PayPal war der Vorreiter, andere folgen nach. Neue Anbieter nutzen das soziale Netz und mobile Technologie, um den etablierten Banken das Leben im Zahlungsverkehr schwer zu machen. Gute Ideen und Einfachheit führen zum Erfolg.
Neulich hatte ich das Vergnügen auf einer Tagung über aktuelle Entwicklungen im Zahlungsverkehr vortragen zu dürfen. Einige wesentliche Eckpunkte möchte ich hier kurz zusammenfassen.
Herausforderung durch Internet und soziale Netzwerke
Die Zahl der Wettbewerber im Zahlungsverkehr nimmt immer mehr zu. Hier ein kurzer Überblick:
PayPal
Einst eine Ebay-Gründung mit dem Ziel, das Bezahlen und damit die Abwicklung für Käufer und Verkäufer einfacher zu machen, ist inzwischen mit einer Vollbanklizenz ausgestattet und macht den Banken im Internet-Zahlungsverkehr Konkurrenz.
twitPay
Twitpay bietet eine Plattform zum Bezahlen über Twitter durch einfaches Retweeten einer Zahlungsaufforderung. Bislang begrenzt auf die drei Bereiche „Gaming, Commerce und Giving” verbindet Twitpay Marketingaktionen und Leadgeneration mit Bezahlen übers soziale Netz.
Facebook-Credits: Einst als Bezahlwährung für Spiele auf Facebook gedacht, sind Credits inzwischen sogar mit einer Kreditfunktion versehen. 2011 soll das Jahr des E-Commerce auf Facebook werden. Ab dem 01. Juli 2011 sind Credits Pflicht inner-halb von Facebook Apps. Ein System, das mobiles Bezahlen erlaubt, ist in Vorbereitung. Bleibt nur die Frage, wann Facebook eine eigene Bank gründet.
SociallyPay
Mit einem Klick werden Zahlungen innerhalb sozialer Netzwerke wie Twitter oder Facebook autorisiert und von SociallyPay über PayPal oder eine andere Bankverbindung abgewickelt. Das System befindet sich im Aufbau.
Flattr
Seit etwa einem Jahr bietet der soziale Micropaymentdienst Flattr Bloggern und unabhängigen Webseiten die Möglichkeit, ihre Nutzer zu motivieren, über einen eingebauten Flattr-Button freiwillig für guten Inhalt zu zahlen. Nun geht die Firma einen Schritt weiter und ermöglicht (im Prinzip) beliebige Zahlungen zwischen zwei Twitter-Accounts.
Bitcoins
Bitcoins ist eine Art „offene Währung“ auf Peer-to-Peer-BasisÜber sogenannte Bitcoin-Adressen kann Geld anonym von einem speziellen Service über das Netzwerk an andere Adressen überwiesen werden.
Zong
Bei Zong wird über das Klicken eines roten Bezahl-Buttons in einer Webseite ein PIN-Code ans Mobiltelefon versendet. Dieses eingeben, fertig. Zong hat bereits über 100 Mitarbeiter und man kann z.B. Facebook Credits damit kaufen.
GoogleCheckout / GoogleWallet
Die Firma hat gerade bekannt gegeben, dass sie mobiles Bezahlen in Geschäften in New York und San Franzisco testen wird. Der neue Dienst soll die Bankdaten des Nutzers, Geschenk-Gutscheine, Kundenkarten und Coupon-Abonnements über einem einzigen NFC-Chip auf dem Android-Handy speichern und so eine neue Welt des mobilen Bezahlens erschließen.
Amazon payments
Amazon Payments ermöglicht es, auf Websites Dritter (d. h. nicht-Amazon), die Amazon Payments akzeptieren, die bei Amazon.de hinterlegten Zahlungsdaten zu nutzen um online für Waren und Dienstleistungen zu bezahlen. Somit kann man mit einem Amazon Payments-Konto auf Websites von Drittanbietern sicher einkaufen, ohne die eigenen Zahlungsdaten offenlegen zu müssen.
Mobilität verstärkt den Trend
Der neue Wettbewerb der Zahlungsverkehrssysteme und –anbieter wird durch den Trend zur mobilen Kommunikation nochmal deutlich angeheizt. 2014 wird rein rechnerisch jeder Mensch ein Handy besitzen und spätestens 2015 sollen 1 Mrd. Menschen mobiles Banking nutzen. Einer Umfrage zufolge sehen 44 % der Deutschen im Handy die Filiale der Zukunft.
