Wie sieht mein Arbeitsplatz der Zukunft aus. Diese Frage ist nicht nur Thema einer Blogparade sondern auch relevant für Banken und Sparkassen, die sich den Veränderungen sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite stellen müssen. Dabei gibt es Chancen, aber auch Grenzen.
Der Netmedia Blog hat eine Blog-Parade ausgeschrieben, an der ich mich gerne beteilige. Das Thema lautet „Wie sieht Dein Arbeitsplatz der Zukunft aus“ und für alle diejenigen, die nicht wissen, was eine Blogparade ist, sei dies einführend vorangestellt.
Was ist eine Blogparade
Eine Blog-Parade (auch Blog-Karneval genannt) eine ist eine Blog-Veranstaltung, bei der ein Blog-Betreiber als Veranstalter ein bestimmtes Thema festlegt, dieses als Blog-Beitrag veröffentlicht und die lesenden Blogger dazu auffordert, innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums (üblich ist ein Zeitraum von 1-4 Wochen) einen Artikel zu diesem Thema im jeweils eigenen Blog zu veröffentlichen und den Veranstalter entsprechend über die Veröffentlichung zu benachrichtigen.
Themenstellung „Arbeitsplatz der Zukunft“
Der Arbeitsplatz der Zukunft in einer Welt, die zunehmend digitaler wird ist sicherlich ein spannendes Thema. Aber nicht nur die Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema, auch der Drang der Menschen in städtische Agglomerationen, die zunehmende Verkehrsbelastung, der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance, all dies sind Dinge, die nicht nur für Blogger sondern für jeden Menschen eine Rolle spielen.
Für Banken und Sparkassen (aber nicht nur für die) in doppelter Hinsicht: Zum einen betreffen die Veränderungen die Kunden und zum anderen die Mitarbeiter. Vor allem für kleine Institute und solche im ländlichem Raum keine einfache Aufgabe.
Kann und darf ich zukünftig Als Mitarbeiter bestimmen, ob ich im Büro arbeiten will oder auf einer Palmeninsel? Ob ich schon um 5 Uhr morgens beginne oder um 18 Uhr am Abend? Geht das überhaupt entlang der Wertschöpfungskette einer Bank? Wie kann ich die neuen verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, z.B. für verbesserte Weiterbildungsmöglichkeiten oder eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das sind einige der interessanten Fragen, die der Netmedia Blog aufgeworfen hat. Beantwortet werden sollen sie auf Basis der konkreten eigenen Arbeitssituation.
Einige nachdenkliche Antworten
Früher war ich angestellter Banker, heute bin ich selbständiger Unternehmensberater, Interimsmanager, Softwareverkäufer, Hochschuldozent, Vortragender und (auch) Blogger.
Früher habe ich morgens um halb 8 zum Arbeiten die eigenen vier Wände verlassen, um zu meinem Arbeitsplatz zu gelangen und bin abends (mitunter sehr spät) nach Hause zurück gekommen. Heute arbeite ich (sofern ich nicht unterwegs bin) im Home Office und kann mir meine Zeit frei einteilen. In der Praxis bedeutet dies, dass ich meist ab 7 Uhr am PC sitze und diesen abends um 22 Uhr ausschalte.
Früher war Wochenende Wochenende und Urlaub war Urlaub. Heute arbeite ich an sieben Tagen in der Woche und auch im Urlaub nehme ich den Laptop mit.
Früher dominierte der persönliche Kontakt zu Kunden und Mitarbeitern, heute findet dieser zu 80 Prozent über Telefon oder auf elektronischem Weg statt.
