Welches sind die entscheidenden Trends, die die Bankenbranche prägen? Von den Herausforderungen durch moderne Lebensstile bis zur Evolution der Kundenkommunikation durch Künstliche Intelligenz – ein Blick auf die Zukunft des Bankwesens.
In der dynamischen Welt des Bankwesens stehen Finanzinstitute vor der Herausforderung, sich an rasche Veränderungen anzupassen. Von der Flexibilisierung des Lebenswegs bis zur Revolutionierung der Kundenkommunikation durch KI – Banken müssen sich auf vielfältige Weise neu positionieren, um den Bedürfnissen einer modernen und anspruchsvollen Kundschaft gerecht zu werden.
Fünf digitale Trends für 2024
In diesem Jahr steht die Betrachtung der Spannung zwischen Mensch, Technologie und Wirtschaft sowie der desgesellschaftlichen Wandels im Fokus. Hierfür haben wir fünf Trends analysiert:
- den Rückgang der Kundenorientierung,
- den Einfluss generativer KI,
- den Stillstand der Kreativität,
- das Abwägen technologischer Vor- und Nachteile sowie
- die Neuausrichtung von Lebenszielen.
Im Folgenden wird insbesondere über die Chancen gesprochen, die sich hieraus für Banken ergeben. Besondere Relevanz liegt bei der Abkehr von traditionellen Lebenswegen und ihren Auswirkungen, den Möglichkeiten generativer KI sowie in der Kundenorientierung.
Die Bedeutung flexibler Lebensgestaltung für Finanzdienstleister
Unter dem Namen „Decade of Deconstructions“ zeigt sich eine Entwicklung, die einiges verändern dürfte. Es geht darum, dass der traditionelle Lebensweg – also: Schule, Karriere, Heirat, Immobilienbesitz, Familie, Ruhestand – von immer mehr Menschen in Frage gestellt wird.
Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Corona-Pandemie, die bei 50 Prozent der Befragten zu einer Überprüfung ihrer Lebensentscheidungen geführt hat. Menschen möchten ihr Leben flexibler betrachten und stellen damit die herkömmliche Demografie auf den Kopf. Diese Entwicklung führt dazu, dass 48 Prozent der Befragten weniger als ein Jahr oder überhaupt nicht mehr vorausplanen.
Sicherlich könnte man nun einwenden: „Klar, aber so funktioniert es ja nicht: Was ist mit der Altersvorsorge? Dem Sparen für den Immobilienkauf? Den Kreditratings?“ Und das sind durchaus berechtigte Fragen. Aber so funktioniert es nicht mehr. Denn die Prioritäten vieler, zumeist jüngerer Kunden, haben sich verändert. Darauf sollten Banken reagieren, denn diese Entwicklung wird einen langfristigen Einfluss auf ihr gesamtes Geschäftsmodell nehmen. Die flexiblere Lebensgestaltung hat bereits viele Branchen verändert.
Kundensegmentierung 2.0
Lange Zeit war die Kundensegmentierung ein zentraler Aspekt – sie basierte auf dem traditionellen Lebensablauf, der vor ein, vielleicht sogar vor zwei Generation als Standard galt, um einen Lebensweg rückblickend als erfolgreich zu bewerten. Da sie jedoch immer weniger die Vielfalt der heutigen Gesellschaft widerspiegelt, bedarf es einer Aktualisierung.
Es ist an der Zeit für eine Segmentierung 2.0, die auch die Lebenswege der neuen Generationen sinnvoll reflektiert. Dazu gehören Patchwork-Familienmodelle genauso wie bewusste Entscheidungen für ein Single-Leben. Doch der eigentliche Entwicklungsschub liegt in den weichen Faktoren, dem „Mindset“ der Kunden. Es geht darum aufzunehmen, wie die Kunden denken und fühlen: Planen sie langfristig oder kurzfristig? Sind sie risikofreudig oder risikoscheu? Mit diesem Wissen könnte eine Bank viel zielgerichteter Empfehlungen aussprechen. Die Kombination aus den harten und weichen Faktoren wird die Kundensegmentierung schließlich in die Neuzeit katapultieren.
