Im zweiten Teil des exklusiven Interviews mit dem Bank Blog beantwortet Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Fragen zu Themen und Trends in den Bereichen Digitalisierung, FinTech und neue Technologien.
Im ersten Teil des ausführlichen Interviews mit Bundesbank-Vorstand Dr. Andreas Dombret ging es um die Vertrauenskrise, die Belastungen durch Niedrigzinsphase und Regulierung und der Frage nach der Tragfähigkeit der aktuellen Geschäftsmodelle sowie der Zukunft der Bankfiliale. Im heutigen zweiten Teil stehen Fragen der Digitalisierung, FinTech und neue Technologien im Mittelpunkt des Austauschs.
Unzureichende IT-Kenntnisse in Bankvorständen
Der Bank Blog: Anfang des Jahres merkten Sie in einem Vortrag an, dass die deutschen Geldhäuser die Herausforderungen der Digitalisierung annehmen sollten, statt diese auszusitzen. An welchen Stellen sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Andreas Dombret: Herausforderungen tauchen in den unterschiedlichsten Bereichen der Bank auf: Bei der Produktpalette, beim reibungsfreien Ablauf und der Funktionalität von Hintergrundprozessen, beim IT-Know-how der Mitarbeiter und einem entsprechenden Personalmanagement bis hin zum Sicherheitsmanagement. Die Aufgaben variieren daher von Institut zu Institut. Grundsätzlich ist das Thema in den meisten Häusern mittlerweile sehr präsent. Aber in mancher Vorstandsetage sind IT-Kenntnisse noch immer unzureichend vertreten; dabei begleitet die IT heute nahezu jede Geschäftsaktivität. Die Bankenaufsicht erwartet daher für neue Geschäftsaktivitäten, dass deren wesentliche Konsequenzen auch für IT-Systeme analysiert werden.
Die Aufregung um FinTechs scheint abzuklingen
Der Bank Blog: Innerhalb der Digitalisierung ist das Thema „FinTech“ eines der mitdiskutierten Themen in der Finanzbranche. Wie beurteilen Sie diesen Trend und seine Auswirkungen auf den Finanzsektor?
Andreas Dombret: Mittlerweile scheint die erste Aufregung um „FinTechs“ etwas abgeklungen zu sein. Das liegt womöglich an einigen Negativschlagzeilen zur Finanztechnologie, aber insbesondere auch an der Erkenntnis, dass es sich um ein äußerst weites Feld von Technologien und Geschäftsideen handelt, die keineswegs alle erfolgreich sind. Klar ist aber auch: Die ideenreichen Finanz-Startups haben etliche Innovationen angestoßen, von denen insbesondere die Kunden, aber auch viele Bankhäuser profitieren können.
Der Bank Blog: Welche konkreten Chancen und Gefahren durch FinTechs sehen Sie für die etablierten Institute?
Andreas Dombret: Die Innovationen entstehen natürlich in erster Linie dort, wo damit auch viel Ertrag generiert werden kann. Für etablierte Institute stehen mitunter Gewinnmargen und manche Bestandteile der Wertschöpfungskette auf dem Spiel. Aber bei vielen Innovationen der Finanztechnologie geht es gar nicht um die Substitution des Bankengeschäfts, sondern um kostengünstigere, zuverlässigere und nützlichere Produkte und Prozesse. Kooperation mit kleinen, agilen Unternehmen, die solche Ideen oftmals offenbar effektiver entwickeln können, ist dann im besten Interesse etablierter Institute.
Trends dürfen nicht einfach abgewartet werden
Der Bank Blog: Wie ist Ihre Einschätzung: Werden in nächster Zeit auch große Technologieunternehmen wie Apple, Google, Facebook und Co. mit eigenen Aktivitäten ins Bankgeschäft vordringen? Worauf müssen sich die etablierten Banken einstellen?
