Im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht wurden kürzlich die Ergebnisse der Überarbeitung der Ansätze für verschiedene Risikoarten im Bankgeschäft vorgelegt. Eine aktuelle quantitative Analyse zeigt, dass die als Basel IV bekannte Regulierung deutsche Institute im internationalen Vergleich übermäßig belastet.
Im Dezember 2017 hat die Gruppe der Notenbankpräsidenten und Leiter der Aufsichtsbehörden (GHOS) im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht die „Finalisierung von Basel III“ verabschiedet. Dieses Reformpaket der internationalen Bankenregulierung sollte die Institute krisenfester machen. Aufgrund der großen Veränderungen wurde in der Branche frühzeitig von „Basel IV“ gesprochen.
Sowohl der Baseler Ausschuss als auch die Vertreter der deutschen Aufsichtsbehörden, bestehend aus BaFin und Bundesbank, hatten sich vor Verabschiedung des Pakets das Ziel gesetzt, keinen signifikanten Anstieg der risikogewichteten Aktiva (RWA) für die Institute herbeizuführen. Basel IV überarbeitet die Ansätze für verschiedene Risikoarten im Bankgeschäft wie das Kreditrisiko oder das Marktpreisrisiko. Die wesentliche Änderung ist jedoch die Einführung eines sog. Output-Floors, der ab dem Jahr 2022 gilt und bis 2027 schrittweise auf 72,5 Prozent erhöht wird.
VÖB-Studie zu den Auswirkungen von Basel IV
In einer Studie hat der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) nun die Auswirkungen von Basel IV auf den deutschen Bankenmarkt untersucht. Dazu wurde eine Musterbank mit den Daten von 16 der 21 deutschen EZB-beaufsichtigten Banken gebildet. Es liegt hier also keine fiktive Bank vor, die Musterbank beruht auf realen Geschäfts- und Offenlegungsberichten mit Stichtag 31. Dezember 2017.
Die Auswirkungen der nach Basel IV erwarteten Regeln wurden anschließend in der Bilanz der Musterbank simuliert. Um möglichst praxisnah zu sein, wurden zudem die VÖB-Mitgliedsinstitute befragt. Der dabei bestimmte RWA-Auftrieb wurde als Simulationsparameter für die Musterbank genutzt.
Ergebnis: Ziele von Basel IV können nicht erreicht werden
Die Musterbank kann zunächst enorme Zuwächse an hartem Eigenkapital und einen RWA-Abbau ausweisen. Die Quote steigt demnach von 12,3 Prozent (2015) auf 15 Prozent (2017). Der deutsche Bankensektor war also erfolgreich. Und es ist gelungen, Risiken abzubauen und die Banken zu stärken.
Allerdings wird nach unseren Schätzungen Basel IV einen RWA-Anstieg von 23 Prozent auslösen. Das ist maßgeblich mehr als das vom Baseler Ausschuss anvisierte Ziel von nicht mehr als 10 Prozent und bestätigt unsere grundlegende Kritik.
Für die Top 16-Banken in Deutschland, als Grundlage für die Musterbank, führt dies zu einem Rückgang der harten Kernkapitalquote um 2,8 Prozent-Punkte, auf 12,2 Prozent und damit auf das Niveau von 2015. Basel IV wirft uns also in unseren Bemühungen um zwei Jahre zurück.
Von guten Kapitalquoten werden wir zurück in das untere Drittel am Markt gedrängt. Besonders stark beim RWA-Auftrieb schlägt sich der Output-Floor nieder, er sorgt bei der Musterbank für einen Anstieg von mehr als 11 Prozent. Der Output-Floor bestraft damit Institute, die ihre Risiken aufwändig rechnen und Kredite mit geringem Ausfallrisiko auf ihren Bilanzen halten. Eine Auslagerung bestimmter Kredite wie in Amerika an Fanny Mae und Freddy Mac ist im deutschen Bankensystem dagegen nicht praktikabel.
Das ursprüngliche Ziel der Regulatoren, keinen signifikanten RWA-Anstieg auszulösen, ist damit verfehlt. Jetzt wird es bei der Umsetzung von Basel IV darum gehen, die Nachteile für europäische Institute so gering wie möglich zu halten. Insbesondere die Langfristkultur in Deutschland könnte hieraus Schaden nehmen.
Fazit: Übermäßige Belastung deutscher Institute durch Basel IV
Die Einigung zu „Basel IV“ belastet die deutschen Institute im globalen Vergleich übermäßig stark. Das ursprünglich selbst gesteckte Ziel der Aufsicht einen signifikanten RWA-Anstieg zu vermeiden, wird eindeutig verfehlt.
Umso wichtiger ist es nun, dass Basel IV weltweit im Gleichschritt umgesetzt wird, um europäische Institute nicht zu benachteiligen. Ein erster Schritt ist es, die neuen Regelungen des Baseler Ausschusses für das Handelsbuch (FRTB) in der Europäischen Union erst dann umzusetzen, nachdem die Arbeiten des Baseler Ausschusses, vermutlich zum Jahresende, abgeschlossen sind. Weiterhin ist bei der angekündigten Auswirkungsstudie der EU-Kommission wichtig, alle „Basel IV“-Regulierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Sofern diese Auswirkungsstudie eine signifikante Belastung bestätigt, muss die europäische Umsetzung maßvoll erfolgen. Bspw. könnte der Output-Floor in der EU angepasst werden. Nachteile für Finanzierungen in Europa, die durch die Einschränkung interner Modelle bzw. dem überarbeiteten Standardansatz für das Immobilien- und Projektfinanzierungsgeschäft sowie Unternehmen ohne Rating drohen, sollten unbedingt vermieden werden.
Basel IV macht die Bankenregulierung zur Sisyphos-Arbeit: der Stein des Kapitalaufbaus wird um zwei Jahre zurückgesetzt und wir rollen ihn erneut bergaufwärts.
Die gesamte Studie steht hier zum Download bereit.