Bargeld hat Zukunft!

Vielfältige Vorteile von Noten und Münzen

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Von vielen Stellen wird derzeit eine Welt ohne Bargeld prognostiziert. Dabei ist gegenwärtig Cash immer noch King und es gibt gute Gründe, warum auch in Zukunft Noten und Münzen eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen werden.

Zukunft von Bargeld

Vielfältige Vorteile von Noten und Münzen sprechen für den Fortbestand von Bargeld

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Während der Volksmund nur Bares für Wahres hält, hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank John Cryan auf dem Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos die These vorgetragen, dass Bargeld in den nächsten zehn Jahren verschwinden wird. Meine Gegenthese lautet: Bargeld hat Zukunft!

Bargeldumlauf steigt an

Obwohl mitunter so getan wird, als stünde die Abschaffung oder die Bedeutungslosigkeit des Bargelds unmittelbar bevor, zirkulieren mehr Banknoten denn je. Seit der Euro-Bargeldeinführung hat sich der Banknotenumlauf verfünffacht. Ende 2016 waren Euro-Banknoten im Wert von 1.126 Milliarden Euro im Umlauf. Davon hat die Deutsche Bundesbank fast 600 Milliarden Euro, also über die Hälfte, emittiert.

Auch andere international wichtige Reservewährungen sind als Bargeld sehr beliebt. Ende 2016 gab es fast dreieinhalb Mal so viele US-Dollar Banknoten wie noch vor 20 Jahren. Die gleiche Entwicklung durchlebte das britische Pfund und auch der Banknotenumlauf des Schweizer Franken hat sich mehr als verdoppelt.

Was geschieht mit dem ganzen Bargeld?

Die Deutsche Bundesbank führt umfangreiche Analysen zur Bargeldverwendung durch. Demnach fließen 70 Prozent des von der Bundesbank emittierten Bargelds ins Ausland, entweder im Rahmen des internationalen Sortenhandels, durch Bargeldmitnahmen ausländischer Arbeitnehmer oder durch den Tourismus.

Nur 30 Prozent des gesamten Banknotenumlaufs werden innerhalb Deutschlands verwendet; davon zwei Drittel, so schätzen wir, als gehortete Barreserven. Wertaufbewahrung ist ein wichtiger Verwendungszweck für Bargeld. Dies gilt insbesondere in unsicheren Zeiten, in denen die Bevölkerung physisch greifbares Geld einer Notenbank – anstelle von Einlagen bei einer Geschäftsbank – halten möchte. So haben z.B. Auszahlungen von 500-Euro-Banknoten während der Lehman-Krise im Oktober 2008 stark zugenommen.

Vor allem aber spielt die Nutzung von Bargeld als Transaktionsmedium für die deutsche Volkswirtschaft eine wichtige Rolle.

Cash is King – Deutschland bezahlt bar

Gemäß einer Untersuchung der Bundesbank aus dem Jahr 2014 werden in Deutschland mehr als die Hälfte der Ausgaben am Point-of-Sale bar bezahlt. Gemeint ist damit die klassische Ladenkasse im Handel, aber auch Ausgaben an Privatpersonen bzw. Dienstleister sowie Interneteinkäufe. Bezogen auf die Anzahl der Bezahlvorgänge, liegt der Bargeldanteil sogar bei fast 80 Prozent.

Auf dem zweiten Platz folgt die girocard (früher „ec-Karte“). Mit ihr werden knapp 30 Prozent der Ausgaben bezahlt. Der Trend zum Bargeld ist seit 2008 leicht rückläufig, während die girocard in kleinen, aber stetigen Schritten dazugewinnt. Auch innovative Bezahlverfahren wie kontaktlose Karten oder Zahlungen per Mobiltelefon werden immer bekannter; in den Nutzungszahlen zeigt sich dies in der Bundesbank-Studie aus dem Jahr 2014 noch nicht.

Generell gilt, dass es Innovationen im Zahlungsverkehr in Deutschland nicht leicht haben, da die Hälfte der Bevölkerung hinsichtlich der Nutzung von Zahlungsinstrumenten festgelegt ist. Ein Drittel der Menschen zahlt ausschließlich bar, obwohl nahezu jeder über eine oder mehrere Karten verfügt. 17 Prozent der Befragten zahlen bei jeder sich bietenden Gelegenheit unbar. 50 Prozent der Bevölkerung entscheiden sich am Point-of-Sale anhand verschiedener Kriterien immer wieder neu für oder gegen die Verwendung eines Zahlungsmittels.

Es bleibt abzuwarten, ob die technikaffine und an Internet und Smartphone gewöhnte, junge Generation dazu beiträgt, dies zu ändern.

