Die meisten Menschen kennen die Blockchain-Technologie im Zusammenhang mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Doch die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) bietet der Kreditwirtschaft noch viele weitere Möglichkeiten der Anwendung.
Innerhalb der letzten zwölf Jahre hat sich die Blockchain-Technologie erweitert und ausdifferenziert und hat so in einem Maße an Reife gewonnen, dass zahlreiche neue Anwendungsfälle möglich wurden, die weit über den Bereich „Währung und Zahlungsverkehr“ hinausgehen. Dieses breite Technologie-Spektrum sollte man vor Augen haben, wenn man die zu erwartende Bedeutung von Blockchain / Distributed-Ledger-Technologie (DLT) für die Kreditwirtschaft abschätzen möchte.
Konstant konsistentes Kontobuch
Kern aller Varianten und Ausprägungen der Blockchain-Technologie ist ein verteilter Ledger, also eine Art Kontobuch, das auf den vielen Computern der Teilnehmer der jeweiligen Blockchain abgespeichert wird. Dieses „Kontobuch“ wird von allen Teilnehmern am jeweiligen Blockchain-Netzwerk gleichzeitig (und mit identischem Inhalt) geführt und umfasst alle Transaktionen der Teilnehmer untereinander. Die zentrale Leistung der Technologie besteht darin, zu garantieren, dass die vielen von den Teilnehmern gespeicherten Instanzen des Kontobuchs über alle Teilnehmer hinweg konsistent bleiben. Hierfür sorgt der sogenannte Konsensalgorithmus einer Blockchain. Diese konsistente und redundante bzw. verteilte Datenhaltung ist der Grund für die extrem hohe Sicherheit einer Blockchain.
Jede Blockchain ist also untrennbar mit ihrem jeweiligen Netzwerk an Teilnehmern verbunden. Im Falle des Bitcoins zum Beispiel dient die Bitcoin-Blockchain als Technologieplattform, die den Teilnehmern Transaktionen in Bitcoin ermöglicht und diese zuverlässig dokumentiert und speichert. Die Bitcoin-Blockchain wird quasi „von den Nutzern für die Nutzer“ betrieben. Blockchain-Technologie ist also eine „Gemeinschafts-Technologie“: Teilnehmer an einem gemeinsamen Prozess betreiben gemeinsam und gleichberechtigt eine Plattform, um diesen Prozess schnell, sicher, fehlerfrei und kostengünstig abzubilden. Der Ansatz der Gleichberechtigung ist wesentlich und steht im Gegensatz zu vielen traditionellen Zusammenarbeitsmodellen, die oft zwingend eine zentrale Instanz voraussetzen, seien es Agenturen, Makler oder Behörden. Mit der Blockchain ist dieser „Man-in-the-middle“ nicht mehr nötig.
Im Finanzbereich ein zuverlässiger Allrounder – und bereits real
Viele der per heute bereits in der Kreditwirtschaft realisierten Use Cases der Blockchain-Technologie fallen in dieses Muster:
- Konsortien wie „Marco Polo“ und „we.trade“ versammeln Banken, welche die oft noch Fax- und Email-basierten Prozesse im Trade-Finance-Bereich auf eine neue digitale (Blockchain-) Plattform heben wollen.
- Banken wie z.B. die an „finledger“ beteiligten Institute ermöglichen Transaktionen von Schuldscheindarlehen in einer Blockchain.
- Es bilden sich gerade Konsortien, die eine effiziente Durchführung des Collateral-Management-Prozesses zum Ziel haben.
Wesentliche aktuelle Entwicklungen werden diesen Trend deutlich beschleunigen und den Scope der Veränderungen erweitern:
In bestimmten Blockchain-Netzwerken (z.B. Ethereum, Stella) können Werte bzw. Rechte als „Token“ in der Blockchain repräsentiert und Transaktionen in diesen Werten/Rechten als Blockchain-Transaktionen abgebildet werden; die rechtlichen Grundlangen dafür, diesen Ansatz auch auf die Rechte an Wertpapieren zu erweitern, sind in Ländern wie z.B. Liechtenstein bereits gelegt; es wird erwartet, dass Deutschland / die EU innerhalb der nächsten Monate nachziehen.
Perfekt für Währungen, Kredite, Verträge und Versicherungen
Gleichzeitig hat die EZB ihr grundsätzliches Interesse an einem „Digitalen Euro“ bekundet. Viele Zentralbanken sind in ähnlichen Projekten engagiert (z.T. sogar weiter fortgeschritten). Es ist durchaus plausibel, dass Projekte wie die auf einer Blockchain basierte Digitalwährung Diem (vormals Libra, stark von Facebook getrieben) die Meinungsbildung bei den Zentralbanken beschleunigt haben.
Wenn nun aber sowohl die Papier- als auch die Geldseite einer Transaktion in der Blockchain abgebildet werden können, dann sind die Grundlagen für die vollständige Durchführung von Wertpapiertransaktionen in der Blockchain gegeben.
Eine weitere Entwicklung betrifft die sogenannten Smart Contracts: In vielen Blockchain-Netzwerken lassen sich Transaktionen abhängig von Bedingungen (als sogenannte Smart Contracts) darstellen. Dies gleicht der Konstruktion von Derivaten: „Wenn der Preis der Aktie X ist, dann zahle y.“ Wesentlich ist, dass das Blockchain-Protokoll die Ausführung dieser Smart Contracts garantiert, d.h. die an einer Transaktion Beteiligten können sich darauf verlassen, dass das vereinbarte Prozedere auch umgesetzt wird.
Die Zukunft von Blockchain und DLT
Aus den vorgenannten Beobachtungen lässt sich folgendes Zielbild (Zeitraum fünf bis zehn Jahre) für die transaktionalen Dienstleistungen in der Finanzwirtschaft skizzieren:
- Jegliche Form von Finanzwerten kann in Blockchain-Netzwerken als Token repräsentiert werden.
- Zentralbank- und Giralgeld erhalten zusätzliche Ausprägungen als Blockchain-Token.
- Die Mechanik von Transaktionen wird kostengünstig und zeitnah auf Basis von Blockchain-Technologie erbracht.
- Blockchain-Programme (Smart Contracts) leisten wesentliche Funktionen der jetzigen Back-Offices.
- Regulatoren werden Teilnehmer der genannten Netzwerke; sie erhalten ggfs. privilegierten Zugriff auf die Transaktionsdaten, was ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben deutlich vereinfacht.
Mit der Blockchain-Technologie setzt sich also die Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen in der Kreditwirtschaft fort und umfasst immer mehr auch die Prozesse zwischen den Instituten. Bestimmte Möglichkeiten der Wertschöpfung im Transaction Banking werden daher wegfallen; die Bedeutung intelligenter und kundenspezifischer Dienstleistungen z.B. im Asset-, Portfolio- und Risiko-Management wird umso wichtiger.
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