War früher nun alles besser oder ist heute alles besser? Wenn ich meine Familie frage, so ist die eindeutige Antwort: „Früher“. Der Wegfall der räumlichen Trennung zwischen Arbeits- und Freizeitbereich bedeutet auch ein Aufweichen der psychologischen Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Man geht mal eben ins Home Office und macht noch schnell was fertig…
Wenn ich mich selbst befrage, lautet die Antwort „teil-teils“. Vorteile sind: mehr Kontakt mit der Familie und mehr zeitliche Freiräume. Ich gehe z.B. mittags gerne joggen, was in einem Büroumfeld nicht funktioniert. Nachteile sehe ich aber auch und vor allem im zunehmenden Wegfall der räumlichen und in der Folge psychologischen Barriere zwischen Arbeit und Freizeit. Es fällt schwerer, mal richtig abzuschalten.
Selbstdisziplin, was von vielen Heimarbeitern als Thema angesprochen wird, ist für mich zum Glück kein Thema, sei aber dennoch hier erwähnt.
Bedeutung der Technik
Das Ganze funktioniert nur deshalb, weil es heutzutage eine umfassende und bezahlbare (Kommunikations-)Technik zur Unterstützung gibt: DSL, Handy, Leistungsstarke Hard- und Software sowie die entsprechenden Kommunikationsplattformen einschließlich der nicht mehr weg zu denkenden sozialen Medien. Diese Technik ist aber Segen und Fluch zugleich. Ich kenne zahlreiche Menschen, bei denen das Handy niemals ausgeschaltet wird. Ich selbst gehöre allerdings nicht zu dieser Kategorie.
Das folgende Video zeigt die Vorteile eines „Bankarbeitsplatzes der Zukunft“ weitgehend aus technischer Perspektive und ohne auf die kritischen Themen einzugehen.
Grenzen der Technik
Am meisten freue ich mich, wenn ich Menschen persönlich begegne, die ich vorher „nur“ virtuell kannte. Interessanterweise kommt dies recht häufig vor, zum Beispiel auf Tagungen, und das Schöne daran ist, man „kennt“ sich ja bereits, hat also eine Beziehung, auf der man aufbauen kann. Anscheinend geht es nicht nur mir so, sogar Besucher aus dem Ausland, mit denen man virtuell verbunden ist und die einen Termin in Deutschland haben, melden sich und die Freude ist wechselseitig, wenn man es einrichten kann, sich persönlich zu treffen.
Eine Blaupause auch für Banken?
Begrenzt würde ich sagen. Banken sind Dienstleister und ein Wesen der Dienstleistung ist, dass sie direkt am Kunden erbracht wird. Allenfalls die Vor- oder Nachbearbeitung der Dienstleistung ist (teilweise) am Arbeitsplatz zu Hause (oder mobil) statt im Büro möglich.
Für Selbständige bietet sich hier grundsätzlich eine Fülle an interessanten Möglichkeiten. Als Selbständiger bin ich ja mehr oder weniger Einzelkämpfer. Trotzdem merke Ich häufig, wie wichtig die regelmäßige Kommunikation mit anderen (Kunden, Partnern) ist und wie schwierig es mitunter ist, diese konstant virtuell aufrechtzuerhalten. Innerhalb eines Betriebes ist die Kommunikation mit den Kollegen noch wichtiger. Die wünschenswerte Einbindung in die Unternehmensstruktur mit all ihren formalen und informellen Informationsflüssen und vor allem auch die Beziehung zur Unternehmenskultur wird meines Erachtens dem Modell „Home Office“ immer Grenzen setzen. Im Kundenbereich deutlich engere als in Stabs- oder Servicebereichen, aber dort eben auch.
Die Grenze sehe ich persönlich bei maximal zwei Home-Office Tagen (bezogen auf einen Vollzeitjob). Die Idee, (angestellte) Teilzeitjobs mit Heimarbeit zu verbinden halte ich nur in wenigen ausgewählten Bereichen mir klar und eindeutig formulierten individuell abarbeitbaren Arbeitsaufträgen für möglich. Schon die Einbindung in ein Team setzt dem enge Grenzen.