Vier Money Mindsets der Kunden von heute
Die Kundensegmentierung 2.0 berücksichtig die Vielfalt moderner Lebenswege und das Mindset der Kunden, um zielgerichtete Empfehlungen zu ermöglichen. Hier lassen sich vier Kundentypen unterscheiden:
- Achiever = visionärer Stratege: Sie haben einen großen Überblick über ihre finanzielle Situation und planen langfristig. Sie folgen einem klaren Plan und halten sich strikt an finanzielle Regeln und Budgets, um ihre Ziele zu erreichen.
- Explorer = Intuitiver Entscheider: Sie haben einen großen Spielraum und verlassen sich stark auf ihre Instinkte, wenn es um finanzielle Entscheidungen geht. Sie haben möglicherweise kein detailliertes Budget, sondern reagieren spontan auf finanzielle Gelegenheiten und Herausforderungen.
- Balancer = Pragmatischer Planer: Sie haben einen begrenzten Spielraum, leben aber dennoch mit klaren finanziellen Strukturen. Sie folgen einem Budget und halten sich an finanzielle Regeln, um ihre begrenzten Ressourcen effektiv zu nutzen und langfristige Ziele zu erreichen.
- Experiencer = Spontaner Realist: Sie haben einen begrenzten Spielraum und folgten eher ihren Instinkten als einem festen Plan. Sie mögen keine strengen finanziellen Strukturen und passen sich flexibel an finanzielle Veränderungen an, ohne sich zu sehr an Regeln zu halten.
Konsum: Miete statt Kauf
Wer flexibel bleiben will, bindet sich weniger an Dinge, die die eigene Bewegung einschränken. Hier spielt auch der hochfrequente technologische Wandel eine Rolle. Das Elektro-Auto wird geleast, um das Risiko des Wiederverkaufswerts zu minimieren. Das Telefon wird gemietet, da keine langfristige Bindung in Frage kommt und das neue Modell bereits für Herbst erwartet wird. Wird im Urlaub gerne fotografiert, wird sich auch hier eine Kamera gemietet. Musik wird nicht gekauft, sondern über ein monatliches Streaming-Abonnement genutzt.
Weniger direkte Käufe führen zu weniger Krediten. Diese Tendenz spiegelt sich in der immer weiter steigende Zahl der Dienstleistungs-Abonnements pro Person in Deutschland wider.
Banken und FinTechs
Was bedeutet das für Banken? Die meisten FinTechs nutzen bereits die Chancen, die sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen und dem veränderten Konsumverhalten ergeben.
Unternehmen wie Scalable sprechen verschiedene Zielgruppen direkt und provokant an und bieten eine einfache und flexible Möglichkeit, Geld zu sparen oder anzulegen. Können etablierte Banken das auch? Sicherlich, aber der Prozess ist schwerfälliger und weniger spielerisch auf die Bedürfnisse einer stetig wachsenden Zielgruppe ausgerichtet.
Die Evolution der Kundenkommunikation durch KI
Auch die technologischen Entwicklungen im Bereich der KI-Systeme, durch die sich die Kommunikationsschnittstelle mit dem Internet grundlegend verändert, bergen einige Chancen für Banken. Generative KI nutzt Large Language Models, um intelligente Dialoge zu ermöglichen, die Menschen Lösungen für „Ich möchte … tun“ bietet, anstatt nur „Ich möchte …haben“ zu bedienen. Ein solcher Austausch zwischen Mensch und KI fördert präzisere Formulierungen der Nutzer, sodass die KI sie besser verstehen und in der Folge angemessenere Antworten bieten kann.
Kunden werden sich zukünftig besser verstanden fühlen, und es wird einfacher denn je sein, online die für sie persönlich relevantesten Produkte, Dienstleistungen und Erfahrungen zu finden. Untermauert wird der Trend durch die Tatsache, dass 39 Prozent der Menschen im Alter von 18 bis 34 Jahren sich über konversationelle Antworten anstelle von herkömmlichen Internetsuchen freuen.
