Agilität ist keine Einbahnstraße

Zeitflexibilität stärkt die Arbeitgeberattraktivität

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Unternehmen verlangen Agilität von ihren Mitarbeitern. Sie sollen flexibel und eigenverantwortlich agieren. Die Beschäftigten wollen Agilität auch in zeitlicher Hinsicht. Ihr Bedarf lautet Zeitflexibilität.

Agiles Arbeiten setzt flexible Zeiteinteilung voraus

Flexibles und eigenverantwortliches Arbeiten setzt eine flexible Zeiteinteilung voraus.

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Stetige Veränderung ist die neue Normalität der Arbeitswelt. Das verlangt Mitarbeitern viel ab. Denn die Digitalisierung stellt etablierte Managementkonzepte infrage. Statt ausgeprägter Hierarchien, starren Arbeitsstrukturen und rigiden Arbeitszeitregeln ist Agilität gefragt.

Es herrscht die Überzeugung vor, nur agile Unternehmen bestehen in der VUCA-Welt. Insofern gilt Agilität als entscheidender Wettbewerbsfaktor. Mitarbeiter nehmen Agilität primär als Forderung nach mehr Geschwindigkeit wahr. Für sie gewinnt daher Zeitsouveränität an Bedeutung.

Agilität ist ein Mindset

Unternehmen sind agil, wenn sie die Fähigkeit haben, schnell und proaktiv mit Wandel umzugehen. Dabei ist egal ob es um neue Technologien, Kundenwünsche, Regularien oder das eigene Geschäftsmodells geht. Agil sind Unternehmen nur, wenn sie Mitarbeiter mit einem entsprechenden Mindset haben. Dieses Mindset umfasst vor allem Veränderungs- und Verantwortungsbereitschaft. Hinzu kommen Skills wie Selbstlernkompetenz und Kollaborationsfähigkeit. Agilität ist dabei kein Selbstzweck. Es geht um schlanke Entscheidungsstrukturen, damit sich die Umsatz-, Produktivitäts- und Ertragskennziffern verbessern.

Agilität erfordert Zeitflexibilität

Agilität darf keine Einbahnstraße sein. Was Unternehmen von ihren Mitarbeitern fordern, erwarten diese auch vom Arbeitgeber. Das Gegenstück zur Agilität ist daher Zeitflexibilität. Mitarbeiter setzen der kapitalistischen Verwertungslogik ihre Freizeitinteressen und ihr Bedürfnis nach einer Work Life-Balance entgegen.

Sie wollen im Gegenzug für die Übernahme von Verantwortung möglichst viel Arbeitszeitflexibilität haben. Getreu dem Motto: Wenn mein Arbeitgeber erwartet, dass ich inhaltlich, örtlich und zeitlich agil bin und Verantwortung übernehme, ist es nur recht und billig, wenn ich von meiner Firma maximale Zeitsouveränität erhalte. Diese Erwartung ist übrigens generationenunspezifisch.

Bedarf an Arbeitszeitflexibilität nimmt zu

Es gibt verschiedene Wege Arbeitszeitflexibilität im Unternehmen herzustellen. Altbekannt sind Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit. Innovativer sind die Experimente einiger Firmen mit dem 6-Stunden-Tag ohne Lohneinbußen oder dem unbegrenzten Urlaub. Diese Konzepte passen aber nicht zu jeder Branche und Unternehmenskultur. Anders verhält es sich mit der Umwandlung von Geld in Zusatzurlaub oder dessen „großem Bruder“, dem Sabbatical. Beide Angebote sind in jedem Unternehmen umsetzbar und treffen auf ein großes Interesse bei den Beschäftigten. Daher sind Zusatzurlaubstage inzwischen in vielen Tarifverträgen verankert (z.B. Banken, Chemie, Bahn).

Laut Xing-Urlaubsreport 2018 möchten ca. ein Viertel der Arbeitnehmer ein Sabbatical nehmen. Das Interesse am Sabbatical ist Ausdruck eines Wandels. Arbeitnehmer müssen sich vor „Lücken“ im Lebenslauf nicht mehr fürchten. Es ist insofern keine Seltenheit mehr, dass Mitarbeiter z.B. beim Wechsel von einem zum anderen Arbeitgeber ein Sabbatical einlegen. Angesichts des Fachkräftemangels können sich Personaler zudem nicht mehr leisten, solche Unterbrechungen im Lebenslauf kritisch zu bewerten. Außerdem setzt sich auch in HR die Erkenntnis durch, dass Pausen – auch längere – eine Voraussetzung für dauerhafte Arbeitserfolge sind. Im Sport gilt bekanntlich auch, dass Training ohne Pausen ineffizient ist.

