Der Megatrend Nachhaltigkeit wird heute noch von vielen Banken als regulatorische Compliance-Pflicht verstanden – und damit als Kostenbelastung. Nur wenige haben das profitable Wettbewerbspotenzial im Auge. Wie lässt sich das konkret nutzen?

Partner des Bank Blogs

„Wir sind schon lange nachhaltig. Aber wie kann ich mich zukünftig differenzieren, wenn jetzt alle nachhaltig werden?“ Mit dieser Frage eines Bankvorstands schwingt genau die richtige Idee mit: Wie kann Nachhaltigkeit auch profitabel für die Bank werden?

Selbst die UN stellen fest, dass es ohne Gewinn keine Nachhaltigkeit geben kann, die ja finanziert werden will: Bereits der erste Absatz der Präambel zur UN-Agenda 2030 bestätigt ihre eigenen „three dimensions of sustainable development: the economic, social and environmental“ von 1992. Dies wird häufig auf die Formel „Planet, People, Profit“ gebracht. Planet und People werden oft zu ESG differenziert, also zu Environmental, Social und Governance. Die volle Formel im Sinne der UN ist demnach ESG+P, wobei P für Profit steht. Nur so sind die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der UN der Agenda 2030 aus dem Jahr 2015 erreichbar (z. B. SDG #1: No Poverty) und finanzierbar. Profit soll also gerne durch ESG, aber nicht auf Kosten von ESG entstehen.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen (UN).

Die folgende Kernfrage ist deshalb relevant für eine erfolgreiche Transformation der Gesellschaft: Wie verbindet man ESG mit Profitablität? Die Antwort lautet: mit einem herausragenden ESG-USP.

Vielfältige Nachhaltigkeit ist vielfältig

Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass es nicht die eine Nachhaltigkeit gibt. Die 17 UN-SDGs zeigen die Vielfalt von Nachhaltigkeit auf. Hieraus kann sich jede Bank ihren eigenen USP entwickeln: z. B. mit Fokus auf Ozeane und Trinkwasser oder mit Fokus auf Gleichberechtigung und Teilhabe oder als Bank für erneuerbare Energien.

Alleinstellungsmerkmale einer Bank bezogen auf ESG

Ein Wettbewerbsvorteil entsteht dann, wenn der ESG-Fokus eine oder mehrere gut zu verteidigende Nischen adressiert, die andere noch nicht besetzt haben. Folgende Punkte zeigen plakativ, was gemeint ist.

  • Fokus auf bestimmte Kundengruppen,
  • Fokus auf bestimmte Produkte,
  • Fokus auf bestimmte Vertriebskanäle,
  • Fokus auf die Service-Erbringung,
  • Fokus auf die Wertorientierung.

Die konkrete Sinnhaftigkeit bzw. Erfolgsaussicht wäre im Einzelfall zu prüfen.

Fokus auf bestimmte Kundengruppen

Bekannt für den Fokus auf bestimmte Kundengruppen waren früher z.B. die PSD-Banken für Postmitarbeiter und die Sparda-Banken für Bahnmitarbeiter. Heute sind es z.B. die apoBank für medizinische Berufe, die VR Bank Bad Salzungen Schmalkalden für Fußballvereine oder Privatbanken für High Networth Individuals.

Im Hinblick auf ESG wären etwa eine Bank mit Fokus auf spezifische Minderheiten, eine Bürgergeld- und Sozialhilfebank oder eine Seniorenbank denkbar. Stadtwerke stehen heute vor großem ESG-Transformationsbedarf. Eine entsprechende ESG-Stadtwerkebank könnte diese Kundengruppe spezialisiert begleiten.

Fokus auf bestimmte Produkte

Den Fokus auf bestimmte Produkte haben etwa Hypothekenbanken (Pfandbriefe), Bausparkassen (Bausparverträge), Autobanken (Autokredite) und diverse Absatzfinanzierer oder auch Broker (Wertpapierhandel), früher auch Sparkassen (Sparprodukte).

Im Sinne von ESG wären hier eine Photovoltaikbank denkbar (wie es etwa Santander in Polen schon macht) oder eine Wasserstoffbank, eine Bank für vegane Produkte, eine CO2-Klimabank, eine Schiffsmodernisierungsbank oder eine ESG-Stranded-Asset-Sanierungsbank.

