ende des Bankensystems am Horizont zu sehen.

Die Grundlagen neu denken

Ganz gleich, ob man dieser These zustimmt oder sie für blinde Technikgläubigkeit hält – diese Technologien existieren und setzen Banken unter Innovationsdruck. Und Innovationen bedeutet eben nicht, bestehende Prozesse weiterzudenken, sondern die Grundlagen in Frage zu stellen. Sie bedeutet, sich frei von Altbekanntem zu machen und Prozesse und Lösungen auf der grünen Wiese grundlegend neu zu denken. Denn nur wenn Banken Grundlagen neu denken, schaffen sie Raum für Kreativität und damit für die gewünschte Innovation. Wer es jedoch dabei belässt, bestehende Prozesse weiterzudenken, hinterfragt nie die die Gründe für diese Prozesse und blockiert dadurch unter Umständen die Anpassung an geänderte Marktumstände und gefährdet damit die Wettbewerbsfähigkeit. Oder, um es mit den drastischen Worten des ehemaligen CEO von Telefónica Deutschland und heutigem Vorstandsmitglied der Lufthansa, Thorsten Dirks, zu sagen: „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“

Wer die digitale Transformation einer Bank als fortlaufenden Change-Prozess begreift, der immer wieder die Grundlagen des geschäftlichen Handelns in Frage stellt, wird schnell zu dem Schluss kommen, dass digitale Transformation in erster Linie Kulturwandel bedeutet und erst in zweiter Linie die Einführung neuer Technologien.

Über den Autor

Oliver Ueberholz

Oliver Ueberholz ist Geschäftsführer der mixxt GmbH, die mit ihrem Produkt tixxt eine Social-Intranet-Plattform anbietet. Zu den Kunden gehören einige große Sparkassen. Er gründete 1999 sein erstes Web-Startup und beriet von 2003 bis 2007 Unternehmen wie die Deutsche Post, Burda, RTL und viele weitere.

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