Andreas Dombret: Natürlich kann niemand ausschließen, dass große Technologieunternehmen ebenfalls Banklizenzen beantragen. Sie könnten dabei auf ihren großen Kundenstamm und die im Internet allgegenwärtigen Netzwerkeffekte bauen. Andererseits erschwert der intensive Wettbewerb im Bankensektor hierzulande den Einstieg. Und mit der Banklizenz erwarten Neueinsteiger auch regulatorische und aufsichtsrechtliche Pflichten. Ein Einstieg muss daher sorgfältig abgewogen werden. Der Einstieg eines Technologieunternehmens in den Bankensektor wird für Banken und Sparkassen insbesondere dann bedeutsam, wenn Neueinsteiger sich schnell einen Vorsprung am Markt erarbeiten könnten, dem die etablierten Institute hinterherlaufen müssen. Beim Zahlungsverkehr im Internet haben deutsche Institute diese unangenehme Erfahrung bereits machen müssen. In solchen Fällen können Trends nicht einfach abgewartet werden.
Aufsicht muss sich auf technologische Entwicklungen einstellen
Der Bank Blog: Und worauf muss sich die Bankenaufsicht einstellen?
Andreas Dombret: Die Aufsicht muss technologische Entwicklungen frühzeitig mitverfolgen, um deren Folgen für das Bankgeschäft zu verstehen. Ein großes Thema in diesem Zusammenhang sind derzeit beispielsweise IT-Auslagerungen. Die Herausforderung besteht darin, die Chancen durch Kostenvorteile und durch das Innovationspotential zu nutzen und zugleich sicherzustellen, dass die Daten sicher und der Umgang mit der IT auch außerhalb des eigenen Hauses verantwortungsbewusst bleiben. In erster Linie achten unsere Aufseher und Prüfer darauf, dass sich Banken an die gängigen Standards und den aktuellen Stand des Wissens und der Technik halten. Aber um Gefahren frühzeitig erkennen zu können, müssen Bankenaufseher zunehmend auch die technische Umsetzung von Prozessen vor Ort prüfen. Die Ausbildung und Bindung von technisch versiertem Fachpersonal ist daher nicht nur für die Institute ein wichtiges Thema.
Der Bank Blog: Wir erleben seit kurzem, dass sich FinTech-Unternehmen eine eigene Banklizenz sichern (wollen). Der Aufsicht kommt dabei u.a. die Aufgabe zu, das jeweilige Geschäftsmodell kritisch zu prüfen. Können Sie kurz erläutern, worauf es dabei ankommt?
Andreas Dombret: Wir Aufseher prüfen für jedes konkret vorliegende Geschäftsmodell, inwiefern es Bankgeschäfte, Finanzdienstleistungen oder Zahlungsdienstleistungen beinhaltet und ob es tragfähig ist. Dieses Vorgehen hat sich auch bei Anfragen von „FinTechs“ nicht geändert. Aus aufsichtlicher Sicht ist schlicht unerheblich, ob ein Unternehmen Finanztechnologien anwendet oder nicht, da es gar keine Legaldefinition von „FinTechs“ gibt. Falls ein „FinTech“ also Bankgeschäfte nach dem Kreditwesengesetz anbietet und deshalb für sein konkretes Geschäftsmodell eine Banklizenz benötigt, muss es wie üblich der BaFin und der Bundesbank nachweisen, dass es über ausreichend Eigenkapital, über fachlich und persönlich geeignete Geschäftsleiter und über geeignete organisatorische Voraussetzungen verfügt.
Banklizenz ist keine Garantie für Geschäftserfolg oder Kundenfreundlichkeit
Der Bank Blog: Ist die Erteilung einer Banklizenz eine Art „Qualitätssiegel“, auf das sich Kunden verlassen können?
