Der digitale Wandel verändert das Informationsmanagement der Banken. Nicht mehr die Sammlung von Daten ist entscheidend, sondern deren intelligente Bereitstellung und Nutzung unter einer gemeinsamen Daten-Governance.
Heute treiben verschiedene technische Mega-Trends (z.B. Big Data, Künstliche Intelligenz, Cloud) den digitalen Wandel und damit die Verarbeitung von elektronischen Daten voran. Im Rahmen des Informationsmanagements wollen wir diesen Wandel jedoch nicht als technologisches Phänomen, sondern als gesellschaftliche Chance begreifen und entsprechend umsetzen.
Daten sind der neue Grund und Boden
Die oft zitierte Aussage „Daten sind das neue Öl“ soll auf die Tatsache hinweisen, dass Öl die Wirtschaft schmiert und daraus ganz neue Ökonomien entstanden sind. Öl ist allerdings begrenzt, verbraucht sich in einem Produktnutzungskreislauf, bis nichts mehr vorhanden ist und der Ölpreis fluktuiert stark aufgrund der Marktkräfte.
Mit Daten verhält es sich anders: Die grössten Kosten fallen anfangs bei der Datenerzeugung an, analog dazu ist das Grundstück der grösste Kostenfaktor beim Hauskauf (zumindest in der Schweiz). Die Kosten reduzieren sich mit jeder weiteren Nutzung und die mehrmalige Datenverwendung beschädigt oder vernichtet Daten nicht, somit sind Daten langlebig.
Eine von mir oft genutzte Analogie ist der Acker, also Grund und Boden, der zwar auch in gewissem Masse beschränkt ist, aber nach dem Erwerb immer beim Eigentümer verbleibt. Dieser Acker entspricht in meiner Analogie den Daten (analog zur Datenbereitstellung). Pflegt man den Acker nicht, so kommt Unkraut und Gras von selbst (analog zu nicht bewirtschafteten Daten), welches dann kostenaufwändig bereinigt werden muss (analog einer Datenbereinigung).
Vergisst man, wo die Kartoffeln angebaut worden sind, so ist eine mühsame manuelle Suche erforderlich (analog zu einem fehlenden Datenmodell). Man kann selbst entscheiden, welches Gemüse man anpflanzen will (analog zu den Informationen, die man aus Daten ableiten will) und mit Dünger und Rückschnitt der Pflanzen kann man den Ertrag steigern (analog zu Datenharmonisierung und Datenpflege).
Es ist auch die Art der Pflanzenbewirtschaftung wählbar, ob manuell oder mit maschineller Unterstützung (analog zur Nutzung von Data Science und Künstlicher Intelligenz).
Boden verbraucht sich grundsätzlich nicht und man kann langfristig gute Erträge erwirtschaften, wenn Fruchtfolge und Fruchtwechsel sorgfältig geplant sind (analog zu einem effektiven Datenmanagement). Und benötigt man schlussendlich grössere Ackerflächen (analog zu einer Erweiterung der Datensammlung), so kann man ggf. weiteren Boden dazukaufen, was aber auch mit zusätzlichen Kosten verbunden ist – dies sollte also ebenfalls gut durchdacht sein (analog zu einer Datenstrategie).
Von Datensammlungen zu Smart Data
Bereits heute haben Banken eine enorme Menge an Daten vorliegen, mit einem jährlichen Wachstum von 20 Prozent und mehr. Der Begriff „Big Data“ bezeichnet dabei die riesige, vielfältige und heterogene Menge an elektronischen Daten, welche täglich in immer grösserer Geschwindigkeit erzeugt und genutzt werden. Damit diese Datenmengen auch in Zukunft effizient verarbeitet werden können, benötigt es neue Ansätze sowohl für die Datenbereitstellung als auch die Datennutzung.
Das Informationsmanagement legt dabei einen wesentlichen Schwerpunkt auf die intelligente Datenbereitstellung, d.h. einen Lebenszyklus für Daten zu definieren und die Datenbereinigung und -harmonisierung so zu optimieren, dass man eine Reduktion auf die wirklich benötigten Daten im Sinne von „Smart Data“ erzielt. Darüber hinaus soll eine effektive Datennutzung mit neuen Technologien (z.B. Künstliche Intelligenz) ermöglicht werden.
Eine Analogie von Markt und Informationsmanagement
Im klassischen Markt wird eine ausgeglichene Balance zwischen Angebot und Nachfrage angestrebt. Übersteigt das Angebot die Nachfrage, sinkt der Preis und gleichzeitig steigen die Kosten für die Lagerung. Ist die Nachfrage höher als das Angebot, steigt der Preis und Kunden warten länger auf ihre gewünschten Produkte.
Dieses Prinzip gilt in Analogie auch für Daten: Die Datenbereitstellung verursacht Kosten, deshalb sind möglichst nur jene Daten bereitzustellen, welche auch tatsächlich benötigt werden. Andererseits sollen die Kunden nicht auf (neue) Datenlieferungen warten müssen, um bestimmte Auswertungen bzw. Datenanalysen machen zu können. Es gilt hier also, ein ausgewogenes Gleichgewicht von Kosten und Nutzen zu erreichen.