NFC als weiterer Wachstumsmotor
Bereits Ende 2011 werden über 70 Millionen Mobiltelefone mit einem Near Field Communication Chip (NFC) ausgerüstet sein. Für 2013 werden weltweit NFC Mobile Payment Transaktionen im Wert von 75 Milliarden US$ erwartet. Apple, Google & Co. testen oder planen Bezahlen per Mobiltelefon. In England wird z.B. ab Sommer bei McDonald’s das Bezahlen per NFC möglich sein.
Bewertung
Was zeichnet die neuen Angebote aus?
- Einfachheit
Zunächst mal die einfache Anwendung. Statt ein Überweisungsformular auszufüllen (und dafür erst mal alle Daten zu sammeln) und danach PIN und TAN einzugeben, klicke ich auf einen Button, bestätige und Fertig.
- Integration
Viele der neuen Angebote sind in Shops, aber eben auch in sozialen Medien integriert. Das ermöglicht es, schnell und direkt auf sie zuzugreifen, statt erst ins Online-Banking einer Bank einzusteigen.
- Sicherheit
Schenkt man den Anbietern Glauben, sind die Systeme sicher. In jedem Fall ist Sicherheit wohl unverändert die zentrale Grundbedingung, um eine Akzeptanz beim Kunden herzustellen, bzw. bei Fehlen sich diese zu verspielen.
Wo bleiben die Banken
Die an den Vortrag anschließende Diskussion hat mich eher nachdenklich gestimmt. So war die Aussage eines Großbankenvertreters, er sei am „kleinen Zahlungsverkehr“ den die o.g. Systeme anbieten doch eigentlich gar nicht interessiert.
Nun weiß ich, dass nicht alle Banken diese Sichtweise haben. Der Zahlungsverkehr ist zwar nur ein Teil des Geschäftes mit Privatkunden, aber ein sehr wichtiger. Völlig zu Recht wird das Girokonto auch als „Drehscheibe“ bezeichnet und der Zahlungsverkehr nimmt damit eine ganz zentrale Funktion des Service- und Leistungsangebots der Banken an ihre Kunden ein.
In einem anderen Vortrag wurde auch dargestellt, wie europäische Großbanken versuchen, ein ähnliches System wie PayPal aufzubauen. Kleine Ironie des Schicksals: PayPal wurde ja auch Banken zum Kauf angeboten, bevor Ebay zugeschlagen hat.
Ob diese Versuche von Erfolg gekrönt werden, vermag ich nicht zu sagen. Allerdings habe ich schon begründete Zweifel, dass es die Banken schaffen werden, ein einheitliches wettbewerbsfähiges Gegenangebot auf die Beine zu stellen. Das Beispiel Sepa zeigt ja, dass Vereinheitlichung nicht unbedingt im Vordergrund steht.
Meiner Meinung nach wird es für die Banken auch in Zukunft wichtig sein, bei den Zahlungsströmen weiter dabei zu bleiben, sonst gehen ihnen im ersten Schritt wertvolle Informationen über ihre Kunden und im zweiten Schritt die Kunden selbst verloren. Das wird ein schleichender Prozess sein und keine Revolution, aber die Margen werden sich weiter vermindern, und die Banken werden einen immer kleiner werdenden Teil vom Kuchen erhalten, wenn sie nicht aufpassen.
Sonst entgleitet ihnen ein weiterer Teil der Kundenbeziehung.
Was meinen Sie? Brauchen Banken den Zahlungsverkehr? Werden Sie wettbewerbsfähig bleiben? Oder dominiert in Zukunft das „One-click-Payment“ via Netz oder Mobiltelefon?
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11 Kommentare
Hallo Herr Dr. Leichsenring,vielen Dank für den interessanten Artikel. Zufällig bin ich heute gerade auf die Ergebnisse einer Umfrage gestoßen, die erkennen lassen, dass auch Banken selbst diese Problemstellung inzwischen stärker fokussieren: Mehr als die Hälfte sieht sich von der Entwicklung bedroht, wobei die Bedrohung im Firmenkundengeschäft als höher eingeschätzt wird, als im Privatkundengeschäft. Außerdem planen rund 40 % der Banken Investitionen in Kommunikations- und Mobile-Banking-Apps.Diese Ergebnisse wurden von der Zeitschrift „Die Bank“ veröffentlicht: http://www.die-bank.de/it-und-kommunikation/banken-planen-investitionenBeste GrüßeMatthias Schubert
Leider wurde der Link zur Umfrage nicht korrekt dargestellt. Darum hier noch einmal: http://www.die-bank.de/it-und-kommunikation/banken-planen-investitionen
Hallo Herr Schubert
Danke für Ihren Kommentar und den Link. Ich bin ja gerade auf dem German Finance Forum, wo das Thema auch diskutiert wird. Mein Eindruck ist unverändert: Die Masse der Banken hat (einmal mehr) das Bedrohungspotential noch gar nicht richtig wahr genommen.
