Geschäftsstellen schließen und Personal abbauen – mit reinen Sparmaßnahmen verspielen die etablierten Banken ihren Vorteil gegenüber der Onlinekonkurrenz. Indem sie ihre Filialen im Zuge der digitalen Transformation restrukturieren, können sie Kosten senken und den Ertrag steigern.
Überweisungen mit dem Smartphone kosten eine Bank im Schnitt zehn Cent. Die gleiche Transaktion am Schalter oder per Telefon bedeutet einen Aufwand von rund vier Euro – doch es gibt deutlich mehr Beschwerden als beim Mobile-Banking. Und etwa 60 Prozent des Transaktionsvolumens, das über Filialen abgewickelt wird, ist vermeidbar.
Diese Zahlen verdeutlichen, warum Banken ihre Kunden in Richtung digitale Kanäle lenken müssen. Bislang werden Online- und Mobile-Banking vor allem von Jüngeren und technikaffinen Kunden genutzt, während viele weiter am Telefon oder von einem Mitarbeiter in der Geschäftsstelle bedient werden möchte. Das ist eine Chance für die Banken, denn die Filiale ist kein Auslaufmodell. Doch sie muss sich radikal ändern.
Erfahrung der Pioniere nutzen
In einer zeitgemäßen Filiale sinken die Kosten und gleichzeitig steigen die Umsätze. Mit intelligenter Digitalisierung und Restrukturierung können Banken die Wirtschaftlichkeit ihrer Geschäftsstellen um 50 Prozent erhöhen. Die Institute bewegen sich allerdings unterschiedlich schnell in die hybride Welt. Die Vorreiter in den USA kommen bei der Neugestaltung der digitalen Bankfiliale etwa viermal so schnell voran wie die langsamsten Konkurrenten.
Letztere sollten sich die Erfahrungen der Pioniere zu eigen machen, um nicht völlig abgehängt zu werden. Der Filialumbau gelingt mithilfe von drei Maßnahmenpaketen: einfache Digitalangebote in der Filiale und Unterstützung bei deren Nutzung, Umgestaltung des Filialnetzwerks und Qualifizierung der Mitarbeiter zum Finanzcoach.
Einfachheit siegt
Schon einfache Maßnahmen steigern die Effizienz im Bankgeschäft. Fünf Milliarden Minuten verbrachten beispielsweise Mitarbeiter und Kunden der mexikanischen Citibanamex pro Jahr mit Servicetransaktionen in der Filiale. Einfachere Onlineformulare, Geldautomaten mit etlichen Selbstbedienungsmöglichkeiten und eine schnellere Bedienung am Schalter eliminierten ein Fünftel der vertanen Zeit und erhöhten die Kundenzufriedenheit.
Kunden sind grundsätzlich offener für Neuerungen, wenn sie darin einen Vorteil sehen. Dann braucht es nur noch eine freundliche Hilfestellung: „Darf ich Ihnen zeigen, wie das schneller geht?“ So lassen sich auch zögerliche Kunden für digitale Kanäle gewinnen.
Produkte digitalisieren
Steht der digitale Bankzugang, können darüber nicht nur Transaktionen abgewickelt, sondern auch Finanzprodukte vermarktet werden. Alle Banken müssen digitale Vertriebskanäle nutzen, wollen sie profitables Geschäft nicht an Wettbewerber verlieren. 2018 haben Kunden laut einer weltweiten Bain-Studie bis zu 49 Prozent aller zusätzlichen Bankprodukte nicht bei der Hausbank gekauft, sondern bei einem Konkurrenten – und das meistens online. Kreditkarten, Darlehen, Versicherungen und Investitionen sind besonders betroffen. Bei der Hausbank verblieben lediglich die wenig lukrativen Girokonten.
Selbst komplexere Produkte funktionieren zunehmend digital. Ende 2017 vergab beispielsweise Quicken Loans bereits 6 Prozent der Hypotheken in den USA. Das Unternehmen hat inzwischen das Traditionshaus Wells Fargo im Bereich der direkt an Kunden vergebenen Hypotheken überholt. Es hat drei Jahre gedauert und brauchte 500 Programmierer, um das beliebte Produkt „Rocket Mortgage“ zu entwickeln.
