Wollen sich Banken und Sparkassen erfolgreich an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen, müssen sich die Bereitschaft der Führungskräfte ihre Mitarbeiter zu führen sowie die Führungsqualität, deutlich verbessern.
Die Handlungsnotwendigkeit für Veränderungen wird in vielen Kreditinstituten nur unzureichend vermittelt, es bestehen Desinteresse für Mitarbeiterthemen, fehlende Fehler- und Konfliktkultur sowie eine minimale Veränderungsbereitschaft. Vernachlässigen Banken und Sparkassen diese Themen, drohen Change-Prozesse auf breiter Basis zu scheitern. Bei den Führungskräften der Kreditwirtschaft besteht damit deutlicher Handlungsbedarf. Das zeigt eine Gemeinschaftsumfrage der auf Veränderungsprojekte spezialisierten Unternehmensberatung weber.advisory zusammen mit der Hochschule Fresenius unter 1.468 Mitarbeitern der Kreditwirtschaft, die vom Bank Blog unterstützt wurde.
Change Management gehört in Zeiten des Wandels dazu
In Banken und Sparkassen gehören Veränderungsprojekte angesichts des Strukturwandels der Branche mit zunehmender Tendenz zum Tagesgeschäft. Besondere Verantwortung für das Gelingen des Wandels haben die Führungskräfte. Sind sie es doch, die dafür Sorge tragen, dass die Veränderungen bei den Mitarbeitern nicht nur bekannt sind, sondern zudem verstanden, akzeptiert und umgesetzt werden.
Dem Harvard Professor John P. Kotter zufolge benötigen erfolgreiche Change-Vorhaben einen „Sense of Urgency“ bei allen Beteiligten. Hierzu gehört, dass die strategischen Herausforderungen der Belegschaft genauso bekannt sein müssen wie die Ziele und die Strategie der Unternehmen. Hierüber zu informieren, und die nötigen Maßnahmen daraus abzuleiten ist Führungsarbeit. Dieser kommen der Umfrage zufolge viele Führungskräfte nicht nach. Die Umfrageteilnehmer berichten, dass ihnen lediglich zu 73,6 Prozent die strategischen Herausforderungen und nur zu 75,1 Prozent die Ziele und Strategien vermittelt wurden. 55,1 Prozent der Umfrageteilnehmer erachten den strategischen Handlungsbedarf in der Kreditwirtschaft als nicht hoch und drängend. Mit anderen Worten, ein nicht zu unterschätzender Teil der Belegschaft hat keinen Sense of Urgency für die Situation der Kreditwirtschaft entwickelt. Sie wurde nicht oder nur unzureichend von ihren Führungskräften informiert und vorbereitet. Das ist jedoch mit Blick auf die laufenden und kommenden Veränderungen eine schwierige Ausgangslage. Warum sollen sich Mitarbeiter verändern, wenn sie dafür gar keinen Bedarf sehen?
Führung bedeutet auch Unterstützung der Mitarbeiter
Üblicherweise wird Führung als die Gesamtheit der Maßnahmen definiert, mit der Führungskräfte auf die Kooperation, Koordination, und Kommunikation aller Mitarbeiter einwirken. Wirksame Führungskräfte beginnen jeden Arbeitstag mit der Frage: Wie kann ich heute meine Mitarbeiter noch besser unterstützen? Das aber bedingt ein Interesse an den eigenen Mitarbeitern sowie ein klares Bild davon, wo diese Unterstützung und Förderung benötigen. Der Abgleich mit der Realität zeige aber laut der Umfrage ein anderes Bild.