Fokus auf bestimmte Vertriebskanäle

Den Fokus auf bestimmte Vertriebskanäle legt etwa die Degussabank. Sie bietet Bankdienstleistungen in Fabriken und an Betriebsstandorten an, also beim jeweiligen Arbeitgeber ihrer Kunden. Heute richten sich Direktbanken, Direktbroker oder Mobile-Banken konsequent am jeweiligen digitalen Vertriebskanal aus.

Aus sozialer Sicht geht durch das Filialschließen gerade der Vertriebskanal im ländlichen Raum verloren, vor allem dort, wo es noch ein „Digital Cliff“ gibt. Das betrifft z. B. Senioren, die nicht digital affin sind und damit aus der finanziellen Versorgung von Banken herausfallen. Vielleicht entstehen hier neue, nicht-digitale Vertriebskanäle zur Sicherung der finanziellen Teilhabe.

Fokus auf die Service-Erbringung

Beim USP-Fokus der Service-Erbringung empfahl sich die Dresdner Bank früher als „Die Beraterbank“. Heute haben Robo-Advisor (z. B. Rasin Invest, Quirion) oder Community/Social Banking (eToro, Fidor) ein klares Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich der Service-Erbringung.

Im ESG-Sinne ist wohl die ESG-Beraterbank zukunftsfähig, also die Bank, die ihre Kunden auf deren eigener ESG-Journey begleitet. Denn auch alle Geschäfts- und Firmenkunden unterliegen dem regulatorischen Zwang, sich ESG-konform zu transformieren. Selbst Privatkunden haben immer mehr Auflagen, etwa wenn sie Immobilien besitzen. Hier könnte sich eine entsprechende ESG-Beratung profitabel gestalten lassen.

Fokus auf die Gewinnverteilung

Beim Fokus auf die Gewinnverteilung kennen wir den Aktionär/Eigentümer (z. B. Großbanken, Sparkassen) sowie den Genossen (Geno-Banken). Beides wird es in Zukunft geben. Genossenschaften stehen dem „S“ in ESG allerdings näher. Hinzu kommt das Peer-to-Peer-Banking, das auch klassische Banken moderieren können, wie es z. B. die VR Bank Würzburg vorgemacht hat.

Der Gemeinwirtschaftsgedanke ohne Fokus auf Profit hat sich mit der Schieflage der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) Anfang der 1990er Jahre als nicht nachhaltig erwiesen.

Fokus auf die Wertorientierung

Bei der Wertorientierung sind sowohl die religiösen Institute (Kirchenbanken, Islamische Banken) als auch ökologische Unternehmen (Triodos Bank, GLS Bank, Umwelt Bank, Ethik Bank, Tomorrow) im Markt vertreten, sodass diese ESG-Nischen schon erfolgreich ausgetestet werden, wobei weitere Fokussierungen denkbar sind.

Profitabilitätsvalidierung und Marktauftrittsambition

Die aufgeführten Beispiele sind naheliegend für eine erste Brainstorming-Runde. Die USP-Nischen sind im Einzelfall aus dem Potenzial des jeweiligen Instituts zu entwickeln und zu verfeinern, und müssen durch schwer kopierbare Faktoren absicherbar sein. Wesentlich ist ein agiler Business Case, der Runde um Runde verfeinert und validiert wird. Im Strategieprozess zur Entwicklung des Geschäfts- und Betriebsmodells, sind nicht profitable ESG-USP-Nischen nachzubessern oder zu verwerfen.

Wie bei Bio-Lebensmitteln, ist auch die Marktauftrittsambition zu definieren. Im Lebensmittelhandel gibt es Bio-Läden, aber auch Discounter mit Bio-Produkten. Ähnlich ist das ESG-Ambitionsniveau der Bank zu definieren. Die Spannbreite reicht vom Compliance-Minimalisten, über den Konformisten (me-too-ESG-Produkte), zum Opportunisten (mit ESG-Marketing) bis hin zur ausschließlichen ESG-Bank.

Fazit: Nachhaltigkeit eröffnet neue Horizonte im Banking

Nachhaltigkeit eröffnet neue Horizonte im Banking, die auch für Gewinnwachstum genutzt werden können. Am Beginn steht das Verständnis, dass ESG über Regulatorik und Altruismus hinausgeht und Profitabilität ein wesentliches Kriterium von Nachhaltigkeit ist.


Partner des Bank Blog – Horváth & Partners Management Consultants


Mehr über das Partnerkonzept des Bank Blogs erfahren Sie hier.