Die Digitalisierung und damit die virtuelle Welt sind in aller Munde und viele Maßnahmen werden in diesem Bereich angestoßen. Doch reicht das? Wie sieht es mit der physischen Welt aus? Wo geht die Reise hin und was sind die nächsten Schritte im Aufbruch?
Der Weckruf ist ertönt und angekommen – der schlafende Riese ist wach geworden. Wurde lange Zeit schon über ein verändertes Kundenverhalten philosophiert und die Niedrigzinsphase als eine Phase wahrgenommen, so hat sich ein wahrer „Veränderungsrun“ entwickelt. Die gesamte Bankenbranche ist im Aufbruch in eine neue Zeit. Veränderungen werden angestoßen, Filialen geschlossen, Fusionen bekanntgegeben. Banken und Sparkassen vermelden die Gründung von „Hub’s“, verkünden die Kooperation mit oder den Kauf von FinTechs. Einige entwickeln sich sogar selbst in Richtung FinTech.
Erst kürzlich hat sich Bain Deutschlandchef Walter Sinn in einem Artikel vom 06.12.2016 auf handelsblatt.de zu den Herausforderungen der Banken geäußert: Die Kosten sind zu hoch, die Preismacht ist zu gering, die Abhängigkeit vom Zinsüberschuss ist zu hoch!
Viel ist darüber geschrieben worden: Die bisherigen Geschäftsgrundlagen haben sich nachhaltig verändert. Dies lässt sich noch eine Weile über strukturelle Aufräumarbeiten, Filialschließungen und schnelle Ertragssteigerungen wie der Erhöhung der Kontoführungsgebühren kompensieren. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Veränderungen erst begonnen haben. Die wahre Aufgabe steht noch bevor: Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die Entwicklung neuer Dienstleistungen für Kunden. Digitalisierung bietet die Chance flexibel zu werden und eine Vielzahl individualisierbarer Dienstleistungen anzubieten. Lösungen, wie die Möglichkeit der Geldsendung von Handy zu Handy (z.B. Kwitt) oder die Einführung eines neuen Kontos (z.B. Yomo oder N26), sind ein wichtiger Teil, aber nicht die Lösung allein.
Nachdem die Digitalisierung immense Veränderungen allen Orts ausgelöst hat, wird nach der kurzen Phase der überzogenen Erwartungseuphorie schnell das Tal der Enttäuschungen erreicht werden.
Wie ein Artikel vom 05.12.2016 auf marketing-boerse.de zeigt: „Konsumenten erwarten, dass Marken ihnen Vorzüge der physischen und virtuellen Welt ebenso bieten, wie Benefits der Vergangenheit und Zukunft.“ lautet die Einleitung des Artikels ‚Trends 2017 für Wirtschaft, Branchen & Marken‘.
Die virtuelle Welt ist aktuell in aller Munde und sorgt für positive Schlagzeilen. Bezüglich der physischen Welt dominieren noch die Berichte über die Konsolidierungsmaßnahmen und Reduktion.
Nicht über den Kunden sprechen, sondern mit dem Kunden sprechen
Fokusgruppen die die metamorf business consulting GmbH mit Sitz in Bochum im Jahr 2016 mit Privatkunden durchgeführt hat, geben einen Einblick, worauf es dem Kunden ankommt:
- „Lösungen erarbeiten für Themen, in die man sich nicht selbst einarbeiten möchte, das ist heute mal das, morgen mal ein anderes Thema.“
- „Wettbewerbsfähigkeit der Lösungen, es muss marktüblich sein.“
- „Berater soll neutral, wertschätzend, kompetent und eher Makler als Produktanbieter sein.“
- „Transparenz über alle Produkte, die möglich sind, nicht das ungute Gefühl haben, nur das zu sehen, was man sehen darf.“
Erreichbarkeit und Zeit werden zur Zufriedenheitswährung
Dass die reale physische Welt eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Tatsache, dass viele der sogenannten „digital natives“ keine klare Kanalpräferenz haben. Das Kaufverhalten bei dieser Kundengruppe lässt sich nicht mehr vorhersagen! Die gleichwerte Betrachtung der virtuellen wie physischen Welt ist von Bedeutung. Thema, Lust, Laune und Zeit entscheiden darüber, wie gehandelt wird. Die Erkenntnis, dass die Generation Y gar nicht so „digital“ ist, wie immer angenommen, reift immer mehr. Individualität ist das Zauberwort!
Eine Befragung der metamorf business consutling GmbH im März 2016 hat ergeben, dass Kunden gerade bei komplexen Themen mehrheitlich den Kontakt zu einem Berater mit hoher Fachkompetenz suchen. Die Ergebnisse der Befragung mit dem Titel „Zukunft von Bankfilialen“ können Sie hier kostenlos herunterladen.
