In der Industrie schon längst Standard, in Finanzinstituten noch selten: Process Mining. Über die Gründe und die Möglichkeiten für die Prozessoptimierung habe ich mich mit Dr. Carsten Jacobi von der EMPORIAS Management Consulting unterhalten.
Die Datenberge werden immer größer, aber keiner weiß, wie er richtig zu bezwingen ist. Dabei binden diese ungenutzten Daten ein enormes Potenzial. Richtig ausgewertet, können sie die Prozesse optimieren, die Effizienz steigern, Kosten senken und langfristig die Kundenzufriedenheit verbessern. Nicht umsonst spricht man von Daten als dem wertvollsten Rohstoff, den die digitale Transformation zu bieten hat.
Interview mit Dr. Carsten Jacobi, EMPORIAS Management Consulting
Finanzinstitute verfügen über einen besonders reichen Fundus an Daten und werden dafür selbst von großen Technologieunternehmen beneidet. Genutzt werden diese Werte allerdings noch nicht in dem Umfang, in dem dies möglich und sinnvoll wäre.
Warum das so ist und darüber, wo die Chancen und wo die Herausforderungen beim Datenmanagement liegen, habe ich mich mit Dr. Carsten Jacobi unterhalten. Der promoviere Wirtschaftsingenieur ist Gründer und Geschäftsführer der EMPORIAS Management Consulting GmbH & Co. KG und Experte für die Adaption von industriellen Konzepten, insbesondere auf Finanzinstitute.
Data Analytics setzt Kompetenz und Verständnis voraus
Der Bank Blog: Aktuelle Studien zeigen, dass Process Mining in Banken und anderen Finanzinstituten noch nicht sehr verbreitet ist. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Carsten Jacobi: In der Tat steht das Thema Process Mining bei Banken und Versicherungen noch eher am Anfang. Dabei haben sie eigentlich mit ihren Produkten die besten Voraussetzungen dafür, ihre Abläufe durch die automatisierte Auswertung der Event Logs zu analysieren und zu optimieren. Voraussetzung dafür ist, aus der Vielzahl der Daten die relevanten Informationen zu identifizieren. Und das ist aufgrund der Systemlandschaften und der mangelnden Expertise im Bereich Data Analytics bei Banken und Versicherungen wohl der Hauptgrund.
Der Bank Blog: Data Analytics dürfte doch für Banken und Versicherungen kein Problem sein. Wo sehen Sie hier die Herausforderungen?
Carsten Jacobi: Data Analytics umfasst zwei Aspekte: Die Kompetenz, die Daten in der richtigen Granularität bereitzustellen sowie das Verständnis dafür, wie Prozesse zusammenhängen und was sie komplex macht. Beispielsweise können Produktmerkmale ausschlaggebend für Prozessvarianten und unterschiedliche Durchlaufzeiten sein. Nur wer diese relevanten Stellhebel der Prozessoptimierung kennt, kann die richtigen Fragen stellen und auf Basis von Big Data Informationen für die Optimierung generieren. Je besser diese beiden Disziplinen miteinander verknüpft werden, desto einfacher wird der Zugang zum Process Mining.
Process Mining hilft Ineffizienz zu vermeiden
Der Bank Blog: Welche Erkenntnisse konnten Sie mit der Anwendung von Process Mining bereits gewinnen?
Carsten Jacobi: Am Beispiel des Kreditprozesses lässt sich das gut erläutern: Die Effizienz und Geschwindigkeit des Prozesses wird maßgeblich durch eine störungsfreie Produktion bestimmt. Jede Rückfrage und Schleife führt zu zusätzlichen Liege- und Bearbeitungszeiten. Anstatt nun diese Störungen aufwändig manuell zu erheben können wir mit Process Mining alle Schleifen sichtbar machen und deren Auswirkungen aufzeigen.
Anhand der Korrelationen zu den Produktmerkmalen und Ausprägungen eines Kreditprozesses (Kreditnehmer, Sicherheiten, Volumina, etc.) können die Ursachen analysiert werden. Gleichzeitig wird der Prozess ganzheitlich betrachtet – denn die Wahrnehmung des Kunden beginnt mit dem Erstgespräch und endet mit dem Vertrag. Das beinhaltet deutlich mehr als nur die reinen Zeiten der Marktfolgebearbeitung, die in der Regel im Fokus der Optimierung liegen.
Erfolgreiche Process Mining setzt drei Dinge voraus
Der Bank Blog: Was sind die Erfolgsfaktoren bei der Einführung von Process Mining?
Carsten Jacobi: Drei Dinge sind entscheidend, damit Process Mining den entsprechenden Nutzen stiftet:
- Erstens müssen die relevanten Informationen aus der Vielzahl der vorhandenen Daten mithilfe der richtigen Fragestellungen extrahiert werden, um Erkenntnisse für die Prozessoptimierung zu generieren.
- Zweitens müssen diese Erkenntnisse dann in das Prozessmanagement und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) einfließen. KVP-Runden und end-to-end Optimierungen bekommen damit eine analytische Basis und erleichtern die Effizienzsteigerung.
- Drittens ist Process Mining als Regelprozess in der Organisation zu verankern. In regelmäßigen Zeitabständen muss der Entwicklungspfad analysiert und daraus die wesentlichen Ansätze für die Optimierung definiert werden.
Der Bank Blog: Wie können Banken und Versicherungen von Process Mining besonders profitieren?
Carsten Jacobi: Die Finanzdienstleistung hinkt der Industrie in Bezug auf den Reifegrad von Prozessen und Strukturen deutlich hinterher. Ein Grund dafür ist unter anderem die fehlende Transparenz. Mit Process Mining können Bearbeitungszeiten transparent gemacht und Erkenntnisse über die Prozesse systemisch generiert werden.
Wenn die Finanzdienstleistung diese Erkenntnisse in die laufenden Optimierungsbemühungen einfließen lässt, kann sie die Lücke zwischen zur Industrie deutlich schneller schließen.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.
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