Vorteile und Nutzen stiftende Eigenschaften des Bargelds

Bargeld hat durchaus Vorteile und Nutzen stiftende Eigenschaften, dies es so beliebt machen:

  • Mit Bargeld kann direkt Zug um Zug bezahlt werden. Weder der Verkäufer, noch der Käufer einer Ware müssen in Vorleistung treten. Beide sind so gegen eine Insolvenz der Gegenseite geschützt. Dies ist zum Beispiel beim Kauf und Verkauf von Waren zwischen Privatpersonen von Interesse, z.B. beim Gebrauchtwagenkauf/-verkauf.
  • Barzahlungen ermöglichen eine gute Kontrolle der Ausgaben. Ein Blick in den Geldbeutel genügt, um festzustellen, ob weitere Ausgaben vorgenommen werden können oder nicht.
  • Bargeld benötigt keine technische Infrastruktur. Dadurch kann es auch im Not- und Krisenfall als Zahlungsmittel verwendet werden.
  • Bargeld kann ohne nennenswerte Zugangsbeschränkungen zum Bezahlen verwendet werden. Auch Bevölkerungskreise, die keinen vollen Zugang zu bargeldlosen Zahlungsmitteln haben, beispielsweise Kinder oder Personen ohne Girokonto, können so am Wirtschaftsleben teilnehmen.
  • Darüber hinaus sind Transaktionen mit Bargeld anonym und für Dritte nicht nachvollziehbar. So kann man zum Beispiel vor dem Ehepartner den Kauf des Weihnachtsgeschenks verbergen. Diese Anonymität wird zuweilen kritisch gesehen. Denn sie wird auch von Kriminellen für deren Aktivitäten genutzt. Aber hier muss sorgfältig abgewogen werden: Die Freiheitsrechte der Bevölkerung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind hohe Güter, die nicht ohne weiteres mit dem Verweis auf eine mögliche kriminelle Verwendung des Bargelds preisgegeben werden dürfen.

Die Abschaffung des Bargelds – The War on Cash

Unterschiedlichste Interessengruppen wollen die Bargeldverwendung zurückdrängen: Anbieter unbarer Bezahlverfahren, Strafverfolgungsbehörden, Nachrichtendienste oder auch Politiker und Ökonomen. Sie führen vor allem die nachstehend untersuchten zwei Gründe für ihre Haltung an.

Bargeld verhindere konjunkturpolitische Impulse

Einige Ökonomen wie zum Beispiel Kenneth Rogoff oder Larry Summers argumentieren geldpolitisch: Bargeld verhindere die breitflächige Durchsetzung negativer Zinsen, da die Möglichkeit bestünde, sein Geld jederzeit bar abzuheben. Bestünde diese Möglichkeit jedoch nicht, könnten die Zinsen deutlicher unter null gesenkt werden, was eine zusätzliche Konjunkturstimulierung erlaube, weil die Leute ihr Geld eher ausgeben würden als es auf dem Konto schrumpfen zu sehen.

Hingegen äußerte Yves Mersch, das für Bargeld zuständige Direktoriumsmitglied der EZB, im vergangenen Jahr die Ansicht, dass die Effektivität negativer Zinsen womöglich überschätzt werde, da die Menschen nicht immer linear auf veränderte Rahmenbedingungen reagierten, sondern sich anpassen könnten. So wäre es möglich, dass sie ihre Sparquote sogar noch erhöhten, statt ihr Geld auszugeben.

Weniger Kriminalität ohne Bargeld

Weiterhin argumentieren die Bargeldgegner, dass ohne Banknoten kriminelle Handlungen wie Terrorismusfinanzierung, Raub und Diebstahl von Bargeld, aber auch Geldwäsche, Schwarzarbeit oder Steuerhinterziehung abgeschafft bzw. zurückgedrängt werden könnten. Selbstverständlich bin ich gegen Kriminalität. Die Beendigung der Emission des 500 €-Scheins und die Einführung einer Barzahlungsobergrenze sind aus meiner Sicht allerdings Aktionismus, ohne dass Kriminalität reduziert wird. Mir ist nicht bekannt, dass es in Ländern mit einer Bargeldobergrenze weniger Kriminalität gäbe.

Zudem werden Alternativen vielfach außer Acht gelassen. Wenn kein Bargeld gestohlen oder geraubt wird, können stattdessen Konten abgeräumt werden. Schwarzarbeiter können auch in Fremdwährung, Naturalien oder Bitcoins bezahlt werden. Die Panama Papers haben deutlich gezeigt, wie man mit Briefkastenfirmen Geldwäsche oder Steuerhinterziehung betreiben kann und auch Schwarzgeld befindet sich größtenteils auf Konten und nicht unter dem Kopfkissen.

Vollständige Abschaffung von Bargeld als Option?

Von einigen wird auch die Idee einer kompletten Bargeldabschaffung diskutiert. Für Deutschland und Europa geht allerdings das Recht der Europäischen Union davon aus, dass Bargeld existiert. So sind – nach Art. 128 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken zur Ausgabe von Euro-Banknoten berechtigt. Außerdem haben die Mitgliedstaaten das Recht zur Ausgabe von Euro-Münzen. Eine „Abschaffung“ von Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel erforderte somit aller Voraussicht nach Änderungen im Unionsrecht. Zudem gäbe es noch eine Vielzahl praktischer und logistischer Herausforderungen zu überwinden.