Sabbatical unterstützt die Regeneration

Hauptmotivation für ein Sabbatical ist Erschöpfung bzw. zu wenig Zeit für Dinge, die einem persönlich wichtig sind (z.B. eine größere Reise). Das Sabbatical ist ein Weg der Arbeitswelt und ihrem Stress zu entkommen, sich zu erholen und den schönen Dingen des Lebens nachzugehen. Die zunehmende Verdichtung, das steigende Arbeitstempo und die fortschreitende Entgrenzung von Arbeit und Freizeit erhöht den Regenerationsbedarf und fördert das Interesse an Zusatzurlaub und Sabbatical.

Die Berliner Volksbank greift diesen Bedarf auf und räumt ihren Mitarbeitern die Möglichkeit ein, das 13. Gehalt ganz oder teilweise in zusätzliche Urlaubstage umzuwandeln. Zudem kann jeder Mitarbeiter ein Sabbatical nehmen, das von der Bank maximal 6 Monate gesponsert wird, indem 30% der Vergütung ohne Rückzahlungsverpflichtung weitergezahlt werden. Zudem ist garantiert, dass man bei einem Sabbatical von maximal 6 Monaten auf denselben Arbeitsplatz zurückkehren kann.

Arbeitszeitmodelle wie Sabbatical und Zusatzurlaub funktionieren nur, wenn betriebliche und persönliche Belange in Einklang gebracht werden. Schließlich bleiben die Vertriebs- und Ertragsziele trotz mehr Freizeitoptionen unverändert. Zudem sind Mehrurlaubstage eine zusätzliche Arbeitsbelastung für den jeweiligen Vertreter. Insofern sind diese Angebote konfliktträchtig. Die Klärung damit verbundener Konflikte z.B. bei zu viel Sabbatical-Interessenten in einer Abteilung stärkt jedoch auch die Selbstorganisationsfähigkeiten des Teams. Zudem treten die Probleme nur bedingt auf. Der Grund ist der „Opern“-Effekt. Man lebt in der Großstadt wegen des vielfältigen Kulturangebots, in die Oper geht man aber sehr selten. Ähnlich beim Sabbatical: Entscheidend ist die Möglichkeit, das Angebot nutzen zu können, macht dies aber nicht regelmäßig.

Studien zeigen: Zeitflexibilität verbessert die Arbeitgeberattraktivität

Die Berliner Volksbank bietet Home Office, Zusatzurlaubstage und Sabbaticals an, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Angesichts des Fachkräftemangels in der Bankenbranche ist es notwendig, die eigene Arbeitgeberattraktivität zu verbessern, um im Beauty Contest mit der Konkurrenz bestehen zu können. Maßnahmen zur Erhöhung der Zeitflexibilität können hier helfen. Dies belegen Studienergebnisse des DIW: Home Office, Zusatzurlaubstage und Sabbaticals haben einen positiven Effekt auf die Arbeitsplatzzufriedenheit und Produktivität. Und sie reduzieren die Kündigungsbereitschaft von Mitarbeitern.

Fazit: Agilität setzt Flexibilität voraus

Unser gegenwärtiges Arbeitsleben ist vom Empfinden geprägt, ständig zu wenig Zeit zu haben. Wir arbeiten im Gefühl der Beschleunigung und zunehmenden Hektik. Agile Methoden verstärken diesen Eindruck. Daher definiert sich ein gutes Leben nicht nur über materiellen Wohlstand, sondern auch über Zeit. Freizeit ist das Gold bzw. Öl unserer Zeit. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie nicht nur ihre Arbeitsorganisation und Entscheidungsstrukturen agilisieren, sondern auch ihre Zeitorganisation bedürfnisgerecht flexibilisieren.

Über den Autor

Dr. Matthias Meifert

Dr. Matthias Meifert ist stellvertretender Bereichsleiter und HR Business Partner im Personalbereich der Berliner Volksbank und verfügt über vielfältige Erfahrungen in Reorganisationsprozessen, im Trennungsmanagement und in der Personalentwicklung. Er hat Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Soziologie an der Universität Marburg studiert. Nach der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am SOFI Göttingen und am Lehrstuhl für Personal und Führung der TU Chemnitz in 2001 Promotion über Vertrauensmanagement in Unternehmen.

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