Dabei erwartet der Kunde, der Befragung zufolge, persönliche Beratungszeiten bis 20 Uhr. Eine Filiale und ein Berater, die nicht zur Verfügung stehen, wenn der Kunde Zeit und Ruhe hat, wird es in Zukunft schwer haben, seine Kunden zu erreichen – auch wenn das 24/7 Onlineangebot vorhanden ist. Der Mensch bleibt Mensch und braucht andere kompetente Menschen für „Rat und Tat“. In diesem Sinne kann in Zukunft wieder viel mehr von „FinHom“ gesprochen werden. Den Menschen (homo sapiens) in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen heißt, für den Kunden da zu sein. Es bedarf keiner weiteren Studien oder Befragungen die nur bestätigen, was der normale Menschenverstand schon weiß.
Mitarbeiter und Führungskräfte als Treiber der Veränderung
Sich um seine Mitarbeiter und Führungskräfte zu kümmern und auf deren Mut, Kompetenz und Energie zu vertrauen, ist für den jetzt anstehenden nächsten Schritt eine wichtige Entscheidung.
Im täglichen Tun wird es entscheidend sein, miteinander und voneinander zu lernen. Dabei durch Unterstützung Geschwindigkeit aufzunehmen ist gut investierte Zeit und gut investiertes Geld. Der Glaube, dass Führungskräfte allein die aktuelle Situation bewältigen können, wird nicht ausreichen. Veränderungen standen immer schon an, so disruptiv wie derzeit hat es die aktuelle Generation der Führungskräfte noch nicht erlebt. Die notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen diese zu bewältigen, sind somit nur begrenzt abrufbar. Die aktuelle Presse tut ihr Übriges dazu, dass es schwer fällt, in den Veränderungsprozess motiviert einzusteigen. Aussagen wie „zu teuer“, „wird digitalisiert“ und „bauen Stellen ab“ sind zwar richtig und notwendig, aber eben nicht motivierend. Gegenseitiges Vertrauen, gemeinsame Ziele, Echtheit und Ehrlichkeit, Neugierde und die Bereitschaft zu teilen sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg in einem Netzwerk der digitalisierten Welt. Alles das sind Tugenden, die zum Teil verlernt worden sind und in Zeiten des Personalabbaus schwierig wieder zu erlernen sind.
Anhand konkreter Themen neue Wege gehen
Gemeinsam anhand von konkreten Themen und Herausforderungen neue Wege zu gehen und gemeinsam die daraus resultierenden Erfolge zu erleben, hilft die Zukunft zu gestalten. Operative Themen, an denen neues ausprobiert werden kann, gibt es viele:
- Deutlich veränderte Service- und Beratungszeiten umsetzen.
- Sich mit den Kunden neu vernetzen, virales Marketing direkt in und aus der Filiale heraus gestalten.
- Teameinsatzplanungen so vornehmen, dass Convenience, Beziehung und Lösungen für Kunden entstehen.
- Kundenkontaktquoten und Gesprächsfrequenzen deutlich erhöhen.
- Über alle Kontaktpunkte, vom Telefon über online bis zum persönlichen Kontakt, ein Serviceerlebnis für den Kunden schaffen.
und schlicht
- die vorhandenen Medien nutzen und die vorhandenen digitalen Anwendungen Kunden erklären.
Dabei gilt grundsätzlich
- das Silodenken zu überwinden
- die Zusammenarbeit im Sinne des Kunden forcieren.
Konkrete Umsetzungen können nur in den Teams am Ort des Geschehens erarbeitet werden. Jedes Institut hat in den nächsten Monaten seine individuellen Herausforderungen zu meistern! Investitionen in die Kraft, das Talent und die Energie der Mitarbeiter sind eine Herausforderung aller Institute, die zu den Gewinnern zählen möchten.
Nachdem der Riese wachgeworden ist, ist es an der Zeit, neue Dienstleistungen entstehen zu lassen, neue Arbeitswelten zu entwickeln und den Veränderungsprozess gemeinsam mit Kunden und Mitarbeitern zu gestalten. Dabei ist sicher: Der anstehende notwendige nächste Schritt im Aufbruch stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Der nächste Schritt richtet den Fokus auf „FinHom“.
Ein Kommentar
Interessanter Artikel und Aspekte! Die guten Banken und ihr Umgang mit Veränderungen… Vlt. werrd ja auch mal irgendwann sogar Fax und Brieftaube in Rente geschickt! :-)