Werden Banken durch PSD2 bald überflüssig sein?

Auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft

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Nach der Einführung von PSD2 steht für die Kreditinstitute Moment viel auf dem Spiel. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche Rolle sie im Geschäft mit dem Geld spielen werden. Werden sie nur noch Dienstleister sein oder ihren Status behalten?

Banken auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft

Wo liegt die Zukunft der Banken?

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Banken und Sparkassen stehen gerade an einem Scheideweg. Betrachtet man die Bankenwelt im Jahr 1 nach der Einführung der europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, bietet sich der Vergleich mit der Situation der Telekom vor rund zwanzig Jahren an.

Damals, im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, wurde die Infrastruktur von den Mehrwertdiensten getrennt. Da war auf der einen Seite der ehemalige Monopolist, der jahrelang die Infrastruktur installiert und unterhalten hatte und nun seine Pfründe mit anderen Anbietern teilen musste. Und da waren auf der anderen Seite die Anbieter von Services, bei denen der rosa Riese nur noch einer unter vielen war. Hier hatte die Telekom allenfalls noch den Vorteil, dass sie das Geschäft schon sehr lange inne hatte und daher in mancherlei Hinsicht über mehr Erfahrung verfügte als die Newcomer.

Neue Regeln im Wettstreit zwischen Banken und FinTechs durch PSD2

Ganz ähnlich verhält es sich aktuell mit den Banken und den Unternehmen der FinTech-Welt: Auf der einen Seite steht die Geld- und Konteninfrastruktur, auf der anderen der darüberliegende Layer der Bankdienstleistungen – von Krediten über Geldanlage bis hin zum Zahlungsverkehr.

Die PSD2 hat dazu geführt, dass diese beiden Layer voneinander entkoppelt und unterschiedlich reguliert werden können. Das Ziel dahinter ist es, dass eine breitere Vielfalt mit neuen Playern entstehen kann und FinTechs mit den Banken auf Augenhöhe interagieren können. Die Infrastruktur, die Gelderzeugung und andere fundamentale Aufgaben bleiben im Bankenmonopol und müssen deswegen weiterhin stark reguliert werden. Die Mehrwertdienste sollen aufbauend auf Schnittstellen darauf zugreifen können, aber solche Kontoinformationsdienste (AISP) und Zahlungsauslösedienste (PISP) brauchen keine Banklizenz und können deswegen leichter und flexibler im Rahmen der PSD2 reguliert werden.

Gut vergleichen lässt sich das auch mit einem Frontend-Backend-Modell: Der Teil, mit dem der Kunde unmittelbar zu tun hat, das Frontend also, wird hier liberalisiert. Für die Kunden soll Banking dadurch bequemer, vielfältiger und mit anderen Services kompatibler werden. Für diverse FinTechs wird es die Türen in die Bankenwelt weiter aufstoßen. Und ähnlich wie im Fall der Telekom sind solche Services den Banken ja auch nicht verwehrt, sondern sie werden ebenfalls entsprechende Dienstleistungen anbieten.

Wir werden somit nicht das Ende aller Banken sehen, aber die Banken müssen künftig damit leben, dass es in dem Frontend-Bereich Konkurrenten gibt, die – wenn vom Kunden so gewollt – ebenfalls Zugriff auf ihre Backend-Daten haben. So wie die Telekom seinerzeit auch zulassen musste, dass andere ihre Leitungen mitbenutzen.

Diese neue Situation ist also keineswegs der Untergang des Abendlandes für die Banken und es ist ja bei näherem Hinsehen nicht ganz neu, dass in Deutschland zum Beispiel Zahlungsauslösedienste im Windschatten der Banken agieren. Zudem bieten viele Banken auch in ihren eigenen Apps an, dass andere Kontostände fremder Institute abgerufen werden können.

Flaschenhals API: viele Banken geben sich unkooperativ und defensiv

In der Praxis sehen wir immer noch große Diskussionen über die Umsetzung der PSD2 und den zugehörigen regulatorischen technischen Standards (RTS). In den Gesetzestexten gibt es ungewollten, aber auch gewollten Raum für Interpretationen, um den Markt hier nicht übermäßig zu gängeln und viele Wege zum Ziel zuzulassen.

Der Nebeneffekt ist, dass die Banken hier vieles anders sehen, als die Third Party Provider (TPP). Es gleicht einer Art Tauziehen: Die Banken versuchen die Daten und Funktionen, die sie öffnen müssen, möglichst gering zu halten und die TPPs hätten gerne mehr Features frei zugänglich.

Das Ziel vieler Banken ist es, den Kunden ein möglichst breites Angebot über ihre Kundenschnittstelle (Online Banking) machen zu können, diese Funktionen aber eben nicht für die TPPs über die API zur Verfügung stellen zu müssen. Zu diesem Zweck hat die Bankenlobby es geschafft, PSD2 und RTS so hinzubiegen, das TPPs zukünftig nur noch in sehr eng gefassten Ausnahmefällen die Kundenschnittstelle benutzen dürfen. Diese Strategie ist aus Bankensicht natürlich verständlich – nicht verständlich ist dagegen, dass der Regulierer dies zugelassen hat und auch weiterhin zulässt. Man stelle sich vor, wo wir heute wären, wenn die Telekom es geschafft hätte, den direkten Zugang zur ihren Kundenleitungen zu verhindern und einen Flaschenhals für ihre Konkurrenz hätte einbauen dürfen.

Unterschiedliche Modelle zur Ausgestaltung des API-Zugangs

Bei der Ausgestaltung des API-Zugangs gibt es einige Modelle. Das in der deutschen Bankenszene am weitesten verbreitete ist die API der sogenannten Berlin Group. Obwohl sie momentan mehr bietet als manche andere, fehlen auch ihr viele Funktionen, die nötig wären, um existierende TPP-Angebote besser statt schlechter zu machen.

Eigentlich müssten ja auch die Banken an einem funktionierenden Ökosystem im Rahmen der PSD2 interessiert sein, und tatsächlich gibt es auch Geldinstitute, die freiwillig mehr machen und breitere APIs anbieten. Dies erfolgt aus dem vernünftigen Bewusstsein heraus, dass sie nicht alle Ideen und Services selbst entwickeln können. Viele Beispiele aus der IT haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass es viel effektiver ist, mit Schnittstellen freigiebig zu sein, als alle Services und Features autark entwickeln zu wollen. Doch viele Banken zeigen sich hier zurzeit leider eher unkooperativ und defensiv.

Gerade diese historischen Betrachtungen zeigen, dass es ein großer Fehler wäre, wenn wir im Finanzmarkt solches Defensivverhalten tolerieren oder sogar regulatorisch unterstützen und unseren Vorsprung damit leichtfertig aufs Spiel setzen. Schließlich handelt es sich hier um eines der wichtigsten Felder, auf dem Europa gegenüber dem Rest der Welt noch einen Vorsprung hat.

Payment wird häufiger bargeldlos sein – auch in Deutschland

Heruntergebrochen auf eine individuelle Ebene wird sich das Verhältnis der Banken zu ihren Kunden auch in anderer Hinsicht verändern: Banken werden immer weniger Bargeld bereitstellen müssen. Denn selbst im aus historischen und kulturellen Gründen sehr bargeld-affinen Deutschland wird zukünftig vermehrt bargeldlos bezahlt – auch und gerade bei kleineren Summen im Alltag. Das muss übrigens nicht zwangsläufig über die Kreditkarte aus Plastik passieren, sondern wird vor allem in den nächsten Jahren über Smartphone-Apps wie Apple Pay oder Google Pay auf der Basis von NFC-Chips erfolgen. Die Plastikkarte wird also regelrecht übersprungen.

Bei dieser virtuellen Form der Kreditkarte lassen sich individuelle Sicherheitsmerkmale und -regeln viel besser definieren, beispielsweise wie der Zugang geschützt ist und welche Beträge ohne Pin per Tap & Go freigegeben werden können. Geebnet hat diesen Weg zur Akzeptanz solcher kontaktlosen Bezahlverfahren nicht zuletzt die Einrichtung von NFC-fähiger Kassentechnik bei den großen Discountern und Supermärkten. Dabei muss das Kassenpersonal sich nicht umstellen und auch nicht wissen wie das funktioniert, wenn der Kunde sein Handy oder Smartwatch anstelle einer Plastikkarte nutzt. Spätestens wenn die Girokarte virtualisiert werden kann, die ja nahezu jeder in Deutschland hat, wird die Akzeptanz noch zunehmen. Die Sparkassen App kann das schon, andere werden folgen.

Technologie-Riesen: Neben Banken und FinTech eine bestimmende Größe

Eine Instanz, die über die Zukunft der Banken- und vor allem FinTech-Szene auch noch mitentscheidet, sind die großen Technologieunternehmen wie Apple, Google, Amazon oder Microsoft. Auch die großen chinesischen Player Alibaba, Tencent und JD.com werden gerade im E-Commerce und im Payment-Geschäft mitreden, weil sie in China viel ermöglichen, was Banken dort – mangels Infrastruktur – nie konnten und deswegen auch nicht ausbremsen können.

Oder um es etwas plakativer zu sagen: Während sich Banken und FinTechs hierzulande in Grabenkämpfen verlieren, sehen sie nicht den Tsunami, der da aus der Ferne auf sie zukommt. Gerade mit diesen Unternehmen aus China entstand dort eine neue Macht, die inzwischen enormen Einfluss auf die Geldflüsse im Land, aber auch schon international hat.

Kryptowährungen: Wenn die Bank die Herrschaft über das Geld verliert

Geht man noch einen Schritt weiter und bezieht die Entwicklungen um die Kryptowährungen mit ein, kommt man dem Machtverlust der Banken allerdings schon gefährlich nahe. Denn selbst bei einem Krypto-Euro, also einem zentralbankgedeckten Teil des Euro, der eben nicht geprägt oder gedruckt, sondern in Datenform in einer Blockchain abgelegt wird, sind die kommerziellen Banken außen vor.

Bisher haben sie noch das Monopol auf elektronisches Zentralbankgeld und kreieren (und vervielfachen) damit elektronisches und bares Geld für ihre Kunden. Mit Krypto-Euros interagiert jeder selbst mit der Zentralbank – und das würde dazu führen, dass die Banken tatsächlich auch im Hinblick auf ihre Infrastruktur weitgehend entmachtet würden. Wenn es dazu käme, würde das die Banken weiter in Zugzwang bringen. Sie müssten ihr Geschäftsmodell auf den oben genannten Frontend-Teil umstellen und würden mit den FinTechs 1:1 konkurrieren.

Doch ob es jemals dazu kommt, ist gerade in den Industrieländern sehr fraglich, denn die Zentralbanken wissen, dass sie mit der Schaffung eines Krypto-Euros, über den sie noch die Hoheit haben, einen Weg in Richtung unabhängiger Kryptowährungen wie Bitcoin & co einschlagen würden. Solche Kryptowährungen sind dadurch charakterisiert, dass es eben nicht einmal mehr eine Zentralbank braucht, die die Macht über die Geldpolitik hat. Letztlich überträgt man damit sämtliche Macht dem Einzelnen und der Technik, was zugegebenermaßen auch viele Vorteile hätte. Ein Spiel mit dem Feuer – und nicht das einzige in diesen spannenden Zeiten.

Über den Autor

Ralf Ohlhausen

Ralf Ohlhausen ist Business Development Director der PPRO Group und verantwortet dort die weltweite Expansionsstrategie des Payment-Lösungsanbieters. EEr ist Mitglied des Euro Retail Payments Board (ERPB) der EZB und der API Evaluation Group der Europäischen Kommission und verfügt über 30 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen E-Commerce, Financial Services, mobile Telekommunikation und IT. Zuvor war er als President Europe bei SafetyPay, Digicel, O2, British Telecom und Mannesmann-Kienzle tätig. Er ist Diplom-Mathematiker und hat einen Master of Telecommunications Business.

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