Im Zuge der digitalen Transformation suchen viele Banken und Sparkassen nach dem Geschäftsmodell der Zukunft. Der Markt für Finanzdienstleistungen könnte zukünftig von zwei Gruppierungen beherrscht werden.
Die fortschreitende Digitalisierung wird unser Leben dramatisch verändern; das ist aktuell der zentrale Konsens in unserer Gesellschaft. Wie wird diese digitalisierte Welt speziell in der Bankenbranche in ein paar Jahren aussehen?
Die Zukunft besteht aus zwei Gruppen von Banken
Meine These: Der Markt für Finanzdienstleistungen wird zukünftig von zwei Gruppierungen beherrscht.
- Auf der einen Seite wird es die Anbieter von Standardprodukten geben, die sich über den günstigsten Preis im Wettbewerb positionieren; dieser Trend ist schon seit einiger Zeit sichtbar. In diesem Banksegment tummeln sich zunehmend branchenfremde Unternehmen. Von Handelsketten, die schon heute in ihren Supermärkten Bankdienstleistungen wie Bargeldauszahlungen oder Kleinkredite anbieten bis hin zu Unternehmen wie Google, die bereits seit vielen Jahren über eine Banklizenz verfügen.
- Auf der anderen Seite werden sich Finanzdienstleister im Markt positionieren, die sehr komplexe Themen, wie beispielsweise Unternehmensfinanzierungen, Vermögensaufbau oder intelligente Beratung anbieten. Im Kontext einer Ökosystem-Strategie werden sie das eigene Angebot signifikant mit Produkt- und Vertriebspartnerschaften erweitern und damit ein Prinzip dieser Branche aufgeben, das bislang als unumstößlich galt: die hohe Fertigungstiefe, die in der Bankenbranche bei durchschnittlich 80 Prozent liegt.
Vier Leitfragen für den Erfolg der Zukunft
Die Banken werden sich für einen Weg entscheiden müssen. Wer den zweiten Weg wählt, findet keine Blaupause, mit der man den künftigen Erfolg sicherstellen kann. Es gibt aber Leitfragen, an denen wir uns orientieren können:
1. Ist das Geschäftsmodell tragfähig?
Die Voraussetzungen für ein tragfähiges Geschäftsmodell werden sich auch in Zukunft nicht ändern. Vier Aspekte haben einen besonders hohen Stellenwert. Erstens: Wem es gelingt, am Markt Produkte oder Dienstleistungen oder aber auch eine Qualität anzubieten, die das Zeug für ein Alleinstellungsmerkmal haben, bringt schon mal eine gute Ausgangsbasis mit. Spezialisierung sowie profundes Know-how bilden die Basis. Zweitens: Man muss sich in einem Wachstumsmarkt bewegen. Drittens: Gerade im Hinblick auf ein funktionierendes Ökosystem ist ein dichtes und belastbares Netzwerk notwendig. Und last but not least muss man das Vertrauen der Kunden erwerben und erhalten. Gerade bei Finanzdienstleistungen ist das ein wichtiger Erfolgsfaktor.
2. Werden den Kunden die richtigen Zugangskanäle geboten?
Der Mix macht den Unterschied. Persönliche, hybride und digitale Kanäle sind nebeneinander gefragt. In komplexen Fragestellungen bleibt das Bankgeschäft sogenanntes people‘s business, das sich durch eine persönliche Beziehung zum Kunden auszeichnet. Diese wird auch in Zukunft gefragt bleiben, weshalb die Bankfiliale nicht vom Aussterben bedroht ist. Allerdings werden sich Bedeutung und Funktion einer Bankfiliale weiter verändern. Für Standarddienstleistungen ist sie überflüssig. Für die Beratung bei komplexen Bankthemen wird sie an Bedeutung gewinnen und einer der wichtigsten Zugangskanäle für Bankkunden bleiben. Dort ist und bleibt der persönliche Berater und Betreuer das Gesicht der Bank. Zu ihm wird über eine zwischenmenschliche – und ganz analoge – Beziehung Vertrauen aufgebaut, das von der Kompetenz des Beraters und überzeugenden bedarfsgerechten Betreuungskonzepten getragen wird. Darüber hinaus werden digitale Plattformen als wichtige Eingangskanäle für Kunden immer bedeutender. Diese Plattformen beheimaten dann nicht nur bankeigene Angebote und Funktionalitäten: hier sind in Zukunft auch Lösungen verortet, die den jeweiligen Kunden größtmöglichen Zusatznutzen bieten.
3. Ist die Anziehungskraft für Kunden stark und nachhaltig genug?
Produkte und Beratung müssen durch Qualität überzeugen. Doch das reicht nicht mehr aus, um das Interesse der Kunden zu wecken. Wir müssen den Kunden „mehr Wert“ über das reine Banking hinaus anbieten, um nachhaltig zu überzeugen. Dabei muss man natürlich die spezifischen Kundenbedürfnisse im Blick haben, die sich nicht nur mittelbar auf das Bankgeschäft beziehen.
4. Sind die Prozesse leistungsfähig genug?
Kreative Ideen, gute Produkte und exzellente Beratung helfen nicht, wenn sie nicht effizient umgesetzt werden. Schnelle, verlässliche und vor allem kundenorientierte Prozesse sind also gefragt, die sich nur mit einer intelligenten Digitalisierung verwirklichen lassen. Auf diese Weise werden auch die Bankmitarbeiter von unproduktiven Routinetätigkeiten entlastet und können mehr Zeit in die Kundenbetreuung investieren. Neben der Kundenorientierung zählt die End-to-end-Prozessoptimierung, um die Komplexität umfangreicher Prozesse deutlich zu reduzieren. Schlanke und leistungsfähige Strukturen allein reichen aber nicht. Vielmehr müssen wir gleichzeitig den Anforderungen eines zukunftsorientierten und modernen Arbeitens gerecht werden: Das wiederum hat Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation, die heute neue Formen verlangt, wie mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeitmodelle, die über die bekannten Modelle hinausgehen, oder auch agile Formen der Zusammenarbeit.
Chancen für die Zukunft
Die ersten Abgesänge auf die Bankenbranche klingen vielerorts schon an. Und in der Tat haben viele Banken keine nachhaltige Zukunft in ihrer heutigen Aufstellung. Die Banken aber, die sich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, den Nutzen für den Kunden in den Mittelpunkt stellen und mit Mut, Erfindergeist und kultureller Veränderungsbereitschaft auf den Weg machen, ihr Geschäftsmodell zu erneuern, werden erfolgreich aus dieser disruptiven Phase hervorgehen.