Andreas Dombret: Wie bereits gesagt, unterscheidet sich die Banklizenz für ein FinTech in keiner Weise von einer Banklizenz für ein herkömmliches Institut. Somit kann der Kunde, genau wie bei allen anderen Banken auch, darauf vertrauen, dass das FinTech-Institut die Anforderungen an die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften erfüllt hat und der laufenden Überwachung durch die Aufsicht unterliegt. Die Aufsicht übernimmt jedoch auch bei FinTech-Unternehmen keine Garantie etwa für den Geschäftserfolg des Unternehmens oder für besondere Kundenfreundlichkeit.
Bundesbank beschäftigt sich intensiv mit Blockchain-Technologie
Der Bank Blog: Inwiefern beschäftigt sich die Bundesbank mit dem Thema Blockchain und wie beurteilen Sie die Chancen und Risiken dieser Technologie aus Perspektive von Aufsicht und Regulierung?
Andreas Dombret: Die Bundesbank beschäftigt sich bereits seit längerem sehr intensiv mit der Blockchain-Technologie und bewertet und analysiert mögliche Potenziale und Risiken genau. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob und in welchen Anwendungsbereichen die Blockchain-Technologie signifikante Vorteile gegenüber der Nutzung der konventionellen Systeme und Technologie hat. Insbesondere ist natürlich auch noch offen, ob Blockchain nur eine „neue“, effizientere Technologie beinhaltet oder zu einer größeren Änderung von Marktstrukturen und Rollen der heutigen Teilnehmer am Finanzmarkt führt.
Aus Perspektive der Bankenaufsicht könnte sich ein effizienterer Austausch zwischen Aufsehern und beaufsichtigten Instituten ergeben, wenn die Technologie einsatzfähig ist. So könnte die Blockchain-Technologie beispielsweise im Bereich des Reporting interessant sein. Kreditinstitute könnten dann Daten auf einer Blockchain speichern und dem Aufseher „Einblick“ in diese gewähren. Eine Herausforderung würde sicherlich die adäquate Auswertung der Informationen darstellen. Klar ist aber auch, dass die Blockchain-Technologie, sollte sie in der Finanzwirtschaft im Livebetrieb zum Einsatz kommen, mit den geltenden aufsichtsrechtlichen Regeln in Einklang gebracht werden muss.
Die Bedeutung von IT für das Bankpersonal nimmt zu
Der Bank Blog: Viel diskutiert werden ja auch die Auswirkungen von Digitalisierung und Technologie auf die Arbeitswelt. Stichworte sind u.a. Robotik und Künstliche Intelligenz. Was erwarten Sie hier für Mitarbeiter und Kunden im Finanzdienstleistungsbereich?
Andreas Dombret: Wir sehen heutzutage bei Anwendungen wie den sogenannten „RoboAdvisern“, also Spielarten einer automatisierten Anlageberatung, wie weit der Einsatz von Technologie mittlerweile in den Finanzsektor reicht. Unterschätzen sollte man die technologischen Möglichkeiten besser nicht. Sofern solche Innovationen von den Kunden angenommen werden, werden sie nämlich künftig kaum mehr aus dem Bankgeschäft und anderen Finanzdienstleistungen wegzudenken sein, da sie oft deutliche Kostenvorteile und zusätzlich auch noch bequeme Nutzbarkeit bieten. Aber gleichzeitig werden nicht alle Kunden diese Entwicklungen mitgehen wollen, sodass ich ein buntes Nebeneinander von Technologien und persönlichen Bankbeziehungen erwarte. Und „Robo Advisor“ werden derzeit nur für vergleichsweise einfache Segmente im Massenmarkt entworfen. Für das Personal in Instituten wird die Bedeutung von IT also in den kommenden Jahren und wohl auch Jahrzehnten kontinuierlich zunehmen.
Lesen Sie nächste Woche den dritten Teil des Interviews. Darin wird es u.a. um die Auswirkungen neuer Technologien auf Arbeit und Gesellschaft und um die Zukunft von Geld und Bezahlen gehen.