Auch müsste man intensiver als bisher über die Folgen nachdenken. Würde man das Bargeld abschaffen, um etwa negative Zinsen leichter durchzusetzen, könnte es passieren, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Geld nicht für Konsumzwecke ausgeben, sondern anderweitig anlegen, beispielsweise in Edelmetallen oder Immobilien. Welche Verwerfungen würden sich dann auf diesen Märkten einstellen? Ebenso könnten die Menschen auf die Idee kommen, als Bargeldersatz auf Regionalwährungen oder Gutscheine auszuweichen. Aber möchte man wirklich, dass private Unternehmen eine Art Ersatzwährung bereitstellen?

Aber es entstehen weitere Fragen: Wenn es kein Bargeld mehr gäbe und die Zinsen weit unter null sinken würden, könnten dann beispielsweise auch Kreditzinsen für Häuslebauer negativ werden? Wie wirkt es sich auf die Geldschöpfung aus, wenn Bargeld als wichtiger Grund für den Bedarf an Zentralbankgeld wegfällt? Und schließlich stellt sich die Frage, wodurch Bargeld gleichwertig ersetzt werden könnte. Welches Zahlungsmittel bietet eine einfache, technikfreie Handhabung, einen Zahlungsausgleich in Echtzeit ohne Insolvenzrisiken, einen umfassenden Schutz der Privatsphäre, eine universelle Akzeptanz selbst am kleinsten Kiosk sowie eine Wertaufbewahrungsfunktion? Müsste es im Fall eines Bargeldwegfalls auf ein Vollgeldsystem hinauslaufen, bei dem die Notenbank selbst umlauffähiges Giralgeld bereitstellt?

Für eine Zukunft mit Bargeld

Insgesamt betrachtet wäre eine Bargeldabschaffung ein beispielloser Kraftakt mit unabsehbaren Folgen, den ich für unrealistisch halte. Die Bundesbank hegt keinerlei Pläne für eine Abschaffung des Bargelds. Wir gehen davon aus, dass es Banknoten und Münzen weiterhin geben wird.

All denen, die sich theoretisch mit derartigen Gedankenspielen beschäftigen, empfehle ich, sich statt mit vermeintlichen Nachteilen auch mit den Vorteilen und den Nutzen stiftenden Eigenschaften des Bargelds zu befassen. Diese werden in der Öffentlichkeit nicht ausreichend gewürdigt.

Allerdings ist ein Wandel in der Bargeldbedeutung aufgrund von Änderungen im Zahlungs- und Konsumverhalten absehbar. Steigende Smartphone-Nutzung und Veränderungen im Konsumverhalten hin zum Online-Shopping verändern auch das Zahlungsverhalten. Auch im stationären Einzelhandel steigern die unbaren Zahlungsinstrumente langsam, aber stetig ihren Anteil. In Deutschland wurden bislang weit über 100 Millionen Karten mit Zahlungsfunktion ausgegeben – und diese wollen auch benutzt werden.

Diese Entwicklung halte ich nicht für problematisch. Die Deutsche Bundesbank verhält sich neutral gegenüber den Zahlungspräferenzen der Bevölkerung. Jeder sollte so zahlen, wie er möchte. Doch um diese Wahl zwischen baren und unbaren Zahlungsmitteln auch in Zukunft zu haben, ist die Existenz von Bargeld erforderlich!

Die nach wie vor große Bedeutung des Barzahlungsverkehrs zeigt, dass die Menschen die Vorzüge des Bargelds schätzen und Bargeld als selbstverständliches Zahlungsmittel betrachten. Daher bin ich überzeugt, dass Bargeld eine Zukunft hat. Die Existenz von Bargeld leistet zudem einen Beitrag zum Vertrauen der Bürgerinnen und Bürgern, das für die Abwicklung des Wirtschaftslebens zwingend vonnöten ist, denn: Das Vertrauen in eine Währung beginnt beim Bargeld. Bargeld ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines ausgewogenen Portfolios an Zahlungsinstrumenten. Bargeld ist (und bleibt) geprägte Freiheit.

Über den Autor

Carl-Ludwig Thiele

Carl-Ludwig Thiele ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Er ist für die Zentralbereiche Bargeld, Controlling, Rechnungswesen und Organisation sowie Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme zuständig. Von 1990 bis zu seinem Wechsel zur Bundesbank im Jahr 2010 gehörte der Jurist dem Bundestag an, war dort zunächst Mitglied im Haushaltsausschuss, danach im Finanzausschuss. Zudem war er 16 Jahre lang Mitglied des Vermittlungsausschusses. Von 2002 bis 2010 war Thiele stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

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