Apple Card – created by Apple, operated by Goldman Sachs. Ist sie tatsächlich eine neue, innovative Kreditkarte, auf die die Welt gewartet hat? Wohl kaum. Trotzdem ist sie ein cleverer Schachzug von Apple, mit dem der Druck auf Banken und Sparkassen weiter steigt.

Die Apple Card: Innovation im Payment

Die Apple Card ist eine neue innovative Kreditkarte und Innovation im Bereich Payments.

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Nach dem Erfolg von Apple Pay – auch in Deutschland – dringt Apple mit der angekündigten eigenen Kreditkarte weiter in den Markt für Bank- und Finanzdienstleistungen vor. Nach der angekündigten Markteinführung in den USA im August 2019 ist dem Vernehmen nach auch der Sprung über den großen Teich in die europäischen Märkte geplant. Um genauer beurteilen zu können, wie dieses neue Angebot aus Sicht deutscher Finanzinstitute und Konsumenten zu bewerten ist, blicken wir auf die Mehrwerte aus der Perspektive von Apple, seines Bankpartners Goldman Sachs sowie der Kunden. Ist diese neue Karte so revolutionär und innovativ wie angepriesen?

Apple erweitert digitales Ökosystem

Mit der neuen Kreditkarte vollzieht Apple den nächsten logischen Schritt nach der Einführung von Apple Pay und erweitert damit das digitale Ökosystem. Getrieben von sinkenden Wachstumsraten für originäre Apple Produkte gewinnen zusätzliche Ertragsquellen in der Apple-Welt an Bedeutung. Mit dem einfachen Türöffner Kreditkarte werden die Kunden an Banking „created by Apple, operated by a bank“ herangeführt.

So wird einerseits die Kundenbindung erhöht und andererseits der Weg für mögliche weitere Angebote aus dem Banking Produktportfolio bereitet, die basierend auf dem umfassenden Wissen über ihre Kunden bereitgestellt werden können. Als schönen Nebeneffekt kann Apple Kosten sparen, die aufgrund der Nutzung von Apple Pay mit Kreditkarten externer Anbieter anfallen.

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Goldman Sachs erschließt neue Kundengruppe

Die neue Strategie von Goldman Sachs weiter in Richtung privater Endkunden vorzudringen, wird nach dem Launch der Online-Banking Plattform „Marcus“ vor wenigen Jahren durch die Kooperation mit Apple fortgesetzt und bietet Zugang zu einer sehr lukrativen Kundengruppe. Die bis zuletzt im Endkundengeschäft wenig engagierte Investmentbank bringt die Banking-Kompetenz bei der Apple Card ein und erschließt sich eine neue Datenquelle, auf deren Basis das eigene Produkt- und Serviceangebot weiterentwickelt und perspektivisch Cross-Selling Angebote vermarktet werden können.

Anders als bei „Marcus“ überlässt Goldman Sachs Apple die Besetzung der Kundenschnittstelle. Dabei profitiert die Investmentbank von der Reputation und dem großen Vertrauen der Kunden in Apple und nutzt die Strahlkraft des Apple Ökosystems für eigene Zwecke. Hier zeigt sich, dass Partnerschaften beidseitige Vorteile bringen und ein elementarer Bestandteil in der heutigen digitalen Welt sein können. Die gemeinsame Kreditkarte kann Prototyp einer langfristigen und auf ein perspektivisch größeres Produktportfolio ausgerichteten Zusammenarbeit sein.

Geringe Innovationskraft aus Kundensicht

Um zu verstehen, ob die Apple Card für Kunden einen Mehrwert gegenüber bestehenden Angeboten bietet und innovativen Charakter besitzt, betrachten wir die aus unserer Sicht wesentlichen von Apple beworbenen Eigenschaften aus Kundenperspektive.

Die Integration der Kreditkarte in das Apple Ökosystem ermöglicht den Kunden eine einfache und schnelle Beantragung direkt über ihr mobiles Endgerät. Doch benötigen Kunden überhaupt eine neue Kreditkarte? So lässt sich bereits jetzt mit einer Vielzahl von Kreditkarten von Drittanbietern Apple Pay vollständig nutzen. Zudem dürften die zahlungskräftigen Apple Kunden bereits über mindestens eine kompatible Kreditkarte verfügen und damit einen nur geringen objektiven Bedarf für das neue Angebot besitzen. Auch rein digitale Kreditkarten sind bereits verfügbar und stellen keine Innovation dar.

Für die Nutzung der Kreditkarte fallen beim Kunden keinerlei Gebühren an. Doch auch zahlreiche Direktbanken haben in den vergangenen Jahren kostenlose Kreditkarten mit fairen Kreditzinsen als Standard etabliert. Darüber hinaus beinhalten diese Karten teils zusätzliche Mehrwerte wie Reiseversicherungen und kostenlose weltweite Bargeldabhebungen.

Apple bietet seinen Kunden zudem ein unmittelbares Cashback bei Zahlungen mit der Apple Card. Die Höhe beläuft sich auf 1-3 Prozent des Zahlungsbetrages in Abhängigkeit des Einsatzortes der Karte und die Gutschrift soll real-time in Cash auf dem mobilen Endgeräterfolgen. Damit differenziert sich Apple von den Wettbewerbern und bietet ein interessantes Feature. Dennoch bleibt offen, ob Apple seinen Kunden damit einen tatsächlichen finanziellen Mehrwert bietet, da die Bonus- und Cashback Programme anderer Marktteilnehmer bereits sehr gut und übergreifend angelegt sind. Da stellt sich schnell die Frage: Kann Cashback bei der weiten Verbreitung von Payback, Miles and More und bankeigenen Programmen ein schlagendes Argument für die Kunden sein?

Bei Apple erhalten die Kunden zukünftig eine vollständige Transparenz über ihre Finanzen inklusive der Möglichkeit, den physischen Ort der Transaktion anzeigen zu lassen. Das ist definitiv ein interessantes Feature, aber ist dies in Zeiten von PSD2 und Open Banking wirklich innovativ? Klar, die Details über die Ausgaben sind direkt und einfach über das mobile Endgerät einsehbar. Allerdings ermöglichen FinTechs und etablierte Anbieter Vergleichbares über ihre Apps. Oftmals gehen die Möglichkeiten sogar deutlich über das von Apple in Aussicht gestellte Angebot hinaus. So sind zusätzlich zur Clusterung von Ausgaben bereits die Unterstützung bei ertragsoptimierter Geldanlage oder die Steuerung von Verträgen und Abos möglich.

Mit der Apple Card erklimmt der Kunde ein neues Level an Privatsphäre und Sicherheit durch Gesichtserkennung, Touch-ID und den Verzicht auf die Kreditkartennummer auf der physischen Karte. Doch wo genau liegt der Unterschied zu einer in Apple Pay integrierten externen Kreditkarte? Und wo liegt der Mehrwert an Sicherheit zu einer mit Verified-by-Visa gesicherten Karte mit abgedruckter Nummer? Finanzinstitute in Deutschland müssen weitreichende regulatorische Anforderungen erfüllen und bieten ihren Kunden bereits heute ein hohes Maß an Sicherheit. Ob durch die Integration der privaten Finanzinformationen des Kunden in das Apple Ökosystem ein höheres Maß an Privatsphäre resultiert, kann zumindest zu diesem Zeitpunkt mit einem Fragezeichen versehen werden.

Welcher Mehrwert bleibt am Ende für den Kunden tatsächlich? Ist es schlicht das schicke Design, der höhere Komfort in der Beantragung und die gute Reputation von Apple?

Win-Win-Lose

Apple gewinnt, da sie es schaffen weiter in die Finanzbranche vorzudringen und dabei einen renommierten Partner gewonnen haben, der sich in einer strategischen Neuausrichtung befindet und offen für neue Formen der Zusammenarbeit ist.

Goldman Sachs gewinnt, da ein strategisch neues Kundensegment mit überschaubaren Kosten weiter erschlossen werden kann. Dabei segelt die Investment Bank im Windschatten der guten Reputation von Apple und kann hoffen, dass ein Teil auf ihr Image abfärbt.

Betrachtet man die Funktionalitäten und deren innovativen Charakter scheint fraglich, ob auch die Kunden zu wahren Gewinnern zählen. Dennoch ist ein Launch der Apple Card keine gute Nachricht für die Privatkundenbanken in Deutschland. Denn auch wenn die Kunden die Apple Card objektiv nicht zwingend benötigen, ist zu erwarten, dass sie die neue Karte nachfragen und Apple damit perspektivisch vollkommen neue Möglichkeiten eröffnen. Bei Einführung der Kreditkarte in Deutschland bekommen die Banken damit nicht nur Apple, sondern auch Goldman Sachs als weiteren gestärkten Wettbewerber.


Nadine Lippold

Nadine Lippold ist Koautorin des Beitrags und Senior Management Consultant und Digitalexperte bei diconium strategy und war zuvor u.a. bei tesa und einer Sparkasse beschäftigt. Sie hat einen Master in Management und Business Development der Universität Lüneburg.