Persönliche Erlebnisse für Bankkunden schaffen
Auch Banken müssen entscheiden, wie ihre neue virtuelle Präsenz klingen oder aussehen soll. Welche Persönlichkeit soll sie haben und wie kann sie virtuell verkörpert werden? Erforderlich ist dazu eine fundierte Kenntnis des Markencharakters.
Auf diese Weise können äußerst persönliche Erlebnisse für Bankkunden geschaffen werden, wie beispielsweise:
- Direkte Klärung von Fragen durch einen Chatbot im Online-Banking, um dem Kunden wieder mehr emotionale (Ver-)Bindungen zu bieten.
- Unterstützung von Call-Center-Mitarbeitern durch generative KI, um bei bankfachlichen Fragen mehr Auskunftsfähigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
- Möglichkeit bieten, auf der Bank-Homepage Antworten zu finden, um damit die Lücke durch die Reduzierung von Filialen und die eingeschränkte Erreichbarkeit von Mitarbeitern zu schließen.
- Eigens für Kunden mit körperlichen wie geistigen Einschränkungen geschaffenes neues Nutzererlebnis, durch direkte Sprachkonversation mit lernenden KI-Systemen, die auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe reagieren können.
Herausforderungen für die Kundenzufriedenheit und -bindung in der digitalen Ära
Die dritte Entwicklung, mit der sich Banken bewusst auseinandersetzen sollten, sind die Herausforderungen in der Kundenbindung. Jahrelang hat der klare Zusammenhang zwischen Customer Experience und Umsatzwachstum Unternehmen motiviert, ihre Kundschaft in den Mittelpunkt jeder Entscheidung zu stellen.
Dieser Fokus bleibt bestehen, allerdings zwingen wirtschaftliche Herausforderungen zu Kompromissen, die sich direkt auf die Geldbörse ihrer Kunden auswirken. In dem Bestreben, in einer angespannten Wirtschaftslage ihre Gewinne zu schützen, haben Unternehmen harte Entscheidungen getroffen, die vor allem eines bewirken: die Erosion der Kundenerfahrung.
Abnehmende Kundentreue
Dieses Phänomen zeigt sich auch im Finanzsektor. Nachdem insbesondere traditionelle Banken im Bereich Mobile Banking ihre Neo-Konkurrenten mit teilweise herausragenden Lösungen überholt haben, ist es in der letzten Zeit ruhiger geworden. Der Innovationsdrang ist nicht mehr so deutlich spürbar wie einst.
Zudem wird das Filialnetz immer weiter ausgedünnt und die Verfügbarkeit von Beratern nimmt ab. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass 47 Prozent aller Kunden sich weniger wertgeschätzt fühlen, wenn sie Schwierigkeiten haben, den Kundendienst zu erreichen oder von diesem keine hilfreichen Lösungen aufgezeigt bekommen.
Es ist bekannt, dass die Hürden für einen Bankenwechsel im Vergleich zu einem Mobilfunkanbieter oder auch einer Versicherung recht hoch sind und der Aufwand zumeist abschreckt. Bestandskunden brechen daher in den meisten Fällen nicht direkt mit ihrer Hausbank, sondern testen erst einmal andere Anbieter, fahren mehrgleisig und betreiben einen Abschied auf Raten.
Banken müssen die Beziehungen zu ihren Kunden überprüfen
Deshalb empfiehlt es sich für Bankverantwortliche, ihre Beziehungen zu den Kunden gründlich zu analysieren. Verbinden sie bereits Stimmungsfeedback mit responsiven Systemen? Welche Tools verwenden sie? Ein tiefer Einblick in die Beziehungen, kann Ergebnisse zu Tage fördern, die unbequem sind. Langfristig ermöglicht es den Banken jedoch ihre Kundenbasis zielgerichteter zu betreuen, sie zufriedener zu machen und das finanzielle Ergebnis nachhaltig zu steigern.
Einen Versuch ist es allemal wert. Denn der Wettbewerb steht nicht still und die Entwicklung des Zinsmarktes bleibt unsicher. Den Unterschied wird der Umgang mit ihren Kunden machen.