Der Einfluss alternativer Daten auf die Risikoanalyse

Alternativdaten – ein ungenutztes Potenzial

Abonnieren Sie den kostenlosen Bank Blog Newsletter

Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) entwickeln sich zunehmend zu einem wichtigen Wachstumssektor. Allerdings ist eine Bonitätsbeurteilung in diesem Umfeld oft schwierig. Die Analyse alternativer Daten kann hier eine wichtige Lücke füllen.

Alternative Daten für die Risikoanalyse in Banken

Die Analyse alternativer Daten kann das Risikomanagement in Banken verbessern.

Partner des Bank Blogs

PWC ist Partner des Bank Blogs

Alternative Daten repräsentieren eine neue Ära der Informationsgewinnung, die weit über die Grenzen traditioneller Datenquellen wie Geschäftsberichte und Auskunfteidaten hinausgeht. In unserem immer stärker vernetzten Alltag sind sie allgegenwärtig und decken ein weites Spektrum von Datenquellen ab. Dies reicht von Webdaten, die z. B. alle online verfügbaren Informationen über ein Unternehmen ausweisen, bis hin zu spezialisierten Anwendungen wie Bild- und Texterkennungstechnologien, mit denen sich unterschiedlichste Inhaltsformate analysieren lassen.

Aber auch andere Datenquellen fallen in diese Kategorie, z. B. Geo- oder Satellitendaten, die in der Landwirtschaft zur Bewertung der Bodenqualität genutzt werden. Alle diese alternativen Daten haben die Fähigkeit, zusätzliche Einblicke und präzisere Prognosen in verschiedenen Bereichen zu ermöglichen, besonders auch in der Finanzbranche.

Entscheidend dafür, dass Informationen aus alternativen Datenquellen auch zu wertschöpfenden Erkenntnissen führen, ist allerdings die Integration von maschinellem Lernen (ML) und künstlicher Intelligenz (KI) in die Datenanalyse. Erst dadurch kann die traditionelle Finanzanalyse deutlich verbessert werden, so dass ein tieferes Verständnis von Marktentwicklungen in verschiedensten Branchen möglich wird.

Zunehmende Bedeutung von KMU: eine Zielgruppe mit eigenen Herausforderungen

Mit einem Anteil von 98 Prozent (2021) ist der mittelständische Sektor nicht nur das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sondern vor allem auch eine wachsende Zielgruppe für die Finanzbranche. Die präzise Einschätzung des Ausfall- und Kreditrisikos sowie die Identifikation bonitätsfähiger KMU, insbesondere bei neu etablierten Firmen, Einzelunternehmern oder Start-ups, ist jedoch eine erhebliche Herausforderung: Da ein Teil der KMU nicht zur Offenlegung ihrer Finanzinformationen verpflichtet sind, erschwert diese eingeschränkte Datenverfügbarkeit sowie eine oft fehlende Zahlungshistorie oder Krediterfahrung eine fundierte Entscheidungsfindung bei Kredit- oder Zahlungsanfragen.

Aufgrund der unzureichenden Datenlage stehen Kreditgeber vor der Herausforderung, immer bessere Modelle zur Prognose von Kreditrisiken zu entwickeln. Um ein umfassendes Bild von Unternehmen zu erhalten, deren Daten nicht nur durch klassische Wirtschaftsauskunfteien erfasst werden, wird die Nutzung alternativer Datenquellen in Zukunft immer wichtiger.

Alternative Daten als Schlüssel zur modernen Risikobewertung

Wie alternative Daten für eine moderne Risikoanalyse nutzbar gemachen werden können, lässt sich gut am Beispiel unserer eigens entwickelten Lösung Web Data Insights (WDI) aufzeigen. Die Gewinnung von Erkenntnissen auf der Grundlage von Webdaten stellt grundsätzlich eine innovative Art und Weise dar, Informationen zu sammeln und zu analysieren. Ein Schlüsselelement in diesem Prozess ist der Einsatz von „Web-Crawlern“, die als leistungsfähige Werkzeuge das Internet nach öffentlich verfügbaren Daten durchsuchen. Dazu gehören Online-Präsenzen, Branchenverknüpfungen, Kundenbewertungen, hinterlegte Adressen, Öffnungszeiten und Telefonnummern genauso wie z. B. Daten von Google Maps oder historische Verhaltensmuster im Zusammenhang mit dem zu bewertenden Unternehmen, die spezifische Daten zur Vorhersage des zukünftigen Unternehmensverhaltens zulassen.