Nur 75 Prozent der befragten Mitarbeiter von Banken und Sparkassen geben an, dass in ihren Häusern Werte und Regeln für die zwischenmenschliche Zusammenarbeit existieren. Lediglich 56,4 Prozent der Teilnehmer der Umfrage sagen, dass diese von den Führungskräften vollkommen oder weitgehend vorgelebt würden. Der Aussage, mein direkter Vorgesetzter interessiert sich für mich, stimmen nur 27,5 Prozent der Umfrageteilnehmer uneingeschränkt und weitere 35,7 Prozent eingeschränkt zu. Damit haben fast 40 Prozent der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kreditinstituten das Gefühl, dass sich der jeweilige Chef kaum oder gar nicht für sie als Person interessiert. Das ist jedoch eine sehr schlechte Basis für eine erfolgreiche Führungsbeziehung. Erschwerend komme hinzu, dass sich nur 20,2 Prozent der Mitarbeiter vollkommen und nur 28,3 Prozent weitgehend von ihren Führungskräften gefördert sehen. Damit würden über 50 Prozent der Belegschaft kaum oder gar nicht das Gefühl haben, dass sie der jeweilige Chef erfolgreicher machen möchte. Auch erfahren nur 56,9 Prozent der Mitarbeiter in regelmäßigen Gesprächen von ihrer Führungskraft, was von ihnen erwartet wird und welche Kompetenzen und Freiräume sie für die Aufgabenbewältigung haben. Diese Führungsqualität reicht im Grunde genommen schon für das Tagesgeschäft nicht aus. Erfolgreiches Change Management wird damit nahezu unmöglich.
Umgang mit Fehlern erfolgskritisch
Fehler und Konflikte sind aus Veränderungsprozessen nicht wegzudenken und der Umgang damit ist erfolgskritisch. Entsprechend alarmierend muss es sein, dass knapp 20 Prozent der Umfrageteilnehmer mit Fehlern nur Schuldzuweisungen verbinden. Nur 9,8 Prozent erleben, dass Fehler offen angesprochen werden, um aus ihnen zu lernen. Eine Mehrheit von gut 56 Prozent erlebt das nicht oder nur in geringem Ausmaß. Ähnlich sieht das Bild bei Konflikten aus. Nur 6,3 Prozent der Befragten erleben, dass diese zeitnah und lösungsorientiert angegangen werden. Eine Mehrheit von 54 Prozent erkennt das nicht oder nur in einem geringen Umfang. Veränderungen führen zu Widerstand. Der Umgang mit Fehlern und Konflikten ist entscheidend dafür, wie erfolgreich Widerstände aufgelöst werden können. Gelinge das nicht, geraten Veränderungen ins Stocken oder scheitern gar vollständig.
Die schlechte Führungsarbeit ihrer Chefs kompensieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreditinstitute zum Teil selber. 82,5 Prozent von ihnen geben an, dass sie miteinander im Team Hand in Hand arbeiten und sich gegenseitig unterstützen würden. Wünschen sie aber, dass dieses durch geeignete Team-Entwicklungsmaßnahmen flankiert wird, geben gut 70 Prozent der Befragten an, dass das gar nicht oder nur in geringem Umfang von den Führungskräften bewilligt wird.
Veränderung und Veränderungsbereitschaft
Angesichts der obigen Ergebnisse wundert auch nicht, dass lediglich 6,9 Prozent der befragten Mitarbeiter von Banken und Sparkassen unterstreichen, dass in ihren Häusern eine hohe Veränderungsbereitschaft vorhanden sei. In gut 60 Prozent der Antworten spiegelt sich diese gar nicht oder nur in geringem Umfang wieder. Diese Veränderungsresistenz sei bedrohlich für die Zukunft der Institute. Aufbau und Pflege von Veränderungsbereitschaft und –qualifikation ist ein Top-Management-Thema.
Die Situation erinnert ein wenig an die Worte des ehemaligen Thyssen-Chefs Heinz Kriwet: „Mancher hielt sich für einen ausgezeichneten Unternehmenskapitän; aber in Wahrheit sind es nur Schönwettermatrosen, die nun mit ungewohnt stürmischem Wind fertigwerden müssen.“
Stürmischer Wind wird in der Kreditwirtschaft auch in den kommenden Jahren wehen. Digitalisierung, verändertes Kundenverhalten, neue Wettbewerber und eine weiter zunehmende Regulierung sowie die anhaltende Niedrigzinsphase sorgen eher noch für steigende Veränderungs-Windstärken. Den Ergebnissen der Umfrage zufolge scheinen viele Führungskräfte der Kreditwirtschaft dafür nicht geeignet zu sein oder wollen es zumindest nicht.