Die Bedeutung von Data Science, Advanced Analytics und Künstlicher Intelligenz bei Banken
Banken betreiben ein datenzentrisches, jedoch stark reguliertes Geschäftsmodell, deshalb sind Daten und die Nutzung moderner Technologien wesentliche Erfolgsfaktoren. Neben der optimalen Bereitstellung von Daten sind verschiedene Anwendungsfälle für die erweiterte Nutzung von Daten bereits im Einsatz:
- Die australische Commonwealth Bank verkauft bereits anonymisierte, aggregierte Daten über die Zahlungshistorie von Kunden
- Ebenfalls in Australien wird die spezialisierte Plattform „Data Republic“ für den sicheren Datenaustausch zwischen den Banken NAB, ANZ und Qantas genutzt
- Eine Schweizer Bank nutzt Spracherkennung, um Anrufe automatisch an die richtige Stelle weiterzuleiten
- Einige Schweizer Banken setzen künstliche neuronale Netze ein, um Transaktionen zu überwachen und dabei Anomalien (z.B. Betrugsfälle) zu erkennen
Wesentliche Rahmenbedingungen für eine effiziente Datenbewirtschaftung und Datennutzung
Die Datenpolitik legt die internen Leitplanken für eine effiziente Datenbereitstellung und Datennutzung zur Umsetzung der Geschäftsstrategie als Geschäftsprinzip fest. Über das Informationsmanagement wird die Datenpolitik in den relevanten operativen Vorgaben verankert und umgesetzt.
Die Datenpolitik muss alle Themen aus dem Datenmanagement adressieren und entsprechendes Vertrauen nach innen sowie über definierte Prinzipien zur Datenethik nach aussen schaffen.
Die drei wesentlichen Aspekte im Informationsmanagement
Nicht die Sammlung von Daten ist entscheidend, sondern die intelligente Bereitstellung und Nutzung von Daten unter einer gemeinsamen Daten-Governance. Die wesentlichen Aspekte im Informationsmanagement teilen sich grob in
- Daten-Governance,
- Datenbereitstellung und
- Datennutzung auf.
Wichtig ist es, zwischen Daten, welche Fakten und deren Bedeutung darstellen und Informationen, die sich aus der Interpretation von kombinierten Daten erschliessen, zu unterscheiden. Basierend auf den abgeleiteten Informationen können somit passende Entscheidungen getroffen werden.
Eine gesamtheitliche Daten-Governance legt die Ownership an Daten verbindlich fest, umfasst elektronische sowie physische Daten und Dokumente gleichermassen und stellt deren Bewirtschaftung über geeignete Prinzipien und Vorgaben sicher.
Die intelligente Datenbereitstellung im Sinne von „Smart Data“ umfasst den gesamten Lebenszyklus mit Datenerzeugung, Datenspeicherung und Datenstandardisierung sowie Datenlöschung. Die Datennutzung umfasst den Datenbetrieb sowie Themen von Business Intelligence & Analytics, Data Science und Künstlicher Intelligenz. Somit werden die bereitgestellten Daten für die Geschäftsprozesse der Bank unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben entsprechend intelligent genutzt.
Ansätze zur Erarbeitung einer Daten-Governance
Wie in diesem Artikel bereits erläutert, erfordert die intelligente Datenbereitstellung im Sinne von „Smart Data“ eine gemeinsame Daten-Governance. Die Erarbeitung einer Daten-Governance hat dabei im Sinne einer Policy (Was soll gemacht werden?) und den dazugehörigen Vorgaben (Wie soll dies operativ umgesetzt werden?) zu erfolgen. Eine Hilfestellung für die Erarbeitung einer Daten-Governance bieten dabei die folgenden grundsätzlichen Fragen:
- Sind klare Verantwortlichkeiten für den Umgang mit Daten definiert?
- Gibt es fachliche Vorgaben bei der Datennutzung?
- Sind regelmässige Assessments zur Datenqualität vorhanden?
- Werden Datenschutz und Datenethik entsprechend berücksichtigt?
- Welche Daten und Informationen sind bereits heute vorhanden?
- In welchem Zustand sind diese Daten und Informationen?
- Wie weit will man mit der Nutzung der eigenen und von externen Daten gehen?
- Will man die eigenen Daten mit externen Daten anreichern bzw. externe Daten zukaufen?
- Wie kann man diese Daten bestmöglich verfügbar machen (Technik vs. Governance)?
- Welche Fähigkeiten braucht es dazu?
Auf Basis dieser Fragen lässt sich sodann ein passendes Rahmenwerk erarbeiten, welches Verantwortlichkeiten für eine effiziente Datenbewirtschaftung unter Berücksichtigung von rechtlichen Vorgaben sowie Datenschutz und Datenethik verbindlich festlegt.
Fazit: Banken benötigen eine Daten-Roadmap
Wie eingangs beschrieben, ist nicht die Sammlung von Daten entscheidend, sondern die intelligente Bereitstellung und Nutzung von Daten unter einer gemeinsamen Daten-Governance. Dazu benötigt man eine passende Daten-Roadmap, welche zumindest die folgenden Massnahmen vorsehen sollte:
- Sicherstellung einer angemessenen Datenqualität für die bereitgestellten Daten
- Konsolidierung der bestehenden Daten aus den einzelnen Silos
- Intelligente Reduktion der Daten, bevor diese (intern) bereitgestellt werden
- Bereitstellung der bestehenden Daten sowohl kurzfristig (experimentell und agil) als auch langfristig (nachhaltig und gesteuert)
Werden diese Massnahmen berücksichtigt und gelingt die operative Umsetzung der Daten-Governance, lässt sich über die Zeit eine nachhaltige Transformation von Datensammlungen zu «Smart Data» erreichen. Auf Basis einer intelligenten Datenbereitstellung lassen sich neue Möglichkeiten für die Datennutzung einfacher und schneller umzusetzen und diese ermöglichen somit neue Chancen für die Zukunft.