Solch große Investitionen scheuen Banken oft noch. Dabei zahlen sie sich aus, wie das Beispiel DBS aus Singapur zeigt. Digitale Kunden bringen hier fast doppelt so viel Ertrag, da sie höherwertige Produkte nutzen und leichter anzuwerben sind.
Zeitgemäße Filialen schaffen
Neben den digitalen Kanälen bleibt der persönliche Kontakt in der Filiale essenziell. Allerdings gilt es die Interaktion komplett neu zu gestalten. Eine zeitgemäße Bankfiliale besteht aus fünf Zonen:
- Automaten zur Selbstbedienung
- Informationszone, in der Mitarbeiter den Umgang mit digitalen Angeboten vermitteln und Kunden für die Nutzung digitaler Produkte sowie Services mobilisieren
- Besprechungstische für die Finanzberatung
- Partnerzone samt Café, in dem sich lokale Unternehmen und Institutionen präsentieren
- Diskretionsbereich für komplexe, hochwertige Transaktionen, die nicht in der SB-Zone durchgeführt werden können
Nicht alle Geschäftsstellen müssen so aufwendig umgebaut werden. Für gewöhnlich trägt rund ein Drittel der Bankfilialen den Löwenanteil zum Ertrag bei – die Zentralen in den Metropolen, die großen Geschäftsstellen in der Region sowie Spezialisten-Filialen, die auf Kleinunternehmen oder Ruheständler fokussiert sind. Diese ertragreichen Standorte sollten vollständig umgerüstet werden.
Ein weiteres Drittel bleibt auf absehbare Zeit in einzelnen Märkten wichtig. Diese Geschäftsstellen sollten vor allem die Basisdienste per Automat und die Einführung ins digitale Banking anbieten. Die Beratung dort kann per Video von Experten an einem anderen Standort durchgeführt werden. Beim schwächsten Drittel führt oft kein Weg an der Schließung vorbei, ein Großteil der betroffenen Mitarbeiter kann an geeigneteren Standorten eingesetzt werden.
Mitarbeiter trainieren
Der Erfolg dieses Umbaus hängt davon ab, wie eine Bank seine Mitarbeiter vor Ort einsetzt. Es geht nicht darum, Personal einzusparen. Vielmehr gilt es dem Kunden in der Filiale eine überzeugende Dienstleistung zu bieten. Banker sind in Zukunft nicht mehr nur Spezialisten für ein Thema. Sie sind der Coach, der alle Angebote umfassend erklären kann, sei es am Standort selbst oder per Videochat.
Entsprechend müssen die Institute ihre Mitarbeiter schulen – sowohl im Umgang mit neuen Technologien und innovativen Produkten als auch in puncto Verhalten. Die Erkenntnisse aus dem Tagesgeschäft in den Filialen werden an die Spezialisten in der Zentrale weitergegeben, die sie in neue Produkte und Prozesse gießen. Diese wiederum werden dann der gesamten Organisation über virtuelle Assistenten oder selbstlernende Programme zur Verfügung gestellt.
Die meisten Filialen sind in ihrer heutigen Beschaffenheit für die digitale Welt nicht geeignet. Um weiter wertvoll für ihre Kunden zu sein, müssen sie radikal und zügig verändert werden. Als innovative Begegnungsstätte stechen sie nicht nur neue Wettbewerber aus, sondern begeistern auch Kunden und steigern ihre Profitabilität.
Stefanie Kaufeld ist Koautorin des Beitrags und Managerin bei Bain & Company in Berlin. Sie berät Großbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Privat- und Firmenkundengeschäft sowie im Asset-Management. Sie hat Betriebswirtschaft und internationales Management an der WHU Vallendar, der HEC Paris sowie der Stockholm School of Economics studiert und verfügt über umfassende Expertise bei Transformationsprogrammen, Digitalisierungs- und Kundenstrategien sowie in der (Neu-) Ausrichtung von Vertriebskanälen.