Diskutieren Sie mit
Was meinen Sie? Wo sehen Sie Möglichkeiten und Grenzen eines dezentralen Arbeitsplatzes im Bankbereich? Wie sehen Sie das Viereck „Beruf-Freizeit-Familie-Selbst“ vor dem Hintergrund moderner Kommunikationstechnik? Fluch oder Segen? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare.
Hinweis
Die Ergebnisse der Blog-Parade sollen übrigens in einem E-Book zusammengefasst werden. Ich bin schon jetzt auf die anderen Beiträge gespannt.
8 Kommentare
Hallo Herr Dr. Leichsenring,
das ist ein prima Überblick über das Thema!
Bei uns – bei der Sparkasse Bodensee – gibt es schon seit 2008 Mitarbeiter mit Homeoffice. Derzeit sind es 24 Mitarbeiter aus Stab und Marktfolge, die maximal drei Tage in der Woche von zuhause arbeiten. Dieses Modell wurde zuerst umfassend getestet und nachdem es auf gute Akzeptanz gestossen ist, unternehmensweit eingeführt. Wir sind dabei sogar so weit gegangen, dass auch Führungskräfte von Abteilungsleiter bis zu den Bereichsleitern an dieser Arbeitszeitform teilnehmen können und teilweise dies auch tun.
Wichtig ist natürlich, dass zum einen die Technik mit den sensiblen Bankdaten fehlerfrei und sicher läuft und zum anderen, dass diese Modelle von den Teams und Kollegen(innen) akzeptiert werden. Hier haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.
Für die Führungskräfte ist es natürlich eine Herausforderung und teilweise eine neue Art der Führung, die hauptsächlich auf Vertrauen basiert. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter nicht komplett von zuhause arbeiten, dadurch würden sie den Kontakt zum Team und die aktuellen Infos verlieren. Eine Befragung der Teilnehmer zeigte ganz klar, dass dieses Arbeitsmodell beiden Teilen viele Vorteile bringt. Die Mitarbeiter können Ihre Zeit nahezu frei einteilen und in ihren „starken Zeiten“ arbeiten. Bedürfnisse von Familie oder auch von zu pflegenden Angehörigen können wesentlich besser untergebracht werden. Die Kollegen(innen) werden i.d.R. in Konzentrationsphasen weniger gestört und kommen dadurch natürlich schneller zum Ziel. Der Wegfall des Weges zur Arbeit kommt dem Zeitaufwand des Mitarbeiters aber auch der Umwelt zu Gute. Alles in allem geben die Mitarbeiter in der Befragung (noch) höhere Motivationswerte an – dies ist der wesentliche Vorteil für die Sparkasse.
Seine Grenzen findet dieses Modell sicher im Kundenbereich. Die Kunden möchten ja kaum im Wohn- oder Arbeitszimmer des Beraters zuhause beraten werden. Im Gegenteil, da wird der Berater eher beim Kunden erwartet. Auch dort bieten wir mit unserer von 8.00 bis 20.00 Uhr Beratung viele Möglichkeiten.
Alles in allem sind unsere Mitarbeiter und wir mit dem Arbeitszeitmodell Homeoffice – bei den Arbeitsplätzen, bei denen es passt – sehr zufrieden.
Wolfgang Aich
Bereichsdirektor Vorstandsstab der Sparkasse Bodensee
Hallo Herr Aich
danke für Ihren ausführlichen Kommentar. Bemerkenswert, was Ihr Haus da macht und sicherlich ein gutes Vorbild für viele andere, von denen die meisten vermutlich noch lange nicht soweit sind.
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
Hallo Herr Dr. Leichsenring,
toll, dass Sie es noch geschafft haben an der Blogparade teilzunehmen! Ich freue mich wirklich sehr über Ihre Gedanken zu dem Thema, die sie wunderbar aufbereitet haben. Und ich gebe Ihnen Recht: Es hat alles seine Vor- und Nachteile und letztendlich muss der AG und der Angestellte gemeinsam herausfinden, wie effizient gearbeitet werden kann aber auch so, dass der von Ihnen angesprochene Worklife-Balance stimmt.