All diese unstrukturierten Informationen müssen jedoch auch umfassend analysiert werden, um einen echten Mehrwert bieten zu können. Dies geschieht heute mit fortgeschrittenen ML-Verfahren. Mit der eingesetzten ML-Technologie können wir Vorhersagemodelle entwickeln, die Muster und Trends erkennen, die mit herkömmlichen Analysemethoden möglicherweise unentdeckt bleiben würden. So lassen sich beispielsweise mit Hilfe von Text-Mining-Verfahren und Sentiment-Analysen relevante Daten zu Clustern zusammenfassen.

Bei Experian verarbeiten wir diese Daten zu Web-Scores. Anschließend kombinieren wir ermittelte Web-Scores zu einem umfassenden WDI-Score in Bezug auf das Ausfallverhalten eines Unternehmens. Die Score-Berechnung erfolgt dabei in weniger als einer Sekunde – das verbessert bestehende B2B-Modelle erheblich und ermöglicht eine wesentlich genauere Risikobewertung.

Score-Modell-Feinschliff: Korrelation und Skalierung

Der tatsächlich entscheidende Schritt in diesem Prozess, der den eigentlichen Mehrwert alternativer Daten ausmacht, ist jedoch die Synthese der im ersten Schritt generierten Score-Modelle. Nur dadurch ist es möglich, ein wirklich präzises und mehrdimensionales Bild zur Einschätzung der Bonität und des finanziellen Potenzials eines KMU-Kunden zu erhalten. Unstrukturierte Webdaten werden erst durch eine fortschrittliche Analyse nutzbar und in echte Erkenntnisse transformiert.

Ein auf Basis alternativer Daten ermittelter Score sollte daher nie isoliert betrachtet werden, sondern immer nur in Kombination mit weiteren erzeugten Score-Modellen und, falls verfügbar, auch in Verbindung mit klassischen Daten – und genau in dieser hohen Analysefähigkeit und Skalierung liegt der große Vorteil moderner KI/ML-basierter Risikomanagementlösungen wie dem WDI.

In der Praxis wird eine solche Lösung in der Regel über eine Online-Schnittstelle (API) beim Kunden implementiert. Diese können über diese Schnittstelle Erstdaten eines potenziellen oder bestehenden KMU-Kunden übermitteln und erhalten nahezu in Echtzeit den WDI-Score zurück.

Alternative Daten – (k)ein Datenschutzdilemma?

In Deutschland besteht aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken noch eine gewisse Zurückhaltung, alternative Daten zu nutzen – eine Annahme, die jedoch falsch ist. Öffentlich zugängliche Daten, die sich ausschließlich auf die Bewertung von Unternehmen und nicht auf natürliche Personen beziehen, lassen sich im völligen Einklang mit den geltenden Datenschutzvorgaben einsetzen. Mit ihrer Hilfe können Finanzunternehmen ihr Geschäftsfeld künftig auch im so wichtigen KMU-Markt erweitern, ohne ihr Zahlungsausfallrisiko zu erhöhen.

Über den Autor

Lisa Debailleul

Lisa Debailleul ist Account Manager im Bereich Finance & Payment beim Data-Insights-Anbieter Experian und betreut Unternehmen im Bereich Banking, Payments sowie FinTechs. Sie startete ihre berufliche Karriere im Bereich Risikomanagement mit einer Ausbildung bei Arvato Financial Solutions.

Vielen Dank fürs Teilen und Weiterempfehlen


Mit dem kostenlosen Bank Blog Newsletter immer informiert bleiben:

Anzeige

Get Abstract: Zusammenfassungen interessanter Businessbücher

Kommentare sind geschlossen

Bank Blog Newsletter abonnieren

Bank Blog Newsletter abonnieren