Manche Menschen sind einfach keine Spieler. Sie mögen bei der Geldanlage schlicht kein Risiko. Aber deswegen müssen sie nicht nur auf Immobilien und festverzinsliche Wertpapiere setzen. Es gibt auch Anlagestrategien, die auf wenig Verlustrisiko setzen.
Kaum ein anderes Thema beschäftigt Investoren gegenwärtig so sehr wie das Thema des Risikomanagements. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe, die alle zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Seien es die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lieferketten, die sich hartnäckig haltende Inflation oder geopolitische Risiken rund um den russischen Angriff auf die Ukraine. All diese Faktoren sorgen dafür, dass die Abwärtsbewegungen an den Aktienmärkten in Stärke und Häufigkeit deutlich zunehmen.
Angesichts der Vielzahl derartiger „Fat-Tail“-Risiken sind Investoren auf der Suche nach Investmentstrategien, mit denen sie die Chance auf eine ausreichende Rendite wahren und dennoch in Extremsituationen ihre Verluste reduzieren können.
Rendite bei begrenztem Risiko
Gibt es einen Weg, ein vollständig in Aktien investiertes Portfolio zu konstruieren, dabei die Chance auf eine ausreichende Rendite zu wahren und dennoch sein Risiko deutlich zu reduzieren? Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich inzwischen einige Investmentansätze herauskristallisiert, wie beispielsweise sogenannte Low-Volatility- oder Low-Beta-Strategien. Im Kern wird dabei versucht, Aktien mit geringeren Kursschwankungen (Volatilität) als der zugrundeliegende Gesamtmarkt aus dem Investment-Universum herauszufiltern.
Diese Vorgehensweise hat allerdings einen Haken: Setzen Investoren diese Strategie strikt um, besteht die Gefahr, sich ein Klumpenrisiko ins Portfolio zu holen. Denn es sind in der Regel Werte aus nur wenigen defensiven Branchen, die diesen Kriterien entsprechen.
Gezielte Kombination von Einzelaktien
Neben einem Blick auf die Aktienvolatilität lässt sich diesem Problem begegnen, indem man die Korrelation der Aktien untereinander betrachtet. Einzelaktien, die in einer reinen Low-Volatility-Strategie nicht berücksichtigt würden, können zusammen mit bestimmten anderen Aktien zur Risikominimierung innerhalb des Portfolios beitragen.
So lassen sich beispielsweise Aktien von Unternehmen aus energieintensiven Branchen, die von sinkenden Strom- und Gaspreisen profitieren und unter steigenden Energiepreisen leiden, mit Energieproduzenten kombinieren, bei denen es genau umgekehrt ist.
Trübt sich das konjunkturelle Bild ein, werden zyklische Titel typischerweise mehr verlieren als defensive Werte, deren Gewinnerwartungen auch in schwierigen Phasen recht stabil sind und somit die Verluste im Gesamtportfolio begrenzen.
In einem konjunkturellen Aufschwung hingegen werden sich die Gewinnaussichten – und damit die Aktien zyklischer Werte – vermutlich besser entwickeln, während defensive Werte kaum an dieser Bewegung partizipieren. Ein Assetmanager könnte aus einem definierten Investment-Universum nun jede mögliche Kombination von Einzeltiteln testen.
Chancen durch Volatilität
Doch die Überlegung kann man noch einen Schritt weitertreiben. Denn bei allem Verständnis für den Wunsch nach geringer Volatilität bietet diese Risikokennzahl auch Chancen. Ein Teil der Volatilität sind nämlich auch Schwankungen in die positive Richtung. Diese Kursgewinne sind durchaus wünschenswert und sollen nicht begrenzt werden.
Als Messlatte für das Risikomaß sollte daher der sogenannte Wert Value at Risk (VaR) herangezogen werden, dessen Reduzierung für das gesamte Portfolio betrachtet wird. Im Gegensatz zur bekannteren Volatilität, die die Schwankungen einer Anlage nach oben und nach unten misst, erfasst der Value at Risk schließlich nur Schwankungen nach unten. Darauf basierend kann ein reines Aktienportfolio zusammengestellt werden, das den Value at Risk minimiert und dabei ein eingeplantes Risikobudget mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht überschreitet.
Stabile Erträge mit reduziertem Risiko
Hinter den MinVar-Strategien (Minimum Value at Risk) verbirgt sich ein quantitativer Managementansatz, bei dem sich mithilfe eines mathematischen Algorithmus ein effizientes Aktienportfolio mit möglichst geringem Verlustrisiko erstellen lässt. Wesentliches Ziel dieses Ansatzes ist es, einerseits das Portfoliorisiko in fallenden Aktienmärkten zu minimieren und andererseits mittelfristig bis langfristig stabile Erträge zu erzielen.
Damit ist er insbesondere für Anleger geeignet, die generell von einer Outperformance von Aktien gegenüber anderen Anlageklassen überzeugt sind, allerdings auch Verlusten gegenüber wenig tolerant sind. Auf institutioneller Seite ist diese Investmentstrategie beispielsweise für Versicherungsgesellschaften interessant, aber auch für Privatanleger mit hoher Risikoaversion.
Dr. Peter Andres ist Koautor des Beitrags. Er ist Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der SIGNAL IDUNA Asset Management GmbH. Der Betriebswirt war zuvor u.a. als Consultant bei IBM und im Versicherungsbereich tätig.
Der Beitrag ist Teil des Jahrbuchs 2022/23 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier direkt herunterladen.