Zu Herrn Aich möchte ich noch sagen: Gerade Banken, so denke ich, stehen ja im „Verruf“ eher konservativ zu sein. Umso mehr freue ich mich, dass hier die Sparkasse Bodensee so offen mit dem Thema umgeht und es auch umsetzt. Gerade gestern hatte ich von Ihren Kollegen der Starkasse LeerWittmund eine spannende Präsentation gesehen, indem erklärt wurde, wie wichtig es ist, Mitarbeiter zu einem groß angelegten und stark diskutierten Bauprojekt mitzunehmen um sie zu begeistern. Das hat nur indirekt etwas mit dem Thema Arbeitsplatz der Zukunft zu tun aber ich bin sehr positiv beeindruckt über die Weitsichtigkeit der Führungskräfte dort. Letztenendes bedeuten solche Maßnahmen zur Kommunikation und Transparenz aber auch, dass das Integrieren der Mitarbeiter in die Geschäftsvorhaben zu mehr Zufriedenheit im Unternehmen führt und die Akzeptanz bei starken Änderungen erhöht.
Viele Grüße aus dem Saarland
Bianca Gade
Hallo Frau Gade
danke für Ihren ausführlichen Kommentar. Das Thema „Mitnehmen der Mitarbeiter“, das Sie angesprochen haben, ist aus meiner Erfahrung als Berater, der auch in vielen Veränderungsprojekten tätig ist (neudeutsch „Change“), das zentrale Thema überhaupt. Leider wird es längst nicht überall richtig und zielführend gemacht. Oft denken die Vorstände, zum „Mitnehmen“ reiche es aus, etwas einfach zu verkünden. Dem ist jedoch nicht so…. ;-) und in der Folge scheitern viele (auch viele gute) Konzepte in der Umsetzung.
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
Gerade in Bezug auf die Arbeit im Home Office kann ich dem Beitrag nur zustimmen. Man muss sich schwer am Riemen reissen um nicht sieben Tage die Woche zu arbeiten und auch noch im Urlaub mit Laptop und Blackberry herum zu rennen.
Das erhöht ja auch auf jeden Fall die BurnOut-Gefahr bei jeder Tätigkeit. Ansonsten glaube ich, dass der Arbeitsplatz der fernen Zukunft wieder fast genauso aussehen wird wie der Arbeitsplatz vor 100 Jahren….brauchen wir wirklich das Internet, die Banken und das ganze Drumherum ;-) ???
Hallo Herr Dittner
danke für Ihren Kommentar. Spannende Frage, wie es in 100 Jahren ausschauen wird. So eine Zeitmaschine, mit der mal mal luschern könnte, würde mich schon reizen
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
Sehr geehrter Herr Leichsenring,
vielen Dank für den interessanten Artikel! Auch bei uns in der Raiffeisenbank International ist das Home Office / die Telearbeit schon eine sehr etablierte Art des Arbeitens, insbesondere natürlich im Marktfolgebereich.
Auch ich selbst (als Corporate Credit Analyst) nutze diese Möglichkeit im Schnitt einen Tag die Woche. Dies spart an diesen Tagen einiges an Fahrzeit, ermöglicht konzentrierteres Arbeiten und bei Bedarf auch zwischendurch die Erledigung familiärer Aufgaben (nicht ganz unwichtig als Vater von drei Kindern, wo auch die Ehefrau halbtags berufstätig ist).
Natürlich stellt dies auch zusätzliche Anforderungen an die jeweiligen Führungskräfte (ich bin selbst ja auch eine solche), aber mit den heutzutage hochentwickelten Möglichkeiten der Telekommunikation lässt sich dies sehr gut managen.
Es erfordert aber natürlich auch einiges an Selbstdisziplin, um die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit nicht zu sehr verschwimmen zu lassen.
Freundliche Grüße
Christian Dietl
Sehr geehrter Herr Dietl
danke für Ihre wertvollen Hinweise
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring