Die Digitalisierung von Prozessen und Kundenschnittstellen steht bei Finanzinstituten derzeit ganz weit oben auf den To-Do-Listen. Eine Untersuchung hat nun herausgefunden, dass viele Banken beim Onboarding zwar Online versprechen, aber nur Offline halten.
Digitales Onboarding, hat das Potenzial, den gesamten Prozess im Back Office zu revolutionieren und um eine vielfaches effizienter zu gestalten. Besonders für Filialbanken ist die Verknüpfung der digitalen Kundeneröffnung mit einer persönlichen Beratung einer der wichtigsten Faktoren im Kampf um den Kunden, um von der Eröffnung eines Kontos zu einer langfristigen Kundenbeziehung zu gelangen.
Mystery Shopping zum Onboarding von Bankkunden
Viele Banken und Sparkassen sind bemüht, den in der Regel bereits seit Jahren in der digital-mobilen Welt lebenden Kunden besser abzuholen, indem sie ihm Kontoeröffnung und Bankdienstleistungen ohne direkten Kontakt anbieten.
Im Rahmen eines Mystery Shoppings hat die schweizerische Digitalagentur Namics zwischen Februar und Mai 2016 jeweils bei 14 führenden Banken in Deutschland und der Schweiz ein Konto eröffnet und eine Kreditkarte bestellt. Anschließend wurde der jeweilige Onboarding-Prozess bewertet. Das Ergebnis: Viele Banken sind scheindigitalisiert; sie versprechen ihren Kunden zwar ein Onlineerlebnis, liefern aber primär offline.
Mit anderen Worten: Wer aktuell Bankprodukte online erwerben will, muss immer noch oft eine Filiale aufsuchen und mit viel Papier, unzähligen Kontaktpunkten und unübersichtlichen Unterlagen rechnen. Das Vertrauen der Kunden auf das als „unkompliziert“ beworbene Onlineangebot einer Bank wird so oft enttäuscht. Statt hoher Customer Experience erhält er größtenteils analoge Erlebnisse, die nicht zu seinen Bedürfnissen passen.
Onboarding ist Kernprozess des Retail Bankings
Beim Onboarding sollte es sich eigentlich um einen der Kernprozesse des Privatkundengeschäfts handeln. Traditionelle Banken müssten daher in der Lage sein, Kundenbedürfnisse präzise einschätzen zu können.
Neben einigen positiven Erlebnissen waren jedoch wider Erwarten vor allem Offline-Erlebnisse, komplizierte Prozesse und ein fehlender Kundenfokus die Regel. Das so entstehende negative Kundenerlebnis führt zu Frustration und in der Folge zu Vertrauensverlust.
Problematisch kann dies dann für die traditionellen Banken und Sparkassen werden, wenn neue digitale FinTech-Unternehmen dem Kunden eine glaubwürdige Alternative bieten.
Probleme des Onboardings
Im Rahmen des Mystery Shoppings wurden insbesondere die folgenden Probleme identifiziert:
Vorwiegend Scheindigitalisierung statt Online-Erlebnis
Wer online ein Konto eröffnet, durchläuft den Prozess bei einer Bank zu fast zwei Dritteln offline. Im Einzelfall befanden sich bis zu 74 Prozent der Kontaktpunkte außerhalb der digitalen Welt. Zudem erhielten Interessenten im Schnitt neun Postzusendungen bis das Onlinekonto freigeschaltet und die Kreditkarte zugestellt wurde. Hinzu kommen durchschnittlich drei Anrufe und mindestens ein Besuch in der Filiale. Echte Onlineerlebnisse boten nur FinTechs wie Number 26: Bis zu 90 Prozent der Kontaktpunkte waren hier digital.
Ineffizienz und hoher Zeitaufwand
Für die Eröffnung eines Girokontos müssen Kunden viel Zeit mitbringen. So vergingen durchschnittlich 7,5 Tage bis eine Überweisung mit dem neu eröffneten Konto möglich war. Bei der schlechtesten Bank waren es 33 Tage, bei der besten ein Tag.
Auch die Wartezeit bis zum ersten Einkauf per Kreditkarte ist lang: Der Mittelwert lag bei 11 Tagen, bei der besten Bank dauerte es 4 Tage, bei der schlechtesten 50 Tage.
Zudem kommt es zu häufigen Kanalwechseln, wie dem Versand des ausgedruckten Onlineformulars per Post. Die schlechteste Bank mutet ihren Kunden 26 zu, die beste fünf, der Durchschnitt liegt bei zehn.
Usability-Probleme beeinträchtigen die Nutzerfreundlichkeit
Ein Expertengremium hat die untersuchten Banken auf ihre Nutzerfreundlichkeit hin untersucht und bewertet. Die Analyse hat ergeben, dass es bei vielen Instituten grundlegende Probleme in der Produktbestellung gibt. Zudem wird dem Kunden online versprochen, aber offline geliefert. Der Kunde startet online, durchläuft jedoch einen analog konzipierten Offlineprozess. Dieses Versprechen kann zu Irritation und Frustration führen.
Fehlender Kundenfokus führt zu hohem Aufwand
Banken haben den Aufwand ihrer Kunden nicht im Blick. Wer Kunde einer Bank werden möchte, muss meist 20 Schritte durchlaufen. Davon führt er mindestens zehn Schritte eigenständig aus. Zudem erhalten Interessenten im Schnitt per E-Mail, per Post und in der Filiale 22 Dokumente. Dabei müssen die relevanten Informationen selbst gefiltert werden, was die Fehleranfälligkeit erhöht. Darüber hinaus müssen Kunden bei unterschiedlichen Kontaktpersonen wiederholt ihre Daten angegeben, zum Teil gehen diese beim Kanalwechsel auch verloren. Selbst persönliche Anreden variieren oft in den Unterlagen.
Online ist Pflicht für Banken und Sparkassen
Die Analyse deckt sich mit einer schon vor einigem Jahr vom Bank Blog durchgeführten Erhebung zum Versuch einer Online Kontoeröffnung. Online ist in der heutigen Zeit nicht mehr Kür sondern Pflicht für Banken und Sparkassen. Immer noch sind viele Banken „scheindigitalisiert“ und nicht wirklich multikanalfähig. Die Institute sollten jedoch nicht nur um effiziente Prozesse bemüht sein sondern auch den Kunden nicht aus dem Blick verlieren. Dazu gehört auch, lange Wartezeiten zu reduzieren, komplexe Unterlagen zu vereinfachen, Mehrfacheingaben zu verringern und den Interessenten immer persönlich anzusprechen.
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