Es ist ja zu kurz gesprungen, nur auf den Zahlungsverkehr zu schauen. Das ist ja nur ein Anfang.
Heute wurde in von einem Referenten gefragt, ob im Publikum jemand vor fünf Jahren an Facebook geglaubt hätte. Die richtige Frage wäre aber, „wo steht Facebook (oder andere) in fünf Jahren und wo stehen die Banken?“
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
Hallo Hansjörg,ich gebe Dir bei den meisten Punkten Recht. Letztendlich hat es Paypal vorgemacht, wie einfach das Versenden von Geld via E-Mail ist. Auch die Fidor Bank geht mit Ihrem e-wallet in diese Richtung. Erfolg haben wird der, der in kurzer Zeit einen attraktiven Service zu einem attraktiven Preis mit einer großen Akzeptanz (Händler und Nutzer) anbietet. Hier sehe ich Facebook und Google ganz klar im Vorteil. Wenn ich mir aber die Entwicklung von bspw. Bitcoin ansehe und feststelle, wie einfach das anonyme Versenden von Geld ist, komme ich ganz schön ins Staunen. Wer es mal ausprobieren will, läd´ sich den Bitcoin Client unter <a href=“http://www.bitcoin.org/“ title=“www.bitcoin.org“>www.bitcoin.org</a> runter und schickt mir ein Bitcoin an: 17SAvjUCYFkjuzAZ8s8RRhNxHm1rzyX4XG ;-)Gruss Michael B. Bußhaus
Die Reaktionen, die Sie aus den Banken hören, decken sich mit meinen Erfahrungen. Das Thema wird grandios unterschätzt von den Finanzinstituten. Es wird übersehen, dass der Zahlungsverkehr oft der Einstieg ist. Dem Zahlungsverkehr folgt das Konto, anschließend die Geldanlagen und das Depot. Andererseits sind einzelne Banken derzeit gar nicht in der Lage, hier wirklich zu reagieren durch die Entwicklung eigener Leistungen. Vielleicht ist dies eines der Kernprobleme der Banken. Viele Grüße Dirk Elsner
Hallo Herr Elsner
danke für Ihren wertvollen Hinweis. Ich kann das aus vielen Gesprächen der letzten beiden Tage beim Finance Forum uneigeschränkt bestätigen.
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
Lieber Michael
danke für die Ergänzungen.
LG
Hansjörg
Hallo die Herren!
Darüberhinaus sollte man sich auch die Chance/Gefahr für die Banken aus der mobilen Richtung bewusst machen. Erwähnt seien hier aktuell geplante und in Piloten befindliche Lösungen der Mobilfunkbetreiber in D aber auch das seit 4 Jahren in Kenya sehr erfolgreich eingesetzte System m-Pesa von Safaricom(Vodafone), dass auch hierzulande Potenzial hat, insbesondere bei der jüngeren Generation/digital natives!
BG KB
Hallo Herr Barkhofen
danke für Ihren Hinweis und den interessanten Link. Es ist völlig richtig, dass in vielen Ländern Afrikas das M-Payment sehr fortgeschritten entwickelt ist.
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
Arroganz ist das eine, aber vielleicht ist es einfach eine Marktsegmentierung seitens der „Großen“, die ja ihre Gründe hat.Was der Bankenvertreter hier sagt, hat Entsprechungen auch in vielen anderen Branchen: in Energie- wie im Telekommunikationsmarkt sehen wir eine entsprechende Einteilung. Soll heissen: Diese Bank sieht sich im Grosskundensegment, oder im Zahlungsverkehr zwischen Zahlungsinstituten. Der Kleinkunde wird von den „last mile“-Instituten bedient, die dazu entweder ein aufwendiges Filialnetz unterhalten oder/und eine kundenfreundliche UND sichere e-Lösung. Klar, das Massengeschäft der last mile ist aufwendiger und kostenintensiver. Wenn die „Großen“ aber glauben, nun ganz ohne ein gesundes Standbein in der last mile ganz einfach ihren“Backbone“ profitabler zu machen, sind sie ganz schnell abgekoppelt vom Endmarkt, und damit wird unser Geflecht von Zahlungsinstituten wieder ein Stück spezialisierter und damit risikoanfälliger. Das wiederum kann nicht gut sein.
Hallo Frau Kegel
Danke für Ihren Kommentar. Ich kann Ihnen nur zustimmmen
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring